Landgericht München I:Mann läuft mit Aschenbecher durch die Straße - und landet in Zelle

  • Im Sommer 2012 schlendert ein Student in der Nacht mit einem ein Meter hohen Aschenbecher durch Schwabing.
  • Polizisten nehmen den Mann mit auf die Wache, sperren ihn in eine Zelle und unterziehen ihn einer Analschau.
  • Der junge Mann wirft den Beamten Willkür vor und fordert nun vom Staat 1400 Euro Schmerzensgeld.

Von Ekkehard Müller-Jentsch

Ein junger Mann geht weit nach Mitternacht mit einem ein Meter hohen Aschenbecher in der Hand durch die Ludwigstraße. Eine Polizeistreife denkt, dass er das Ding vor einer Kneipe geklaut hat und hält den Studenten an. Von da an lief einiges aus dem Ruder, behauptet nun sein Rechtsanwalt: Sein Mandant sei von den Polizisten zu Unrecht in eine Zelle gesperrt und durch eine "Analschau" gedemütigt worden. Dafür soll der Staat 1400 Euro Schmerzensgeld bezahlen, verlangt der Advokat am Mittwoch vor dem Landgericht München I.

Für die Streifenwagenbesatzung muss es in dieser Juninacht 2012 ein skurriler Anblick gewesen sein: Ein junger Türke schlendert gegen 2.30 Uhr mit einem Standascher in der Hand an der Ludwigskirche vorbei. Als die Beamten ihn stoppen, kann er sich nicht ausweisen. Sein Pass und die Aufenthaltserlaubnis lägen in seiner Studentenbude, sagte er. Die Streife fährt mit ihm dorthin und stellt fest, dass der Mann in Köln gemeldet ist. Deshalb bringt sie ihn auf die Inspektion 11 in der Hochbrückenstraße.

Student soll lauthals gegen seine Festnahme protestiert haben

Dort können die Kölner Kollegen telefonisch zwar rasch die Identität des Mannes bestätigen. Doch der Student protestiert derweil lauthals gegen seine vorläufige Festnahme und will seinen Anwalt sprechen. Dieser erklärt den Beamten später über ein auf Lautsprecher geschaltetes Handy, dass sein Mandant keine Aussage machen werde.

Die Polizisten durchsuchen dann die Taschen des Mannes. Später sagten sie, dass er sie dabei beleidigt habe, aufgesprungen sei und herumgeschrien habe. Der Student erklärte später, die Polizisten hätten ihm die Ausnüchterungszelle angedroht, falls er weiterhin "Blödsinn reden" sollte. Immerhin hatte er, wie heute feststeht, 0,41 Promille.

Freistaat zahlte bereits 100 Euro Entschädigung

Die Ordnungshüter brachten den Türken ins Polizeipräsidium. Bevor er dort in einer Arrestzelle gesperrt wurde, durchsuchten sie ihn und nahmen auch eine sogenannte Analschau vor. Gegen 4.10 Uhr wurde der Student wieder entlassen. Ein Strafverfahren gegen ihn wurde später eingestellt. Das Landgericht München I stellte danach fest, dass das Festhalten und die Durchsuchung rechtswidrig gewesen seien. Der Freistaat zahlte daraufhin 100 Euro Entschädigung.

Rechtsanwalt Andreas Kuzmany forderte nun im Namen seines Mandanten am Mittwoch vor der Amtshaftungskammer im Justizpalast mindestens 1400 Euro Schmerzensgeld. Das Vorgehen der Polizisten bezeichnete er als Willkür: "Das Mittel der Intimschau wird missbraucht", wenn Leute in den Augen der Polizei aufsässig seien. Diese Form der Schikane müsse dadurch gestoppt werden, sagte er, dass der Freistaat dafür ordentlich bezahlen müsse. "100 Euro sind doch ein Freibrief für die Polizisten." Wenn es bei solch geringen Beträgen bleibe, werde sich an dieser Polizeipraxis nichts ändern.

Rechtsanwalt Michael Then widersprach im Namen des beklagten Freistaats: Kuzmany trage "sehr pauschale Behauptungen" vor. Es gehe nicht an, dass hier der Polizei vorgeworfen werde, sie würde immer so vorgehen und deshalb müsse man jetzt einmal daraufhauen, meinte Then sinngemäß.

Anwalt des Studenten lehnt Kompromiss ab

Der Vorsitzende Richter Frank Tholl sagte, das sei damals "nicht glücklich gelaufen". Er zog einen Vergleich zu Fällen von menschenunwürdiger Unterbringung in Haftanstalten - da würden in der Regel Entschädigungen von 20 Euro pro Tag bezahlt. In diesem Fall halte die Amtshaftungskammer 300 Euro, also immerhin den 15fachen Betrag für angemessen - vor allem auch wegen der "intimen Inaugenscheinnahme". Der Freistaat solle deshalb noch 200 Euro nachzahlen, schlug der Vorsitzende vor.

Auf solch einen Vergleich will sich Rechtsanwalt Kuzmany aber nicht einlassen, er fordert ein Urteil. Das soll nun am 8. Juni verkündet werden. Das Gericht wollte zum Schluss noch wissen, was eigentlich aus dem Aschenbecher geworden sei? "Der steht bei meinem Mandanten in der Wohnung", antwortete der Anwalt. "Es ist ja seiner."

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