Aschheim:Maximal 450 Betten

Die Gemeinde Aschheim zieht alle Register und will eine dauerhafte Unterkunft für mehrere Tausend Flüchtlinge per Bebauungsplanänderung verhindern. Die Johanniter wehren sich indes gegen Vorwürfe, in der Notaufnahmeeinrichtung herrschten untragbare Zustände

Von Martin Mühlfenzl und Sabine Oberpriller, Aschheim

Drei junge Männer rasen die abschüssige Einfahrt zu ihrem derzeitigen Zuhause auf Skateboards hinunter. Nur wenige Meter entfernt liegen zwei andere auf der Wiese und genießen die wärmenden Sonnenstrahlen im ansonsten schon etwas herbstlich anmutenden Aschheimer Ortsteil Dornach. Es ist ruhig hier in der Notaufnahmeeinrichtung der Regierung von Oberbayern - und vor allem ist es friedlich.

Gleichwohl hat ein Hilferuf des stellvertretenden Landrats Ernst Weidenbusch (CSU) am Montagnachmittag in der Sitzung des Kreistags ein anderes Bild gezeichnet. Der Landtagsabgeordnete äußerte bei seinen Ausführungen zwar keine sicherheitstechnischen Bedenken, sprach aber von "unhaltbaren Zuständen" in der Einrichtung der Regierung. Hygienische Standards würden in den Bürogebäuden am Einsteinring nicht eingehalten, die Betreuung der Flüchtlinge, insbesondere bei deren Ankunft in Dornach, sei nicht gegeben. Und, so Wiedenbuschs Hauptkritikpunkt: Die Ehrenamtlichen und freiwilligen Helfer würden von der Regierung von Oberbayern vollkommen alleine gelassen. "Die Regierung erfüllt ihren Auftrag nicht." Die stellvertretenden Landräte Annette Ganssmüller-Maluche (SPD) und Otto Bußjäger (Freie Wähler) unterstützen Weidenbusch in seiner Kritik.

"In Dornach kümmert sich die zuständige Behörde, die Regierung von Oberbayern, um nichts", lassen beide verlautbaren. "Ohne Freiwillige, die Verantwortung übernehmen und mitdenken und ständig vor Ort sind, wäre diese Einrichtung nicht durchführbar." Die Freiwilligen müssten die Versorgung der Flüchtlinge stemmen, im Internet zu Spenden aufrufen - und sich auch um die eigene Verpflegung bemühen, obwohl manche schon 16 Stunden im Dauereinsatz seien. Und das, kritisieren Ganssmüller-Maluche und Bußjäger, obwohl Regierung und Johanniter Geld vom Bund für ihre Arbeit bekämen. Landrat Christoph Göbel (CSU) merkte bezüglich der Kritik seiner Stellvertreter an, dass er mit der stellvertretenden Regierungspräsidentin Maria Els ein Gespräch geführt habe. Der Landkreis sei mit der Regierung in Kontakt und dränge darauf, dass diese alle Standards in Dornach einhalte.

Aschheim: In Dornach herrscht meist ein reges Kommen und Gehen. In Aschheim aber gibt es massive Bedenken gegen die Anlage.

In Dornach herrscht meist ein reges Kommen und Gehen. In Aschheim aber gibt es massive Bedenken gegen die Anlage.

(Foto: Claus Schunk)

Am Dienstagnachmittag befanden sich insgesamt 880 Menschen in der Notaufnahmeeinrichtung, sagte Gerhard Bieber, Pressesprecher der Johanniter. "Es ist alles friedlich und die Versorgung funktioniert auch", fügte er an. Von der Regierung fühle er sich nicht alleine gelassen. "Wir sind ständig in Kontakt - und ja, manches musste sich in der ersten Zeit erst finden." So habe die Regierung zugesichert, die Verpflegung weiter zu professionalisieren, sagte Bieber - dennoch werde es auch wieder Aufrufe geben, wenn in der Einrichtung etwa schnell frisches Obst benötigt werde. "Wir müssen manchmal kurzfristig handeln, da die Menschen nur kurz bei uns sind", sagte Bieber. "Die Bereitschaft in der Bevölkerung ist nach wie vor sehr hoch."

