Akteneinsicht im Rathaus:Recht auf Information

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In Kirchheim regelt künftig eine Satzung, wann Bürger Akteneinsicht nehmen dürfen. Das ist allerdings eher Symbolpolitik. Laut Bürgermeister Böltl erhält schon bisher jeder Auskunft vom Rathaus

Von Christina Hertel, Kirchheim

Mehr Bürgernähe, mehr Transparenz - das sind Stichworte, mit denen viele Kommunalpolitiker bei ihren Wählern punkten wollen. Deshalb haben in den vergangenen Jahren etwa 80 Städte und Gemeinden in Bayern sogenannte Informationsfreiheitssatzungen erlassen. Diese regeln, wann Bürger auch ohne Begründung Auskünfte von Rathausmitarbeitern erhalten. In der Gemeinderatssitzung am Montag hat auch Kirchheim eine solche Satzung beschlossen. Doch für die Menschen, die in der Gemeinde leben, wird sich wohl nicht viel ändern.

Alle bayerischen Großstädte mit mehr als 100 000 Einwohner haben inzwischen eine Informationsfreiheitssatzung - außer Erlangen. Im Landkreis führten Pullach, Neubiberg, Grasbrunn, Ottobrunn und Haar bereits vor einiger Zeit Satzungen ein. Jetzt hat sich auch Kirchheim dafür entschieden. Für die Gemeinde ist das eher Symbolpolitik, wie Bürgermeister Maximilian Böltl (CSU) in der Sitzung deutlich machte: "Wenn jemand Infos von der Verwaltung wünscht, bekommt er diese auch heute schon." Doch künftig ist dieses Recht auch schriftlich festgehalten: Wer einen Antrag stellt, bekommt Akteneinsicht und Informationen - außer das Wohl der Allgemeinheit oder berechtigte Ansprüche Einzelner stehen dem entgegen. Personenbezogenen Daten dürfen ebenfalls nicht weitergegeben werden. Warum der Antragssteller die Auskünfte braucht, muss er nicht begründen. Die Gemeinde soll die Informationen so schnell wie möglich und spätestens nach einem Monat zugänglich machen. Dafür muss das Rathaus während seiner Öffnungszeiten Räumlichkeiten und Personal bereitstellen.

Manche der Kirchheimer Gemeinderäte befürchten, dass dies zu einem erheblichen Arbeitsaufwand der Verwaltung führen könnte. Beate Neubauer von der CSU sprach sich in der Sitzung dafür aus, für die Weitergabe von Informationen Gebühren zu verlangen, weil sonst die Verwaltung lahmgelegt werden könnte. Der Gemeinderat verzichtete aber auf darauf. "Das Angebot soll schließlich niederschwellig sein", so Thomas Etterer (SPD).

Tatsächlich ist wohl kein erheblicher Mehraufwand zu erwarten. In Haar gab es gerade einmal eine Bürgeranfrage, seit die Satzung vor zwei Jahren eingeführt wurde. Auch in Pullach ist der Aufwand durch die Informationsfreiheitssatzung laut Karin Meißner, die das Hauptamt leitet, nicht größer geworden. Ebenso schildert das Marina Prüller, die in Neubiberg für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist: "Wir haben zuvor auch schon Informationen herausgegeben. Durch den Erlass der Satzung wurde das nur noch einmal Schwarz auf Weiß fixiert." Meistens würden die Bürger ohnehin nur Anfragen stellen, wenn sie ein bestimmter Vorgang persönlich betreffe.

In fast allen Bundesländern regelt ein Gesetz das Recht auf Akteneinsicht - und zwar für alle Verwaltungsebenen von der Gemeinde bis zum Ministerium. In Bayern gab es das lange Zeit nicht. Seit 2016 gilt ein geändertes Datenschutzgesetz. Demnach hat nun jeder das Recht auf Auskunft über den Inhalt von Dateien und Akten öffentlicher Stellen - soweit ein berechtigtes Interesse glaubhaft dargelegt wird. Das Bündnis für Informationsfreiheit Bayern kritisiert, dass das Gesetz Behörden einen großen Spielraum gebe, Anfragen abzulehnen. Juristen legen den Begriff "berechtigt" jedoch weit aus - sodass darunter jedes rechtliche, wirtschaftliche oder ideelle Interesse fallen kann. Hat Kirchheim also umsonst eine Satzung verabschiedet?

Johannes Pinzel, der Referent des Bürgermeisters, sieht das nicht so. Ziel sei, dass die Bürger durch die Satzung auf ihr Recht aufmerksam würden. Um zu verdeutlichen, dass Kirchheim das Thema Transparenz ernst nimmt, haben die Gemeinderäte am Montag außerdem beschlossen, einen Leitfaden für die Veröffentlichung nicht öffentlich gefasster Beschlüsse zu entwickeln. Grundlage dafür soll die jüngste Entscheidung des Verwaltungsgerichts sein, wonach die Gemeinde das gegen Grünen-Gemeinderat Rüdiger Zwarg verhängte Ordnungsgeld zurücknehmen muss. Dieser hatte eine Abstimmung in nichtöffentlicher Sitzung publik gemacht. Klar ist seit Montagabend auch: Der Gemeinderat sieht von Rechtsmitteln gegen dieses Urteil ab.

© SZ vom 17.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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