Aschheim:Kunst statt Kies

Als das "Kulturelle Gebäude" in Aschheim vor 25 Jahren eröffnet wurde, galt Kulturförderung noch nicht bei allen Kommunen als Priorität. Heute freuen sich die Besucher über kurze Wege, niedrige Preise und eine besondere Atmosphäre

Von Irmengard Gnau, Aschheim

Die Sache mit den Fenstern freut Helmut Englmann heute noch. Wenn der CSU-Altbürgermeister von Aschheim heute am Kulturellen Gebäude an der Münchner Straße vorbeigeht, muss er deswegen vielleicht manches Mal heimlich grinsen. Um das Jahr 1990, zu Englmanns Amtszeit, hatte die Gemeinde endlich ein passendes Gebäude gefunden, wo sich künftig das kulturelle Leben des Ortes konzentrieren sollte. Das Kieswerk Schöndorfer hatte sich einverstanden erklärt, seinen Sitz aus dem Ortskern hinaus zu verlagern und das Haus an der Münchner Straße an die Gemeinde zu verkaufen. Die Bausubstanz des um 1900 errichteten Gebäudes war nicht mehr stabil, sodass ein Abriss und Neubau nötig waren; optisch aber, so einigte man sich, sollte die Vorderfront wieder originalgetreu aufgebaut werden.

Jedoch, auf den Plänen wurde deutlich: Streng nach historischem Vorbild würde das Gebäude zu klein werden für all das, was es fassen sollte. Also, erinnert sich Englmann heute, habe er sozusagen heimlich das Haus im Plan um eine zusätzliche Fensterreihe erweitern lassen. Die List blieb unbemerkt. Es habe schlicht niemand die Fenster nachgezählt, sagt der Altbürgermeister. Ohne diesen Trick könnte das Kulturelle Gebäude heute wohl gar nicht all seine Aufgaben fassen. Unter dem Dach des weiß getünchten Hauses sind neben dem großen Veranstaltungssaal die Gemeindebücherei, das Aschheim-Museum, die Volkshochschule und nicht zuletzt die Zimmer der politischen Fraktionen untergebracht. Außerdem haben die Schäffler, die in Aschheim auf eine lange Tradition zurückblicken können, ihren Sitz in dem Gebäude.

Die Aschheimer waren mit ihrem Engagement nicht allein. Ende der Achtziger-, Anfang der Neunzigerjahre rückte mit der Kultur ein Feld ins kommunalpolitische Bewusstsein, das in vielen Gemeinden bis dato nicht zu den drängendsten Aufgaben gezählt hatte. Als die damalige 13 000-Einwohner-Kommune Garching bei der Eröffnung ihres Bürgerhauses 1979 einen hauptamtlichen Kulturreferenten präsentiert hatte, mussten sich die Verantwortlichen durchaus noch skeptische Blicke und Kommentare gefallen lassen. In den meisten Landkreiskommunen pflegten die Vereine Brauchtum und Traditionen, Bauerntheater und Blaskapelle unterhielten die Bürger. Mit der Zeit aber entschlossen sich mehr und mehr Gemeinden, selbst als Gestalter aufzutreten. Im Landkreis entstanden Kulturzentren, wurden erste Kulturprogramme aufgelegt und die kulturelle Arbeit im Ort institutionalisiert.

Aschheim: Irena Nemecek (links) und Eleni Dimopoulou verantworten das Aschheimer Kulturprogramm.

Irena Nemecek (links) und Eleni Dimopoulou verantworten das Aschheimer Kulturprogramm.

(Foto: Claus Schunk)

Das Kulturelle Gebäude in Aschheim feierte 1992, heuer vor 25 Jahren, seine feierliche Eröffnung mit einem eigenen Kulturprogramm. "Uns war damals wichtig, Kultur, Literatur und Geschichte in einem Haus zusammenzufassen", erinnert sich Englmann. Zum Eröffnungskonzert spielte das Wiener Streichquintett Werke von Mozart und Brahms. An diese neue Note musste sich mancher im Ort erst gewöhnen. Für die Verwaltungsmitarbeiter etwa sei es eine gänzlich neue Erfahrung gewesen, plötzlich über die Anschaffung eines Flügels zu entscheiden, erzählt Christian Schürer, der heutige Geschäftsleiter der Gemeinde - sollte es ein gebrauchter Bösendorfer für etwa 40 000 D-Mark sein oder doch ein neues Instrument? (Die Wahl fiel auf ersteren, der sich bis heute bewährt.) Und auch das Publikum nahm das Gebäude rasch an und freute sich über die Möglichkeit, nun Konzerte, Theater, Kabarett und Ausstellungen direkt vor der Haustür sehen zu können.

Unter der ersten Kulturreferentin Ilse Fink nahm das Haus ein vielseitiges Programm auf, das nun seit 17 Jahren Irena Nemecek verantwortet, seit vier Jahren unterstützt von Eleni Dimopoulou. Die Herausforderung sei, sagt Nemecek, aus der Flut der Angebote das Richtige auszuwählen. "Ich versuche, immer eine gute Mischung zu finden", sagt Nemecek. Dass die gebürtige Tschechin aus einem musikalischen Elternhaus stammt und selbst eine große Liebe zur klassischen Musik pflegt, lässt sich dabei kaum verhehlen. Dank ihrer guten Kontakte hat Nemecek über die Jahre immer wieder hochkarätige Musiker nach Aschheim geholt. Zum Jubiläumskonzert an diesem Sonntag etwa tritt der international renommierte Pianist Josef Bulva im Kulturellen Gebäude auf.

Gleichwohl bleibt es für die Kulturreferentin eine Frage des Fingerspitzengefühls, mit ihrer Auswahl den Geschmack der Besucher am Ort zu treffen. "Zurzeit ist vor allem Kabarett gefragt", erklärt Eleni Dimopoulou. Künstler, deren Namen man aus dem Fernsehen kennt wie die Oberbayerin Monika Gruber verkaufen sich so gut, dass Veranstaltungen schon einmal vom Kulturellen Gebäude in den größeren Feststadl umziehen. Neben Humorvollem ist in Aschheim aber auch anspruchsvolles Theater zu sehen, heuer etwa "Des Teufels General" von Carl Zuckmayer.

Aschheim: Die meisten Veranstaltungen finden im Kulturellen Gebäude statt, einst Zentrale des Kieswerks Schöndorfer.

Die meisten Veranstaltungen finden im Kulturellen Gebäude statt, einst Zentrale des Kieswerks Schöndorfer.

(Foto: Repro: Claus Schunk)

Ein besonderes Augenmerk legt Nemecek seit jeher auf das Kinderprogramm. Eines ihrer ersten Projekte in Aschheim war die Malakademie, in der Kinder in den Schulferien unter der Leitung professioneller Künstler kreativ werden konnten. Auch auf der Bühne gibt es jede Spielzeit mehrere hochwertige Stücke speziell für jüngeres Publikum. Dass Kinder früh an Kultur herangeführt werden, ist auch Aschheims Bürgermeister Thomas Glashauser (CSU) ein Anliegen. "Wenn man die Möglichkeit hat, den Bürgern so etwas zu bieten, sollte man es tun", sagt er über das Kulturprogramm. Auch wenn es rein finanziell ein Defizitgeschäft ist: 2016 übernahm die Gemeindekasse 76 000 Euro, Personal- und Gebäudekosten nicht eingerechnet.

Dem unbenommen hat sich das Kulturelle Gebäude als Spielort etabliert - auch und gerade im Umkreis Münchens mit seiner Vielzahl an Bühnen. Denn man hat durchaus Vorteile aufzuweisen: "Wir haben niedrigere Preise", sagt Dimopoulou. "Und eine besondere Atmosphäre", ergänzt Nemecek. Die Intimität und Akustik im Saal schätzten Publikum wie Künstler.

Restkarten für das Jubiläumskonzert am Sonntag, 16. Juli, 18 Uhr, im Kulturellen Gebäude sind unter Telefon: 0172/85 20 930 erhältlich.

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