Amt auf Zeit:Rathauschef im Nebenerwerb

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Wenn sich die Ersten Bürgermeister in den Sommerferien etwas Urlaub gönnen, müssen die Stellvertreter ran. Sie tun das mit großem Eifer - auch wenn es wegen des regulären Jobs zu einer Doppelbelastung wird

Von Martin Mühlfenzl, Landkreis

Manch einer könnte meinen, nach ein paar Tagen im Dienst sollte sich die Erschöpfung doch in Grenzen halten. Wenn aber Alfons Hofstetter sagt, langsam werde er "ein wenig amtsmüde", würde in Unterhaching niemand auf die Idee kommen, dem Zweiten Bürgermeister einen Vorwurf zu machen. Der CSU-Gemeinderat ist derzeit wieder im Dienst und führt stellvertretend für Bürgermeister Wolfgang Panzer (SPD) die Geschäfte - wie schon in den vergangenen 24 Jahren auch für Panzers Vorgänger. "Es ist zwar nicht zu stressig", sagt der 79-jährige Hofstetter. "Aber ich merke langsam schon, dass ich nicht jünger werde."

In den Sommerferien scheint mancherorts, die Zeit still zu stehen. Spielplätze verwaist, manche Park-and-Ride-Parkplätze an den S-Bahnstationen sind wie leergefegt, Schlange stehen an der Supermarktkasse ist derzeit eher eine Seltenheit. Doch der Betrieb in den Rathäusern der 29 Städte und Gemeinden muss am Laufen gehalten werden. "Das erwartet der Bürger auch", sagt Hofstetter. Und da den eigentlichen Chefs in den Rathäusern Urlaub zusteht, übernehmen in vielen Kommunen während der Ferien die Stellvertreter die Amtsgeschäfte - mit allen Rechten und Pflichten.

Landwirt Johann Zehetmair fängt um 7 Uhr im Rathaus an

Thomas Loderer ist da eher die Ausnahme. Urlaub kennt Ottobrunns Bürgermeister von der CSU zumindest während der Sommerferien nicht. "Der macht keinen Urlaub", sagt die Herrin über sein Vorzimmer Brigitte Söker und lacht. "Aber wir merken schon, dass es momentan ruhiger ist. Da kann der Chef auch mal etwas später kommen."

Das kann sich Unterföhrings Dritter Bürgermeister Johann Zehetmair (PWU) nicht erlauben - weder in diesen Tagen in seinem Zweitjob, noch in seinem eigentlichen Beruf. Zehetmair ist im richtigen Leben Landwirt. Von seinem Hof aus hat er das Rathaus auf der anderen Straßenseite direkt im Blick - und umgekehrt freilich auch, wenn er aus dem Fenster im Büro seines Teilzeit-Jobs blickt. "Wenn ich die Stellvertretung übernehme wie momentan, dann beginnt mein Tag im Rathaus um 7 Uhr am Morgen", sagt der Parteifreie. "Das muss so sein, denn mittags steige ich wieder in meinen normalen Job als Landwirt ein." Bis dahin nimmt ihm zu Hause sein Sohn die Arbeit ab.

Hände schütteln, Präsentkörbe überreichen, zuhören, Sitzungen leiten, Verträge lesen und abnicken, Mitarbeitergespräche führen - die Arbeit der Stellvertreter unterscheidet sich nicht von der gewählter Rathauschefs. "Man glaubt generell, dass im August weniger los ist", sagt Kirchheims Zweiter Bürgermeister Gerd Kleiber (FDP), der für Maximilian Böltl (CSU) derzeit die Geschäfte führt. "Aber es ist dann doch erstaunlich, wie viel auch in den Ferien los ist", sagt der Liberale zwischen zwei Terminen mit dem gemeindlichen Bauamt.

"Es kommen schon immer ein paar Stunden im Rathaus zusammen", sagt Kleiber, der selbständiger Partner in einer Firma ist und es als "Glück" bezeichnet, dass seine Kollegen ihm in dieser Zeit "viel abnehmen". Eine lästige Pflicht aber sei der Vertretungsjob nicht, sagt Kleiber: "Vielmehr ist es doch schön, wenn man etwas gestalten kann. Das gilt aber nicht nur für die Zeit im Rathaus, sondern ganz allgemein als Gemeinderat." Dies sei aber nur möglich, wenn es auf der persönlichen Ebene stimme: "Das ist zwischen dem Bürgermeister und uns Stellvertretern so - und auch meistens im Gemeinderat."

Cornelia Zechmeister bietet eine Bürgersprechstunde an

Wenn Johann Zehetmair um sieben in der Früh im Unterföhringer Rathaus aufschlägt, hält er erst einmal eine Besprechung mit den wichtigsten Mitarbeitern ab, wie der Landwirt sagt. "Das hat sich so eingebürgert und ist auch wichtig. Der Laden läuft ja auch deswegen, weil die Verwaltung hervorragende Arbeit leistet", sagt Zehetmair. "Das merkt der Bürger. Und ich natürlich auch, wenn ich den Job übernehme." Und wenn sich ein Bürger direkt bei ihm melde und von einem Problem berichte, sagt er, dann gehe er halt schnell raus und schaue sich die Situation persönlich an: "Ja, man lernt auch seine Gemeinde noch einmal besser kennen."

Der persönliche Kontakt mit den Bürgern sei wichtig, sagt auch Pullachs Zweite Bürgermeisterin Cornelia Zechmeister (WIP), die Susanna Tausendfreund von den Grünen deren Urlaub gönnt. Sie sagt das - ein wenig abgehetzt - zwischen einer Beerdigung und einem Geburtstag, an denen sie als amtierende Rathauschefin teilnehmen musste. Einmal in der Woche hält Zechmeister sogar eine Bürgersprechstunde ab - allerdings immer am Mittwoch statt wie gewohnt am Donnerstag. "Das geht nicht anders. Ich muss ja auch noch meinem Beruf nachgehen", sagt Zechmeister, die im Ickinger Rathaus angestellt ist.

Am Sonntag war Alfons Hofstetter wieder in offizieller Mission unterwegs - beim Erntefest des Trachtenvereins D'Hachingertaler. Auch das gehört zum Vertretungs-Job, ebenso wie die permanente Erreichbarkeit. "Auch als Stellvertreter ist man in ständiger Bereitschaft, mit dem Handy geht das auch. Das war früher anders", sagt Hofstetter. "Aber mir macht das nichts aus. Als ehemaliger Klinikchef kenne ich diese Situationen sehr gut." Diese Erfahrung hilft dem 79-Jährigen aber auch, immer Ruhe zu bewahren.

© SZ vom 21.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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