Landgericht München:Özdemir und Schily streiten über Vorwort zu NSU-Buch

Landgericht München: Otto Schily (links) und Cem Özdemir streiten um ein Vorwort.

Otto Schily (links) und Cem Özdemir streiten um ein Vorwort.

(Foto: dpa/imago)
  • Cem Özdemir schreibt im Vorwort zu einem Buch über den NSU, der damalige Bundesinnenminister Otto Schily habe beim Anschlag in der Keupstraße einen "terroristischen Hintergrund bereits einen Tag nach dem Anschlag ausgeschlossen".
  • Schily wehrt sich dagegen mit einer einstweiligen Verfügung.
  • Dagegen legt Özdemir erst Widerspruch ein, nimmt diesen aber dann zurück. Nun wird es ein Hauptverfahren vor dem Münchner Landgericht geben.

Von Stephan Handel

Ein Rechtsstreit zwischen dem ehemaligen Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) und dem grünen Bundestags-Spitzenkandidaten Cem Özdemir ist beigelegt - allerdings nur vorläufig: Özdemir hat den Widerspruch gegen eine einstweilige Verfügung zurückgenommen, die Schily gegen ihn erwirkt hat, beharrt aber auf einer gerichtlichen Entscheidung in der Hauptsache.

Cem Özdemir hat für das im vergangenen Herbst erschienene Buch "Die haben gedacht, wir waren das" ein Vorwort geschrieben. In dem Buch geht es um den Terror des "Nationalsozialistischen Untergrunds" (NSU) und wie es auf die zumeist türkischstämmigen Angehörigen der Opfer gewirkt hat, dass die Polizei zunächst sie der Taten verdächtigte. In seinem Vorwort schreibt Özdemir über den Nagelbomben-Anschlag in der Keupstraße in Köln aus dem Jahr 2004: "Ein terroristischer Hintergrund wurde dagegen bereits einen Tag nach dem Anschlag ausgeschlossen - von keinem geringeren als dem damaligen Bundesinnenminister Otto Schily."

Das wollte sich Schily nicht gefallen lassen. Er beantragte eine einstweilige Verfügung, um Özdemir zu untersagen, seine Äußerung weiter zu verbreiten. Denn, so Schily zur Begründung: Einen Tag nach dem Anschlag, am 10. Juni 2004, habe er, Schily, gesagt: "Die Erkenntnisse, die unsere Sicherheitsbehörden bisher gewonnen haben, deuten nicht auf einen terroristischen Hintergrund, sondern auf ein kriminelles Milieu, aber die Ermittlungen sind noch nicht abgeschlossen, so dass ich eine abschließende Beurteilung dieser Ereignisse jetzt nicht vornehmen kann."

Dieser Wortlaut ist auch durch eine Fernseh-Aufzeichnung belegt. Angesichts dieser Fakten fiel es dem Münchner Landgericht nicht schwer, die von Schily begehrte einstweilige Verfügung zu erlassen. Dies geschah am 13. Dezember 2016.

"Schily hat sich nach unserer Meinung 2004 völlig eindeutig geäußert"

Gegen die Entscheidung des Richters legte Cem Özdemir Widerspruch ein - über den sollte an diesem Mittwoch verhandelt werden. Doch am Montag nahmen Özdemirs Anwälte den Widerspruch zurück - merkwürdigerweise jedoch verbunden mit der Aufforderung an Schily, die Eröffnung eines Hauptverfahrens voranzutreiben.

"Schily hat sich nach unserer Meinung 2004 völlig eindeutig geäußert", erklärt Özdemirs Anwalt Mehmet Daimagüler. "Er will jetzt seine eigene Rolle nach dem Anschlag in der Keupstraße uminterpretieren und klein reden." Rechtsanwalt Daimagüler ist unter anderem auch Nebenklage-Vertreter im laufenden NSU-Verfahren.

Otto Schily scheint keinen Zweifel zu haben, siegreich aus der Angelegenheit hervor zu gehen: "Der Sachverhalt ist ja unstreitig", sagt der Politiker, der von 1990 bis 2009 für die SPD im Landkreis München im Bundestag saß. "Mir ist es rätselhaft, warum Özdemir sich jetzt noch die Kosten des Hauptsache-Verfahrens aufbürden will."

Er habe dem Politiker-Kollegen zunächst einen persönlichen Brief geschrieben mit der Bitte um Richtigstellung: "Wenn er das getan hätte und vielleicht noch die Größe gefunden hätte, sich zu entschuldigen, wäre die Sache für mich erledigt gewesen." So aber "bleibt mir nichts anderes übrig": Seine Anwälte, kündigt Schily an, würden jetzt die Hauptsacheklage vorbereiten, womit sie nicht viel Arbeit haben werden - sie ist gleichlautend zu dem Antrag auf einstweilige Verfügung. Und so wird der Streit zwischen Schily und Özdemir demnächst vor dem Münchner Landgericht in die nächste Runde gehen.

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