SZ-Serie Landmarken: Aschheim:Generationenwerk mit Industriecharme

SZ-Serie Landmarken: Aschheim: Seit Jahrzehnten prägt der Ziegelbau den Ort. Jetzt findet die eine neue Bestimmung.

Seit Jahrzehnten prägt der Ziegelbau den Ort. Jetzt findet die eine neue Bestimmung.

(Foto: Claus Schunk)

Mit dem Fall des Branntweinmonopols schienen die Tage der 120 Jahre alten Genossenschaftsbrennerei in Aschheim gezählt. Zur Freude der Eigentümer und vieler Bürger wird der Ziegelbau nun renoviert und bekommt einen neuen, prominenten Mieter.

Von Irmengard Gnau, Aschheim

Derzeit muss Georg Haller noch über Planen und Gerüstteile steigen, wenn er die alte Brennerei betreten will. Der imposante Ziegelbau an der Ecke Feldkirchner/Erdinger Straße, der seit mehr als 120 Jahren dort unweit des Aschheimer Rathauses steht, wird gerade noch eifrig renoviert.

1892 wurde das Gebäude errichtet; elf Landwirte hatten sich damals zusammengetan und eine Genossenschaft gegründet, um gemeinsam ihre Ackerfrüchte, vor allem Kartoffeln, zu Schnaps und danach zu Geld zu machen. Die Genossenschaft besteht bis heute, Haller steht ihr gemeinsam mit Magnus Holly vor.

Auch die alte Brennerei hat die Jahrzehnte überdauert, sie prägt mit ihrem Schornstein, der typischen Fassade und dem Giebeldach das Aschheimer Ortsbild mit. Zwischenzeitlich wurde sie erweitert und verändert, vermutlich in den Sechzigerjahren, als man sich vom Heizen mit Kohle abwandte, wurde der Turmaufbau zurückgebaut, der auf alten Fotografien noch zu sehen ist. Ihren Grundcharakter, die Aura von Industriegeschichte und Ortszusammenhalt, hat sie nicht verloren.

SZ-Serie Landmarken: Aschheim: Die Brennerei wurde auf dem Gelände des Harrerhofs erbaut.

Die Brennerei wurde auf dem Gelände des Harrerhofs erbaut.

(Foto: Claus Schunk)

Mit Auslaufen des Monopols kam das Aus

Bis vor fünf Jahren haben die Genossen hier noch gebrannt, bis zu 3000 Hektoliter pro Jahr. Dann endete das deutsche Branntweinmonopol und die Brennerei stand wie viele andere kleinere landwirtschaftliche Kollegen vor dem Aus - wirtschaftlich rentierte sich die Arbeit ohne das Monopol nicht mehr. "2011 wurde hier die letzte Fuhre Alkohol produziert", erklärt Holly.

Aus Kartoffeln, später auch aus Weizen, wurde Rohalkohol gewonnen, bis zu 97 Prozent stark, meist für die Industrie, Pharmakonzerne oder als Agraralkohol. Maximal 30 000 Zentner Erdäpfel konnten die Aschheimer in den Katakomben unter der Brennerei lagern. Dort wurden sie gewaschen und dann mit einer Metallschnecke ins Obergeschoss befördert. Dort befand sich die Hammermühle, erinnert sich Holly. Die Kartoffeln wurden zerstampft, der Brei anschließend im Maischbottich mit Wasser gedämpft, später mit Hefe versetzt, bis die Gärung einsetzte und sich schließlich der ersehnte Alkohol absetzte. Den fing man ab, um ihn zu verkaufen. Die Rückstände, die sogenannte Schlempe, verfütterten die Landwirte an die Kühe oder brachten sie als Dünger auf die Felder aus. Haller und Holly lächeln, wenn sie an die alten Zeiten denken.

