Altenpflege:Langer Weg zum Kurzzeitpflegeplatz

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Bei einer Konferenz zur Altenpflege im nördlichen Landkreis schildern Vertreter von Sozialverbänden, wie der notorische Mangel an Betten und bürokratische Hürden betroffenen Angehörigen das Leben schwer machen.

Von Sabine Wejsada, Ismaning

Die Frau pflegt seit Jahren ihren schwer kranken Mann. Jetzt kann sie nicht mehr, braucht eine Auszeit und sucht einen Kurzzeitpflegeplatz in einem Heim am Ort oder in der näheren Umgebung. Aber es ist keiner zu finden, zur Verfügung stehen würde nur eine Einrichtung weit hinter Rosenheim. Für die Frau keine Option; sie verschiebt ihre Erholungspause und macht weiter. So geht es vielen Angehörigen, die sich um einen Pflegebedürftigen in der Familie kümmern, wie SPD-Kreisrätin Johanna Hagn am Mittwoch bei einer Konferenz zur Altenhilfe in Garching, Ismaning, Unterföhring sowie Ober- und Unterschleißheim berichtet. "Es ist sehr, sehr schwierig, einen Kurzzeitpflegeplatz zu finden. Viele Familien geben auf und machen weiter, bis sie selbst einen Pflegeplatz brauchen", sagte Hagn, die Sprecherin des Versorgungsbereichs 1 im Landkreis München ist.

Vertreter von Heimen, Seniorenbeiräten, Caritas, Nachbarschaftshilfen, Hospizkreisen, Pflegediensten, Sozialverbänden, Sozialpsychiatrischem Dienst aus dem nördlichen Landkreis und der Fachstelle für pflegende Angehörige sowie der Altenhilfe-Fachbetreuung im Landratsamt treffen sich seit Langem zweimal im Jahr. Sie tauschen Erfahrungen aus und formulieren Forderungen, um die Pflege umfassend zu optimieren - für die Betroffenen in Altenheimen oder Familien, für die Beschäftigten in den Sozialberufen, die ambulant und stationär arbeiten. Und eines wird bei den Zusammenkünften regelmäßig deutlich: Alle, die in der Pflege tätig sind, sei es daheim oder in einer Einrichtung, sind am Limit, wenn nicht sogar drüber.

Gemeinden sind eigentlich gar nicht zuständig

Tobias Gruber, Leiter des Bürgerstift-Seniorenheims in Ismaning, weiß von der Misere bei der Kurzzeitpflege ein Lied zu singen. So könnten 90 Prozent der zur Verfügung stehenden Plätze, die es in kleiner Zahl in den Pflegheimen gebe, maximal vier bis fünf Wochen gebucht werden; vor allem im Sommer, zur Urlaubs- und Weihnachtszeit seien die Anfragen weitaus größer als der Bestand, sagte Gruber. Angehörige könnten also kaum im Voraus planen, weil Reservierungen nicht möglich seien. Der Grund? Die Einrichtungen könnten aus finanziellen Gründen nicht Personal und Betten vorhalten, so Gruber. Eine Lösung gebe es: Die Pflegekassen müssten Anreize schaffen, damit Heime reine Kurzzeitpflege-Bereiche einrichten. Im Bürgerstift stehen zwei Betten bereit, weil die Gemeinden Ismaning und Unterföhring die Kosten tragen, also auch die Leerlauf-Phasen finanzieren.

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Ute Sonnleitner von der Fachstelle für pflegende Angehörige im Landkreis ist die Verbesserung der Situation im Kurzzeitpflege-Bereich "ein drängendes Problem". Dieses werde zwar wahrgenommen, lösen aber könne es nur der Staat. "Und nicht die Kommunen", wie die Ismaninger SPD-Gemeinderätin Johanna Hagn assistierte, auch wenn ihre Gemeinde das für ihre Bürger gerne übernehme. Verschärft wird der Mangel durch die Anrufe von Krankenhäusern, wenn ein Patient entlassen werden soll, der aufgrund seiner Erkrankung nicht gleich nach Hause kann und kurzfristig gepflegt werden muss.

Die Antragsteller brauchen Unterstützung

Ein weiteres Problem, mit dem Haupt- wie Ehrenamtliche in der Altenpflege zu kämpfen haben, sind die Neuerungen in der Pflegeversicherung. Seit Januar haben sogenannte Pflegegrade die früheren Pflegestufen abgelöst, was offenbar einen enormen Aufwand mit sich bringt, wie Andrea Mahner, Leiterin des Sachgebiets Senioren und Soziales im Unterföhringer Rathaus, sagte. Ohne Beratung und Unterstützung durch das gute Netzwerk an Diensten und Beratungsstellen im Landkreis seien Betroffene etwa bei Antragstellungen für Hilfen verloren. Vor allem, wenn sie alleinstehend sind. In einem waren sich die Teilnehmer des kleinen Pflege-Gipfels in Ismaning einig: Bei der Betreuung von Pflegebedürftigen baue man in erster Linie auf die Angehörigen, sie müssten entlastet werden, allein schon deshalb, um den auch im Landkreis geltenden Grundsatz "ambulant statt stationär" befolgen zu können.

Die Altenhilfe-Regionalkonferenz der Nordkommunen hat für 13. Oktober einen großen Aktionstag in Ismaning organisiert. Unter dem Titel "Goldener Herbst" können sich Interessierte von 10 bis 17 Uhr im Ismaninger Bürgerhaus über Angebote informieren; weiterführende Veranstaltungen gibt es in Unterschleißheim (14. Oktober), Unterföhring (17. Oktober), Garching (19. Oktober) und in Ismaning (21. Oktober), wenn das neu eröffnete Bürgerstift besichtigt werden kann.

© SZ vom 29.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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