Landgericht München:Prozess um Uni-Vergewaltiger: Täter trotz Krankheit schuldfähig

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Abgelegene Ecken, die Angst machen können: das Uni-Hauptgebäude. (Foto: Alessandra Schellnegger)
  • Wegen Vergewaltigung in einem besonders schweren Fall und versuchter Vergewaltigung muss Süleyman D. für sechs Jahre und neun Monate in Haft.
  • Der 26-Jährige hatte zwei Studentinnen auf einer Toilette der Ludwig-Maximilians-Universität attackiert.
  • Weil er an paranoider Schizophrenie erkrankt ist, ordnete das Gericht die Unterbringung in einer forensischen Psychiatrie an.

Von Andreas Salch

Ob er überhaupt verstanden hat, dass er auf unabsehbare Zeit nicht mehr in Freiheit leben wird? Man weiß es nicht. Als der Vorsitzende der 9. Strafkammer am Landgericht München I, Richter Philipp Stoll, das Urteil verkündet, wirkt Süleyman D. völlig abwesend.

Wegen Vergewaltigung einer Studentin in einem besonders schweren Fall und versuchter Vergewaltigung einer zweiten Studentin auf einer Toilette der Ludwig-Maximilians-Universität kommt er sechs Jahre und neun Monate in Haft. Zudem ordneten die Richter die Unterbringung des an paranoider Schizophrenie erkrankten Angeklagten in einer geschlossenen psychiatrischen Klinik an.

Prozess
:Albtraum auf der Uni-Toilette

Ein 26-Jähriger steht vor Gericht, weil er eine Studentin auf der Toilette der LMU vergewaltigt haben soll. Zum Prozessauftakt schildert die Frau, was an dem Tag passiert ist.

Von Andreas Salch

Dies sei eine der schwerwiegendsten Sanktionen im Strafgesetzbuch, betonte Richter Stoll. Denn die Maßregel ist zeitlich unbefristet. Erst wenn Ärzte der Überzeugung sind, dass Süleyman D. keine erheblichen Straftaten mehr begehen wird, besteht die Chance, dass er frei kommt. Angesichts seines psychischen Zustands werden bis dahin wohl noch viele Jahre vergehen. Der 26-Jährige muss zudem 30 000 Euro Schmerzensgeld an sein Opfer zahlen.

Bei der Urteilsbegründung ersparte es Richter Stoll den Anwesenden, unter ihnen auch der Vater der vergewaltigten Studentin, noch einmal die schrecklichen Details der Tat vom 27. Januar zu wiederholen. Stattdessen erläuterte er, wie das Gericht die Psyche des Angeklagten zur Tatzeit bewertet hat.

Als Süleyman D. am späten Nachmittag jenes Tages sich entschlossen habe, Sabine L. ( Name geändert) sexuell schwer zu missbrauchen, sei er aufgrund seiner Krankheit "nicht völlig schuldunfähig" gewesen. D.s Verteidiger Heidi Pioch und Ömer Sahinci hatten dies in ihren Schlussvorträgen bestritten und das Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen Matthias Hollweg zum Teil scharf kritisiert.

Richter Stoll: "Dieser Vorwurf kann so nicht stehen bleiben"

Bei dem Vortrag des Forensikers handle es sich um ein "schlüssiges Gutachten", sagte indes Richter Stoll. Die paranoide Psychose des Angeklagten habe sich zum Zeitpunkt der Tat erst in "beginnenden Schüben befunden". Der 26-Jährige habe zielgerichtet gehandelt. Die Einsichtsfähigkeit in sein Tun sei jedoch sowohl bei der Vergewaltigung von Sabine L. als auch bei der versuchten Vergewaltigung einer 33-jährigen Studentin wenige Tage später nicht beeinträchtigt gewesen.

Auch zu dem Vorwurf des Vertreters von Sabine L., Rechtsanwalt Jochen D. Uher, wonach das Gericht deren Recht auf Opferschutz nicht anerkannt habe, nahm Richter Stoll Stellung. "Dieser Vorwurf kann so nicht stehen bleiben", sagte er. Uher hatte sich darüber empört, dass seine Mandantin am ersten Verhandlungstag nicht unter Ausschluss der Öffentlichkeit vernommen wurde und darüber hinaus auch noch im Beisein von Süleyman D. ihr Martyrium habe schildern müssen.

Die Zeugin sei, so Stoll, vor ihrer Vernehmung gefragt worden, ob sie bereit sei, es zumindest zu versuchen, in Anwesenheit des Angeklagten und der Öffentlichkeit auszusagen. Sabine L. habe dann "tapfer durchgehalten", sagte der Vorsitzende. Überdies könne man einen Angeklagten nicht einfach von der Hauptverhandlung ausschließen. Zwischen den Rechten des Opfers, denen des Angeklagten und dem öffentlichen Interesse bestehe ein Spannungsverhältnis. Die Rechte des Opfers seien durch die Kammer "nicht ansatzweise" vernachlässigt worden, erklärte Stoll. Sabine L.s Vater berichtete am vorletzten Verhandlungstag, dass sich der psychische Zustand seiner Tochter seit ihrem Auftritt vor Gericht "dramatisch verschlechtert" habe.

© SZ vom 15.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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