107. Geburtstag in Putzbrunn:"Zum Glück habe ich ja meinen Verstand behalten"

107. Geburtstag in Putzbrunn: Margarete Mönich feierte am Ostermontag in Putzbrunn 107. Geburtstag.

Margarete Mönich feierte am Ostermontag in Putzbrunn 107. Geburtstag.

(Foto: Claus Schunk)

Margaretha Mönich aus Putzbrunn feiert ihren 107.Geburtstag. Sie liest immer noch täglich Zeitung - manche Nachrichten bringen sie richtig in Rage.

Interview von Lea Frehse, Putzbrunn

Margaretha Mönich hat am Ostermontag in Putzbrunn ihren 107. Geburtstag gefeiert. Mönich ist die älteste Frau im Landkreis - vielleicht aber auch die mit dem jugendlichsten Lächeln. Das ist strahlend und etwas verschmitzt. Und vor allem: ansteckend. Margaretha Mönich wurde 1910 in Zwittau in Mähren geboren und kam als Vertriebene 1946 zunächst in den Schwarzwald und 1973 nach Putzbrunn.

Bis heute lebt sie hier in den eigenen vier Wänden in der Zugspitzstraße zusammen mit ihrer Tochter (Jahrgang 1944), und Enkeltochter (Jahrgang 1973). Der zweite Enkelsohn mit zwei Urenkeln kommt zu Besuch, so oft es geht. Herumtoben kann Margaretha Mönich mit ihnen nicht mehr, denn sich zu bewegen fällt ihr schwer. "Aber den Verstand habe ich zum Glück behalten!", sagt sie. Ihr Rezept für ein langes Leben: kein Alkohol, keine Zigaretten, dafür jeden Tag etwas Süßes. Aber: "Nicht irgendwas Süßes, sondern was gutes Süßes!", sagt Mönich.

SZ: Frau Mönich, ist einem zum 107. Geburtstag noch zum Lachen zumute?

Margarethe Mönich: Ich lache jeden Tag! Vor allem abends, wenn die jungen Pfleger kommen, um mich ins Bett zu heben. Eine von denen kommt aus Ungarn, Monarchin sag ich der immer. Ich bin doch auch aus der Monarchie!

Sie wurden 1910 geboren. Damals regierte noch Kaiser Franz-Joseph.

Mein Vater war beim Kaiser angestellt, als Dekorateur. Die Plüschvorhänge, die er gemacht hat, kann man heute noch in den Schlössern sehen!

107. Geburtstag in Putzbrunn: Margarete Mönich als Kind.

Margarete Mönich als Kind.

(Foto: Claus Schunk)

Was ist Ihre früheste Erinnerung?

Das ist eine traurige: Meine Mutter und mein Vater starben, als ich vier war. Wir drei Kinder kamen ins Heim. Da haben sie uns gedrillt wie Soldaten. Ich hatte eine Kindheit ohne Liebe. Ach da fange ich wieder an zu weinen - das passiert mir heute ständig! Dabei mag ich gar nicht weinen. Es war dann immer mein großer Traum, irgendwann viel Geld zu haben um damit ein Waisenhaus zu eröffnen. Aber das ist mir leider nicht vergönnt gewesen.

Um Kinder gekümmert haben Sie sich trotzdem Ihr Leben lang.

Zuerst habe ich mich als Kinderfräulein verdingt. Damals nannte man die immer "Fräulein", nie beim Namen. Das war bei einer Judenfamilie, die hatten einen Jungen und ein Mädchen. Und da muss ich schon wieder weinen! Als der Hitler kam, war ich schon lange nicht mehr in der Familie, aber ich habe nie erfahren, was aus ihnen geworden ist.

Zwittau war auch die Heimatstadt von Oskar Schindler, der erst glühender Nazi war, später aber Juden vor der Ermordung bewahrte. Erinnern Sie sich an ihn?

Mein Bruder war mit dem Schindler in einer Klasse. Der hat immer dummes Zeug gemacht, ein richtiger Gauner war das. Dass der einmal so etwas Gutes tun würde, hätte ich ihm nicht zugetraut. Heute hat der ein großes Denkmal in Zwittau.

1946 mussten Sie ihre Heimat verlassen und kamen nach Pforzheim in ein Lager für Vertriebene.

In Pforzheim stand kein Stein mehr auf dem anderen. Als ich dort ankam, war meine Tochter zwei Jahre alt und ihr Vater im Krieg geblieben. Ich war ganz allein und hatte nichts. Glücklicherweise habe ich immer gute Menschen getroffen, die uns geholfen haben. Aber wir wurden auch scheußlich beschimpft: "Flüchtlingspack" nannten sie uns, dabei waren wir nicht geflohen, sondern vertrieben worden! Daran erinnere ich mich oft, seit die Flüchtlinge ankommen.

Sie verfolgen, was so geschieht in der Welt?

Ich lese jeden Morgen als erstes die Zeitung. Immer die Süddeutsche, zuerst die Seite eins. Zum Glück habe ich ja meinen Verstand behalten!

Regt man sich mit über hundert noch über Nachrichten auf?

Aber ja! Über den Trump zum Beispiel, den Gauner. Und die bei Volkswagen, die Gauner. Aber ich rege mich auch auf, wenn im Haus einer schlampert und alles herumliegen lässt. Und warum tragen die jungen Leute zerrissene Jeans? Das ist doch nicht schön!

107. Geburtstag in Putzbrunn: Margarete Mönich als junge Frau.

Margarete Mönich als junge Frau.

(Foto: Repro: Claus Schunk)

Abgesehen von guten Hosen, was würden Sie jungen Menschen für ihr Leben raten?

Man soll gütig sein. Und wenn einer mal Blödsinn macht, dann soll man dem verzeihen.

Waren Sie mal so richtig verliebt?

Oh ja! Nicht nur ein Mal. Der Erste war der Otto, ein Arztsohn. Wir haben uns heimlich getroffen, er wollte mich heiraten. Aber dann hat die Familie herausgefunden, dass ich kein Geld hatte, und da war's aus mit der Liebe. Das Schöne am Verliebtsein ist, dass man sich nicht mehr einsam fühlt.

Und was hilft gegen Liebeskummer?

Humor.

Haben Sie sich für das neue Lebensjahr etwas vorgenommen?

Sterben. Ich wünsche mir jeden Tag, dass ich die Augen zu mache und nicht wieder auf. Wissen Sie, bis 104 war ich noch munter. Dann musste ich mir anschauen, wie ein Glied nach dem anderen abgestorben ist. Jetzt macht's keinen Spaß mehr.

Wovon träumen Sie nachts?

Im Traum liege ich im Bett und kann mich ausstrecken wie ich will. Ganz frei. Und niemand sagt mir, was ich zu tun habe.

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