Seit 2011 stehen die Maschinen in Aschheim still. Jahrzehntelang hatte die Bundesregierung Brennereien, die häufig in Regionen mit wenig fruchtbarem Boden so wie östlich von München entstanden waren, dadurch unterstützt, dass sie ihnen den Rohalkohol zu einem festen Preis abkaufte, oft weit über dem Marktwert. Der Verlust beim Weiterverkauf wurde aus dem Bundeshaushalt ausgeglichen. Eine Form von unerlaubter Subvention, befanden Politiker auf EU-Ebene und beschlossen vor einigen Jahren, das Monopol nicht weiter zu verlängern. 2013 liefen die Förderungen aus, 2017 ist nach einer Übergangszeit dann endgültig Schluss.

SZ-Serie Landmarken: Aschheim: 1892 taten sich elf Aschheimer Bauern zu einer Genossenschaft zusammen.

1892 taten sich elf Aschheimer Bauern zu einer Genossenschaft zusammen.

(Foto: Claus Schunk)

Der Wunschmieter wurde gefunden

Was aber sollte nun mit dem prächtigen Industriegebäude in Aschheim geschehen? Den Ziegelbau einfach abreißen, das wollten die Genossen nicht. Die meisten der heute sieben Teilhaber haben ihren Anteil bereits von ihren Vätern und Großvätern, allesamt alteingesessene Aschheimer Bauernfamilien, geerbt. "Da hängt auch viel Herzblut dran", sagt Holly. "Ich habe schon als Kind mitgeholfen beim Kartoffeln waschen unten in den Katakomben." Die Mitgliedschaft in der Genossenschaft wird traditionell mit dem Hof weitergegeben. Zudem gilt bis heute die strenge Regel: Jeder Gesellschafter muss auch selbst "Brennmaterial" anliefern können, er muss also Landwirt sein.

"Die erste Idee nach dem Aus war, eine Gastronomie hier unterzubringen", sagt Haller. Doch der richtige Wirt ließ sich nicht finden. Zwar habe es viele Interessenten gegeben, sagt Haller, doch keinen, mit dem sich die Genossenschaft einigen konnte. Am Ende war auch ein bisschen Glück dabei: Ein Makler kam auf die Aschheimer zu, die Gin-Destillerie "The Duke" aus München suche Räume, um ihre Produktion zu erweitern. Die Optik und Ausstrahlung des historischen Gebäudes überzeugte die beiden jungen Firmengründer nachhaltig, rasch wurde man sich handelseinig. "Duke ist quasi ein Wunschmieter für uns", sagt Haller. "Jetzt wird das Gebäude wieder wie früher genutzt: als Brennerei."

SZ-Serie Landmarken: Aschheim: Georg Haller (oben links) und Magnus Holly sind direkte Nachfahren zweier Genossenschaftsgründer.

Georg Haller (oben links) und Magnus Holly sind direkte Nachfahren zweier Genossenschaftsgründer.

(Foto: Claus Schunk)

Verändern wird sich trotzdem einiges, zumindest im Innern des Bauwerks: Auf dem unteren Teil der rohen Ziegelwand glänzen jetzt blaue Fliesen in den verschiedenen Schattierungen des "Duke"-Logos. Die Maschinen werden größer, noch stehen sie in Plastikhüllen verpackt im Destilliersaal.

Im Dachgeschoss entstehen Büros

Anders als zu Genossenschaftszeiten wird hier aber kein hochprozentiger Rohalkohol mehr gebrannt, vielmehr veredeln die Gin-Hersteller den Grundstoff mit Wacholder und anderen Zutaten nach einem wohlgehüteten Rezept. "Duke fängt sozusagen da an, wo wir früher aufgehört haben", sagt Haller und schmunzelt.

Im Dachgeschoss haben die Genossenschafter die Holzbalken freigelegt. Hier entstehen Büros mit einer ganz besonderen Arbeitsatmosphäre. Auch einen Ladenbereich wird es geben, unten im Erdgeschoss, zudem wollen die Gin-Brenner Führungen für Interessierte anbieten. Die alte Brennerei kann sich also wieder auf viel Leben einstellen. Im Herbst soll der Umbau abgeschlossen sein, hofft Holly.

SZ-Serie Landmarken: Aschheim: Die elektrische Anlage der Alten Brennerei.

Die elektrische Anlage der Alten Brennerei.

(Foto: Claus Schunk)
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