Ärger über Sozialausschuss:"Uns haltlos anzuprangern, ist unseriös"

Dorfhelferin im Oberallgäu, 2017

Kochen, Putzen, Fahrdienste: "Dein Nachbar" bietet unter anderem hauswirtschaftliche Dienstleistungen für hilfs- und pflegebedürftige Personen an.

(Foto: Johannes Simon)

Der innovative Pflegedienst "Dein Nachbar" wirft Politikern aus dem Landkreis vor, seine Arbeit zu verunglimpfen.

Von Stefan Galler

Die Enttäuschung ist groß beim Verein "Dein Nachbar", der seit 2015 auf Münchner Stadtgebiet in der Betreuung von hilfe- und pflegebedürftigen Personen tätig ist und sich zuletzt darum beworben hatte, seine Aktivitäten auch auf den Kreis auszuweiten. Weniger die Entscheidung des Sozialausschusses des Landkreises, die beantragte Anschubfinanzierung nicht zu gewähren, ist es, die beim Vorstandsvorsitzenden Thomas Oeben für Missstimmung sorgt. Er kritisiert vielmehr, "dass unsere Arbeit öffentlich verunglimpft wird". Das sei "inakzeptabel", wie Oeben sagt: "Uns haltlos öffentlich anzuprangern, ist unseriös."

Verein setzt auf bessere Vernetzung der Ehrenamtlichen

Das Prinzip des Vereins beruht auf einer besseren Vernetzung der ehrenamtlichen Pflegekräfte mithilfe einer Smartphone-App, die dazu beiträgt, dass Kapazitäten und Fähigkeiten der Mitarbeiter exakt einsehbar sind und die Dienstpläne dementsprechend effizienter gestaltet werden können. "Unsere Stärke ist, dass wir die Pflege und das Ehrenamt durch Fachwissen aus der Logistik und der Digitalisierung ergänzen", betont Oeben. Im Ausschuss hatte sich trotz des innovativen Konzepts die Meinung durchgesetzt, wonach "Dein Nachbar" keinen Mehrwert zu bestehenden Nachbarschaftshilfen biete.

Vor allem die von Teilen des Ausschuss vorgebrachten Vorwürfe, die idealistische Komponente der Freiwilligenarbeit werde bei "Dein Nachbar" nicht recht klar, vielmehr erwecke die Organisation den Eindruck, es ginge ihr vor allem um den wirtschaftlichen Ertrag, erzürnt den Vorsitzenden: Wer das behaupte, "der schaut am Inhalt vorbei und handelt unlauter", so Oeben.

Es sei "schizophren" über Kokurrenz zu sprechen

"Dein Nachbar" sei ein gemeinnütziger Verein: "Seit fast drei Jahren baue ich mit persönlichem ehrenamtlichen Einsatz und eigenen finanziellen Mitteln das Unterstützungsnetzwerk auf, in der Hoffnung, dass sich der Verein bald selbst tragen kann", sagt der 48 Jahre alte studierte Betriebswirt, der über 15 Jahre Erfahrung im Rettungsdienst und in der humanitären Hilfe verfügt. "Wenn mit unserem Konzept so viel Geld zu verdienen wäre, wie unterstellt ist, dann hätten wir sicherlich keine Anschubfinanzierung beantragt und auch nicht die Rechtsform eines gemeinnützigen Vereins gewählt."

Auch die Tatsache, dass im Vorfeld der Kreissozialausschusssitzung alle Nachbarschaftshilfen des Landkreises zusammengekommen waren und Stellungnahmen zum Konzept des neuen Vereins abgaben, ohne dass er selbst hierzu geladen wurde, kommt bei Oeben nicht gut an: "Ein gemeinsames Gespräch und den Kontakt zu den ortsansässigen Organisationen hätten wir gerne wahrgenommen und diese idealerweise in ihrer Arbeit unterstützt." Denn die Prognosen seien düster: Die Zahl der Pflegebedürftigen werde in den nächsten Jahren auch im Landkreis gewaltig steigen. "Daher ist es unserer Meinung nach geradezu schizophren, über Konkurrenz zu sprechen und nicht an einem Strang zu ziehen, um gemeinsam an einer Lösung für die aufkommende prekäre Versorgungssituation zu arbeiten", so Oeben. Jene 260 800 Euro, die der Kreis bereits für den Haushalt 2018 eingestellt hatte, um "Dein Nachbar" zu unterstützen, werden nun bestehenden Nachbarschaftshilfen zur Verfügung gestellt.

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