Die Gemeinde Aschheim allerdings zieht nun alle ihr zur Verfügung stehenden Register, um eine dauerhafte Erstaufnahmeeinrichtung im Gewerbegebiet doch noch zu verhindern. In einer Sondersitzung hat der Gemeinderat unter der Leitung von Bürgermeister Thomas Glashauser (CSU) am Montagabend einstimmig eine entsprechende Resolution verabschiedet. Zugleich beseitigte er eine Lücke im Bebauungsplan für das Gewerbegebiet westlich der Erdinger Landstraße, in dem bisher eine soziale, kulturelle oder kirchliche Nutzung der Gebäude nicht ausgeschlossen war. Die dauerhafte Container-Einrichtung an der Karl-Hammerschmidt-Straße ist davon nicht betroffen.

Aschheim: Aschheims Bürgermeister Thomas Glashauser fordert Regierungsvizepräsidentin Maria Els auf, besser und schneller zu informieren.

Aschheims Bürgermeister Thomas Glashauser fordert Regierungsvizepräsidentin Maria Els auf, besser und schneller zu informieren.

(Foto: Claus Schunk)

Die Notunterkunft in den Bürogebäuden dagegen will die Gemeinde nur noch bis 30. April 2016 dulden. Voraussetzung: eine maximale Belegung mit 450 Betten. Das entspreche in etwa einem Drittel von Dornachs Einwohnerzahl. Darüber hinaus fordert die Gemeinde die Regierung von Oberbayern auf, Sicherheit und einen gewissen Hygienestandard zu garantieren, einen geordneten Ablauf zu gewährleisten, zu informieren und den Betrieb der Unterkunft auch ohne den Einsatz von Ehrenamtlichen sicherzustellen. Denn die Akzeptanz der Einrichtung sei stark gefährdet, heißt es in der Begründung. Es fehle die Infrastruktur für eine dermaßen große Einrichtung, außerdem sei die Attraktivität des Gewerbegebietes gefährdet.

Es ist die Reaktion einer Kommune, die die Flüchtlingspolitik voll zu spüren bekommt. Glashauser betonte, dass die Gemeinde bisher sehr fortschrittlich und engagiert mit der Unterbringung der Flüchtlinge umgegangen sei und das auch fortsetzen wolle: "Wir sind weiterhin bereit, mehr Flüchtlinge aufzunehmen, als wir nach dem Verteilungsschlüssel müssten." Als eine der ersten Kommunen habe Aschheim eine Stelle in der Verwaltung geschaffen, die mit Asylaufgaben betraut sei. Die Gemeinde habe sich bisher stark um eine dezentrale Unterbringung der Flüchtlinge bemüht, um eine gute Integration zu gewährleisten.

Aschheim: Der Landkreis sei mit der Regierung in Kontakt und dränge darauf, dass diese alle Standards in Dornach einhalte.

Der Landkreis sei mit der Regierung in Kontakt und dränge darauf, dass diese alle Standards in Dornach einhalte.

(Foto: Claus Schunk)

In Aschheim unterstützt der relativ junge Asylhelferkreis die Betreuung und Integration der Flüchtlinge - in der bestehenden Unterkunft wie auch in der Noterstaufnahme. Doch die Stimmung - das wurde nicht zuletzt auf der Informationsveranstaltung mit Regierungsvizepräsidentin Maria Els deutlich - ist angespannt. Anna Principato etwa gehört gleichermaßen der neuen Bürgerinitiative zur Begrenzung der Flüchtlingszahlen auf Gemeindegebiet wie dem Asylhelferkreis an. Sie ist regelmäßig in der Unterkunft, um zu helfen. "Wir haben die enorme Menge Flüchtlinge in den letzten Wochen erlebt und wissen: Im Falle einer Erstaufnahmeeinrichtung wird es uns paar Helfern in den wenigen Wochen nicht möglich sein, die Menschen ausreichend mit unserer Kultur vertraut zu machen", sagte sie im Gespräch mit der SZ. "Wir haben kein Gefühl mehr, mit welchen Menschen wir es gerade zu tun haben. Das schafft ein ungutes Gefühl." Natürlich bekämen alle den Willkommenszettel, auf dem in vielen Sprachen die Grundzüge der offenen und demokratischen Kultur in Deutschland gelistet seien. "Aber wer weiß, ob sie das lesen", sagte Principato.

Die Regierung und der Kreis verweisen in diesem Zusammenhang darauf, dass die neue Erstaufnahmeeinrichtung lediglich dazu dient, die Menschen zu registrieren und auf Landkreise in ganz Deutschland zu verteilen. "Es geht hier nicht um Integration, das ist bei den kurzen Aufenthalten auch nicht möglich", sagte Landrat Göbel. "Sondern nur um ein kurzfristiges Dach über dem Kopf und eine organisierte Weiterverlegung."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: