Landgericht München I:Vater gesteht sexuellen Missbrauch seiner Töchter

  • Vor dem Landgericht München I gesteht ein Mann, seine beiden Töchter insgesamt 170 Mal vergewaltigt zu haben.
  • Die jungen Frauen erzählten ihrer Mutter erst von den Taten, als sie volljährig und dem Vater nicht mehr ausgeliefert waren. Diese will angeblich nie etwas mitbekommen haben.
  • Die Prozessbeteiligten haben sich vor dem Geständnis des Angeklagten auf eine Freiheitsstrafe von mindestens siebeneinhalb und maximal acht Jahre verständigt.

Von Christian Rost

Eine Tochter hat Tränen in den Augen, die andere richtet ihren festen Blick genau auf den Vater. Joseph S. zeigt indes keine Regung, als sein Verteidiger Thomas Novak am Montag vor der 20. Strafkammer am Landgericht München I nüchtern erklärt, dass alle Taten, die dem 57-Jährigen vorgeworfen werden, "der Wahrheit entsprechen. Es tut ihm außerordentlich leid". Somit hat S. eine Tochter von ihrem neunten Lebensjahr an 158 Mal sexuell missbraucht und sein anderes Kind von dessen achten Lebensjahr an zwölf Mal.

Die Töchter sind heute 21 und 23 Jahre alt und treten als Nebenklägerinnen gegen ihren Vater auf. Lange konnten sie nicht sprechen über die schrecklichen Übergriffe, bei denen der Mann vom Jahr 2000 an auf verschiedenste Weise den ungeschützten Beischlaf mit ihnen vollzog. Beide Kinder nahm der Berufskraftfahrer auch in seinem Lastwagen mit, um sich während der Ruhepausen an ihnen in der Schlafkabine des Führerhauses zu vergehen. Auch in der Sauna des Westbades sowie in den Umkleiden dort nutzte er unbeobachtete Momente für seinen Taten. Die Mädchen erzählten ihrer Mutter erst davon, als sie schon volljährig und nicht mehr dem Vater ausgeliefert waren.

Die Mutter wollte offenbar nichts merken

Sie wussten beide, dass auch die jeweils andere vom Vater für seine Triebbefriedigung benutzt worden war. Als er nachts wieder einmal ein Kind aus dem Bett holte, bekam das die andere Tochter mit. Sonst erzählten sie aber niemandem davon, bis Joseph S. sich 2014 an junge Schulfreundinnen seines Sohnes heranmachte. Eine Tochter bekam das mit und wollte unbedingt verhindern, dass Joseph S. noch weitere Kinder zum Opfer fallen. In einer SMS schrieb sie ihrer Mutter, was der Vater mit ihr und ihrer Schwester über Jahre hinweg immer wieder gemacht hatte. Die Mutter sagt als Zeugin vor Gericht, sie habe davon nichts geahnt, "sonst hätte ich etwas unternommen".

Die 42-Jährige muss auf die Vorsitzende Richterin Sigrun Broßardt wie ein Mensch wirken, der nichts mitbekommen wollte. Broßhardt hält der Frau deren Aussage bei der Polizei vor, wonach es in all den Jahren doch mehr als eindeutige Hinweise auf Missbrauch gegeben hatte. Einmal, es war im Jahr 2009, erwischte die Mutter ihren Mann dabei, wie er mit einer Tochter im Bett lag. Bei beiden waren die Unterhosen nach unten geschoben. Die Mutter war außer sich: "Bei mir kriegst du keinen hoch, bei Kindern schon", schrie sie ihn an. Danach habe sie aber "keine Wesensveränderung" bei ihren Töchtern festgestellt, beide seien gut in der Schule gewesen. Das nahm die Frau schließlich als Vorwand, um die Sache zu vergessen.

Immerhin haben seine Taten die Töchter nicht gebrochen

Sie selbst war erst 14 Jahre alt, als sie den 15 Jahre älteren Joseph S. kennenlernte - und er sie beim ersten Geschlechtsverkehr regelrecht vergewaltigte. Er war damals bei einem Schaustellerbetrieb beschäftigt und zog mit einer Schiffschaukel übers Land. Die Jugendliche blieb trotz seiner grobschlächtigen Art an ihm hängen. "Er ist auf mich draufgestiegen, wann immer er wollte", sagt die Zeugin. Kurz vor ihrem 18. Geburtstag wurde sie von ihm schwanger und heiratete ihn. 2011 trennten sie sich. Ob ihr junges Alter beim Kennenlernen Thema gewesen sei, wollte die Vorsitzende von der Zeugin wissen. "Er empfand's als normal", sagt die Frau, "er meinte, sie sei ja schon 14, da habe der Staatsanwalt nicht mehr die Hand drauf."

Die Prozessbeteiligten hatten sich vor dem Geständnis des Angeklagten auf eine Freiheitsstrafe von mindestens siebeneinhalb und maximal acht Jahre verständigt. Immerhin haben seine Taten die Töchter nicht gebrochen. Beide sind berufstätig und haben inzwischen selbst Familien gegründet.

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