Landgericht München I:Klagen gegen den Staat

Bei der Fahrradkontrolle gefesselt, in Ungarn festgenommen und mit einem Einsatzfahrzeug zusammengeprallt: Ein Anwalt, ein Autohändler und ein SUV-Fahrer wollen Geld aus der Staatskasse.

Von Ekkehard Müller-Jentsch

Ein ohne Licht radelnder Anwalt wird von der Polizei in Handschellen gelegt. Ein Münchner Autohändler bekommt von der Zulassungsstelle falsche Daten in die Fahrzeugpapiere geschrieben und sitzt in Ungarn bald darauf in U-Haft. Ein Münchner SUV-Fahrer wird vom Martinshorn der Polizei so irritiert, dass er vor einen heranrauschenden Streifenwagen fährt. Alle drei Betroffene wollen Schadensersatz aus der Staatskasse und haben am Landgericht München I geklagt: volles Programm am Mittwoch für die Amtshaftungskammer.

Bei der Fahrradkontrolle gefesselt

Die Beleuchtung an seinem Fahrrad hätte funktioniert. Doch der aus Neuhausen stammende Anwalt hatte noch keine Notwendigkeit gesehen, an jenem Augustabend 2011 den Dynamo einzuschalten. Gegen 21 Uhr wurde er in der Schwere-Reiter-Straße von einer Streife der Polizei deswegen gestoppt. Er hätte vielleicht mit einer mündlichen Ermahnung gerechnet, meinte er nun in der Verhandlung. Sogar mit einem Verwarnungsgeld, das ihm die Polizisten aufbrummen wollten, habe er sich dann auch einverstanden erklärt.

Von diesem Punkt an gehen die Schilderungen der Polizei und des Juristen auseinander. Fest steht nur, dass die Uniformierten seine Personalien feststellen wollten, der Anwalt das jedoch nicht für gerechtfertigt hielt. Unbestritten ist, dass der Advokat schließlich "zu Boden gebracht", gefesselt und auf die Polizeiinspektion geführt worden ist. Entlassen wurde er erst kurz nach Mitternacht.

Gegen den Anwalt wurde später unter anderem wegen Widerstands ermittelt, das Verfahren dann aber nach Zahlung von 4000 Euro vom Amtsgericht eingestellt. In seiner Klage fordert der Betroffene nun 1000 Euro Schmerzensgeld, Ersatz für die gezahlte Geldauflage in Höhe von 4000 Euro sowie Rechtsanwaltskosten aus dem Strafverfahren in Höhe von 500 Euro.

Es wurde wohl viel falsch gemacht

Selbst der Prozessvertreter des beklagten Freistaats räumte in der Verhandlung ein, das damals viel falsch gemacht worden sei - "man hat sich wohl gegenseitig hochgeschaukelt". Der Jurist sei den Beamten gegenüber angeblich "sehr belehrend" aufgetreten.

Auch das Gericht stellte fest, dass die Polizeikontrolle offenbar "aus dem Ruder gelaufenen" sei. Aber selbst wenn das Verhalten der Polizisten fehlerhaft gewesen sein sollte, müsste es für einen Amtshaftungsanspruch "schuldhaft" fehlerhaft gewesen sei.

Da sich beide Seiten in der Verhandlung nicht auf einen Kompromissbetrag einigen konnten, mit dem der Streit aus der Welt hätte geräumt werden können, wird der Prozess wahrscheinlich mit der Anhörung aller Beteiligten und Zeugen fortgesetzt. Ob die Aussagen nach fünf Jahren sehr erhellend sein werden, muss sich zeigen. Das Gericht will Mitte Dezember entscheiden, wie es mit dem Verfahren weitergehen soll.

Festgenommen wegen falscher Fahrzeugidentifizierungsnummer

Knapp 14 000 Euro will ein Autohändler von der Stadt München. Er hatte im Februar 2012 für seinen Dodge eine Zulassungsbescheinigung beantragt. Unstreitig wurde dabei vom Sachbearbeiter des Kreisverwaltungsreferats die Fahrzeugidentifizierungsnummer (FIN) falsch eingetragen. Dann brachte er den Wagen nach Ungarn und meldete ihn ab.

Als er das Auto mit einem ungarischen Händlerkennzeichen zu einem Kaufinteressenten bringen wollte, geriet er in eine Kontrolle. Der Händler behauptet, er sei vorläufig festgenommen und das Fahrzeug beschlagnahmt worden, weil die FIN nicht mit der Zulassungsbescheinigung übereinstimmte.

Der beschlagnahmte Dodge sei erst im Oktober freigegeben worden. Das Fahrzeug habe er dann im folgenden April mit 2000 Euro Wertverlust verkaufen können. Deswegen habe er 178 Tage lang für insgesamt 10 502 Euro einen Leihwagen nehmen müssen. Diesen Betrag verlangt er ebenso aus der Staatskasse, wie elf Euro für die erlittene Untersuchungshaft, dazu Dolmetscher- und Anwaltskosten.

Die Stadt weist die Forderungen zurück. Grund für die Beschlagnahme und Inhaftierung des Klägers sei tatsächlich der Verdacht der Fälschung des Händler-Fahrtenbuchs gewesen. Und hätte er sich damals sofort bei der Stadt gemeldet, hätte er unverzüglich eine Bestätigung über die irrtümliche Eintragung erhalten. Das Gericht will das Verfahren schriftlich fortsetzen.

Unfall mit einem Polizeiauto

Ein stehendes Fahrzeug vor ihm und das Tatütata samt Blaulicht auf der linken Nebenfahrbahn hatten einen Münchner SUV-Fahrer im November 2012 im Petueltunnel irritiert. Der Mann hatte ein Polizeiauto passieren lassen und dann seinen Mercedes nach links gezogen. Dass zwei weitere Polizeiautos mit Blaulicht und Martinshorn folgten, hatte er nicht bemerkt. Ein VW-Bus knallte in den SUV.

Der Fahrer sieht die Polizei in der Mitschuld: Die Beamten hätten nicht darauf vertrauen dürfen, dass alle anderen Verkehrsteilnehmer die Sondereinsatzsignale wahrnehmen und sie passieren lassen, meint er sinngemäß. Er will 5197 Euro Schadenersatz sowie 11 776 Euro Anwaltskosten. "Haben Sie nicht in den Rückspiegel geschaut", fragte der Vorsitzende Richter. Das Martinshorn sei "verwirrend gewesen", antwortete der Kläger. Wegen des weiter vorne stehenden Autos hätten die Beamten aber vorsichtiger sein müssen.

Das Gericht machte klar, dass die Klage kaum Aussicht auf Erfolg haben werde - ein Urteil gibt es aber erst Ende November.

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