Aschheim:Zurück in den Arbeitsalltag

Aschheim: Dennis Passarelli und Bernd Mehler haben beim Weißen Raben eine neue Aufgabe gefunden.

Dennis Passarelli und Bernd Mehler haben beim Weißen Raben eine neue Aufgabe gefunden.

(Foto: Stephan Rumpf)

In Unternehmen des "Weißen Raben" der Caritas sollen Menschen wieder für den Arbeitsmarkt fit gemacht werden.

Von Christina Hertel, Aschheim

Gewerbegebiet Dornach. Lagerhalle reiht sich an Lagerhalle. Und dann, am Ende der Straße, ein Recyclinghof. In Gittercontainern liegen Kabel, alte Bildschirme, Computer, weiter hinten stehen alte Sofas, Tische und Stühle. Aber der Hof ist mehr als eine Abladestation für alte Teile - er ist eigentlich ein Projekt.

Der Weiße Rabe soll Menschen auffangen

Abi, Studium, erste Arbeitsstelle, Hochzeit, Kinder, Rente. So gerade verlaufen nicht alle Biografien. 2015 waren in Deutschland eine Million Menschen länger als ein Jahr arbeitslos. Wieder ins Berufsleben hineinzukommen, ist für viele von ihnen schwer. In Betrieben der Weißer Rabe Gruppe, getragen vom Caritasverband der Erzdiözese München und Freising, sollen sich diese Menschen wieder an einen Arbeitsalltag gewöhnen. Das kann im Gebrauchtwarenhaus, in der Schneiderei, oder eben hier, im Recyclinghof in Dornach sein.

An einer Werkbank am Ende der Halle sitzt Bernd Mehler, ein stämmiger Mann, Anfang 30. Mehler hat in seinem Leben viel mitgemacht. Als kleines Kind fand er als Erster seine tote Mutter, als Erwachsener litt er unter einer Psychose, über die Ursache kann Mehler nur spekulieren. Er arbeitete damals als Koch. Der Druck war groß, sagt er, die Arbeitstage lang. Er fühlte sich verfolgt, hörte Menschen über ihn tuscheln, sah sie hinter ihm herlaufen. Bloß, in Wirklichkeit war da niemand. Irgendwann brach er zusammen. Zurück an seine alte Stelle? Für ihn keine Option. Schließlich vermittelte ihn das Jobcenter zum Weißen Raben.

Die meisten Mitarbeiter sind Ein-Euro-Jobber

Unter Druck fühlt sich Mehler auf dem Recyclinghof nicht, gegen die Psychose nimmt er Medikamente. Überhaupt geht es ihm heute viel besser. Die Arbeit gebe ihm Energie und einen Grund morgens aufzustehen. "Jeder kann bei uns im Rahmen seiner Möglichkeiten arbeiten", sagt Dirk Schieborowsky, stellvertretender Geschäftsführer des Weißen Raben. Ziel sei, den Menschen eine Tagesstruktur zu geben und sie auf ein "richtiges" Arbeitsleben vorzubereiten. Dazu gehöre, pünktlich zu beginnen, sich an Absprachen zu halten und bei Krankheit abzumelden. Damit die Arbeitslosen das lernen, stellt die Weißer Rabe Gruppe die Rahmenbedingungen - mit Sozialpädagogen und Betreuern.

Für die Bezahlung allerdings ist sie nicht zuständig. Die meisten, die für den Weißen Raben arbeiten, sind so genannte Ein-Euro-Jobber oder wie es in der Behördensprache korrekt heißt: Sie haben eine Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung. Dieses sperrige Wort trifft es eigentlich ganz gut, denn: Einen echten Lohn bekommen die Arbeiter nicht. Von 1,50 Euro in der Stunde können sie die Busfahrkarte zur Arbeit und eine Brotzeit bezahlen.

Ersatz für echte Arbeit soll der Ein-Euro-Job auch nicht sein. Hartz IV bekommen sie weiterhin. "Ich kenne viele Arbeitslose, die sich dank dieses Jobs nicht als Total-Abhängige sehen", sagt Dirk Schieborowsky. Zwischen 15 und 30 Stunden in der Woche arbeiten die Menschen beim Weißen Raben, bis zu 180 Euro können sie also pro Monat zu Hartz IV dazu verdienen.

Nicht alle Arbeiter sind zufrieden mit den Bedingungen

Zu wenig, findet Erich Schmid, der seinen richtigen Namen nicht in der Zeitung lesen will. "Ein normaler Mensch", sagt er, "würde sich für den Lohn nicht den Rücken krumm machen." Schmid arbeitet nicht in der Halle, sortiert nicht Elektroschrott und alte Möbel. Er kümmert sich darum, dass der ganze Kram überhaupt nach Dornach kommt. Dafür räumt er alte Wohnungen aus, heute im Osten von München. Das Haus ist vollgestellt bis unters Dach, der Mieter gestorben. Manchmal seien richtige Messi-Wohnungen dabei, erzählt Schmid. "Wenn die Kollegen nicht wären, hätte ich schon lange aufgehört", sagt Schmid. Er ist wegen Depressionen beim Weißen Raben gelandet. Vorher: viel Fließband-, viel Zeitarbeit. "Moderne Sklaverei" nennt Erich Schmid das. Und die Arbeit beim Weißen Raben sei da nichts anderes.

Dirk Schieborowsky weiß, dass es immer Arbeiter geben wird, die unzufrieden sind. Trotzdem hält er die Maßnahmen für richtig. "Niemand wird gezwungen hier zu sein." Er ist sicher, dass der Weiße Rabe vielen hilft, wieder Fuß zu fassen. Schmid könne schimpfen, sagt er, aber auch er habe profitiert. Bald fängt er als Lagerist in Nürnberg an.

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