Abrisspläne fürs Zindlerhaus in Unterföhring:Böse Überraschung

Die Künstler Maria Esther De la Vega und Zuheir Darwish haben ihre Ateliers im Unterföhringer Zindlerhaus. Dass die Gemeinde das ehemalige Bahnwärterhäuschen abreißen will, hat ihnen niemand gesagt

Von Sabine Wejsada, Unterföhring

Maria Esther De la Vega ist aus allen Wolken gefallen. Die Nachricht, dass das Zindlerhaus am Unterföhringer Bahnhof den Planungen für die neue Ortsmitte der Kommune weichen soll, habe sie aus heiterem Himmel getroffen, sagt die in Peru geborene Künstlerin. Sie malt seit 2013 im ersten Stock des ehemaligen Bahnwärterhäuschens. An den Wänden in ihrem Atelier hängen unzählige Kunstwerke, in der Mitte des Raumes steht ein Gemälde auf einer Staffelei. "Es ist noch nicht ganz fertig", sagt die zierliche Frau, die seit 1995 im Raum München arbeitet, und schüttelt den Kopf: "Es kann doch nicht sein, dass uns niemand etwas gesagt hat über den Abriss."

Abrisspläne fürs Zindlerhaus in Unterföhring: Zuheir Darwish nutzt das Atelier im Obergeschoss des Zindlerhauses seit 2016.

Zuheir Darwish nutzt das Atelier im Obergeschoss des Zindlerhauses seit 2016.

(Foto: Sabine Wejsada)

Uns - das steht in diesem Fall auch für Zuheir Darwish. Der 41-Jährige arbeitet eine Tür weiter und ist von einem geplanten Abbruch des Zindlerhauses genauso überrascht wie die in Unterföhring lebende De la Vega. Der in den Neunzigern aus Syrien geflohene Darwish nutzt das Atelier im Obergeschoss seit 2016 und findet dort viel Muße für seine Kunst. Zusammen mit seiner Frau Susanne Greiner hat er den Verein "Baum der Hoffnung" gegründet, um mit dem Erlös aus den Bildern Projekte wie Schulen im Irak und an der türkischen Grenze zu Syrien zu unterstützen. Darwishs Bilder sind schon bei Ausstellungen in Unterföhring zu sehen gewesen und finden mittlerweile viele Abnehmer. Ende Mai präsentiert der Künstler seine Bilder in der evangelischen Akademie in Tutzing. In seinem Atelier am Unterföhringer Bahnhof ist nur ein Bruchteil seiner Kunst zu sehen, steht er mittendrin, dann ist dem Familienvater anzumerken, wie wohl er sich im Zindlerhaus fühlt und wie schwer es ihm fallen würde, den Platz in dem Häuschen aufzugeben. "Doch wenn sie den Platz brauchen für eine Kinderkrippe, was soll's", sagt Darwish, der genau wie De la Vega hofft, dass es sich die Gemeinde noch einmal überlegen könnte mit dem Abriss. "Ich bin in das Haus verliebt", sagt der Künstler.

Abrisspläne fürs Zindlerhaus in Unterföhring: Der Keller ist in schlechtem Zustand.

Der Keller ist in schlechtem Zustand.

(Foto: Sabine Wejsada)

Von außen ist das mehr als hundert Jahren alte Bauwerk gegenüber dem modernen Bahnhof tatsächlich hübsch anzusehen, wie es da mit seiner renovierten gelben Fassade und den grünen Fensterläden in einem großzügigen Garten steht, wo De la Vega im Mai 2016 einen Mal-Aktionstag für die in der Gemeinde untergebrachten Flüchtlinge organisiert hat. Das Haus steht für das alte Unterföhring, vom dem an der Grenze zum Gewerbegebiet östlich der S-Bahn nichts mehr übrig ist. Und auch die Räumlichkeiten im Erdgeschoss und im ersten Stock sind einladend, seitdem die Gemeinde das Gebäude in der Amtszeit von Altbürgermeister Franz Schwarz (SPD) für mehr 100 000 Euro hat herrichten lassen. Seit 2010 beherbergt das Zindlerhaus in den renovierten Räumen die Palliativberatung der Caritas sowie die zwei Künstlerateliers.

Abrisspläne fürs Zindlerhaus in Unterföhring: Für die Palliativberatung der Caritas sind die Räume im Zindlerhaus optimal.

Für die Palliativberatung der Caritas sind die Räume im Zindlerhaus optimal.

(Foto: Stephan Rumpf)

In den Keller oder aber auf den Speicher sollte man sich besser nicht wagen. Dort sieht es ziemlich trostlos aus: kein Licht, dichte Spinnweben, Moder und Schimmel an den Wänden. Bürgermeister Andreas Kemmelmeyer (Parteifreie Wählerschaft, PWU) will dazu nichts sagen. "Da müssen Sie den Herrn Schwarz fragen", sagt der aktuelle Rathauschef, der bereits 2008 als Gemeinderat zusammen mit seinen PWU-Kollegen und dem Grünen-Gemeinderat Johannes Mecke für einen Abbruch des Hauses gestimmt hat, sich aber damals der Mehrheitsentscheidung für eine Renovierung beugen musste.

Abrisspläne fürs Zindlerhaus in Unterföhring: Maria Esther De la Vega fühlt sich in ihrem Atelier im ersten Stock sehr wohl.

Maria Esther De la Vega fühlt sich in ihrem Atelier im ersten Stock sehr wohl.

(Foto: Robert Haas)

Nach den Worten von Altbürgermeister Franz Schwarz war das Herrichten der Räume im Erdgeschoss und im ersten Stock "der kleinste gemeinsame Nenner". Und auch der damalige Zweite Bürgermeister Thomas Weingärtner (SPD) erinnert sich, dass man das Haus habe nutzerorientiert renovieren wollen. "An eine Luxussanierung war nicht zu denken."

Unterdessen haben die Diskussionen über die Zukunft des Zindlerhauses Experten des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege auf den Plan gerufen. Generalkonservator Mathias Pfeil hat angekündigt, dass sich seine Behörde das ehemalige Bahnwärterhäuschen noch einmal ansehen werde. Vielleicht dürfen De la Vega und Darwish ja weiter hoffen, dass sie bleiben können, im Zindlerhaus.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: