Landesgeschäftsstellen:So residieren die Parteien in München

CSU-Landesleitung

Vor wenigen Wochen ist die CSU in ihre neue Zentrale in der Mies-van-der Rohe-Straße gezogen.

(Foto: dpa)

Die CSU sitzt seit Kurzem in einem Glaspalast, die FDP ist nur noch Untermieter, die Bayernpartei schaut auf einen Maibaum: Das sagt viel über das Selbstverständnis der Parteien aus.

Von Iris Hilberth, Frank Müller, Kassian Stroh und Wolfgang Wittl

Wie sehr man etwas lieb gewonnen hat, zeigt sich oft in kleinen Dingen: 40 Plätze bietet der Raum für Pressekonferenzen in der neuen CSU-Zentrale, auf jedem liegt ein schwarzer Bleistift, verziert mit einem weißen Fähnchen. Es trägt keine Raute oder das Wappentier, sondern bereits die Silhouette des neuen Gebäudes. Als der Parteichef vor zwei Wochen hier erstmals auftrat, geriet er ins Schwärmen - nicht nur, weil die neuen Räume so gar nichts mit der Tristesse der alten an der Nymphenburger Straße zu tun haben. Der Umzug sei "eine Zäsur in unserer Geschichte", sagte Horst Seehofer.

Wer an München als Landeshauptstadt denkt, der denkt an die Ministerien und die Staatskanzlei, an den Landtag und vielleicht noch an die vielen Lobbyverbände, die hier ihren Sitz haben. Die Parteizentralen hingegen führen eher ein Schattendasein. Dabei haben mit Ausnahme der ÖDP, die in Passau sitzt, alle größeren Parteien ihre Landesgeschäftsstelle in München. Ein Blick darauf zeigt: Wo sie sind und wie es dort aussieht, das sagt auch viel aus über das Selbstverständnis der Parteien.

Grüne und SPD verweilen in der Stadt

Ihren in der Landespolitik nie wahr gewordenen Traum von Rot-Grün zum Beispiel leben SPD und Grüne mitten in der Stadt weiter. Letztere residieren direkt am Sendlinger Tor in einem schmucklosen Bürobau, aber in herausragender Lage. Und wer mittelgroße Schritte macht, braucht nur 129 davon, bis er am Oberanger vor der Zentrale der Landes-SPD steht: dem traditionsreichen Georg-von-Vollmar-Haus.

Erster Eindruck bei den Genossen: Es riecht nach Rauch, wie es sich gehört bei einer traditionsreichen Arbeiterpartei. Zwei Aschenbecher hängen draußen am Eingang, der Bereich hier gehört quasi schon zum Bürobetrieb. Innen verteilen sich Landes- und Stadtverband, Abgeordnetenbüros und die Jusos über mehrere Stockwerke. Im zweiten Stock bei der Landes-SPD wird man an einer offenen Theke empfangen. Es gibt Menschen, die einfach so vorbeischauen, sagt Parteisprecher Ino Kohlmann. Dass das schwieriger werden könnte in Zeiten aufgeheizter Stimmung, davon erzählen Schilder an den Zugangstüren: Man möge diese geschlossen halten.

Seit Landeschef Florian Pronold und Generalsekretärin Natascha Kohnen am Ruder sind, wurde kräftig renoviert, gedeckte Farbtöne herrschen vor. Pronold und Kohnen teilen sich ein Büro, es wirkt unbenutzt wie ein Musterzimmer im Möbelhaus. Wie in anderen Parteizentralen ist auch hier die Anwesenheit der Chefs eher die Ausnahme. Praktisch alle haben parlamentarische Mandate, dazu womöglich Regierungsposten und ihre Heimatbüros.

Doch am Oberanger wird durchaus viel gearbeitet, es gibt sogar eine eigene Druckerei. Und die Planung für den inzwischen abgesagten Aschermittwoch bringt Hochbetrieb. Am Sekretariat lehnt ein Päckchen. "Richtungspfeile Aschermittwoch" steht darauf. Würden die vergessen, gäbe es in Vilshofen umherirrende Gäste.

Das niederbayerische Großereignis hat auch die Grünen betriebsam gemacht. Stadtbüro, Parteinachwuchs und Landesverband sind hier ebenfalls unter einem Dach. Die Landesgeschäftsstelle teilt sich ein Stockwerk mit Abgeordnetenbüros unter anderem für Bundestags-Fraktionschef Anton Hofreiter. Neuerdings haben die Grünen renoviert, sagt Sprecherin Daniela Wüst, als sie durch die Räume führt. In allen Büros ist eine Wand farbig. Im gemeinsamen Zimmer der Doppelspitze überließ Landeschef Eike Hallitzky seiner Co-Chefin Sigi Hagl die Farbauswahl.

Seitdem knallt hier sattes Pink von der Wand. Jedoch: Ein ökologisch-nachhaltiges Vorzeigeprojekt ist das Parteidomizil keineswegs. Seit 14 Jahren sind die Grünen am Sendlinger-Tor-Platz - ein Standort, der viel zu wertvoll ist, um ihn aufzugeben. Auch wenn manche in der Partei träumen von einem Öko-Haus, das doch viel besser zum eigenen Anspruch passen würde. So muss es eine Nummer kleiner gehen. Und die Lage hat den Vorteil, dass die Partei Aktionen in der Stadt auch ohne Auto realisieren kann - sie hat keinen Fuhrpark.

Die FDP lebt multikulti

Rein von der Lage her sind ohnehin die Liberalen die eigentlichen Grünen: Goethestraße 17, dritter Stock, Münchner Bahnhofsviertel, multikulti. Die Nachbarn sind ein Juwelier namens Pascha, ein türkischer Obst- und Gemüsehändler, Teppichladen, Hotel, Haarstudio. "Kleines, buntes Unternehmertum", sagt FDP-Generalsekretär Daniel Föst, "unsere Klientel." Lebendig, quirlig, so geht es hier zu, und so sieht sich offenbar auch die FDP. Am Eingang steht: "Einmal klingeln für FDP, zweimal klingeln für Kinderschutzbund" - inzwischen ist man Untermieter.

Nicht ganz freiwillig. Im Jahr 2013 flog die FDP aus Bundes- und Landtag, bald darauf zog sie vom Rindermarkt ins Bahnhofsviertel um. Die alte Parteizentrale war zu groß geworden, zu teuer, die Büros zweier früherer Bundestagsabgeordneter überflüssig. Nun ist alles eine Nummer kleiner: Die Mitarbeiterzahl wurde auf fünf halbiert, ebenso die Quadratmeterzahl, Drucker und Kopierer stehen auf dem Gang, Föst teilt sich sein Büro mit Wahlwerbung. Immerhin: Der Sitzungsraum ist größer als am Rindermarkt, auch beim Catering für die Vorstandssitzungen hat sich die FDP deutlich verbessert. Es kommt aus dem türkischen Restaurant von unten.

Nur ein paar Ecken weiter ist die bayerische Linke zu finden, in einem Laden an der Schwanthalerstraße, der für Sitzungen und auch die Sozialberatung genutzt wird; das eigentliche Büro findet sich im Hinterraum. Wenig Platz, zumal auch noch der Münchner Kreisverband hier sitzt. Aber die Landeszentrale der Linken ist zweigeteilt, und das hat etwas mit ihrer Geschichte zu tun: In München saß immer die eine Vorläuferin, die PDS, in Nürnberg hingegen die WASG. Auch nach der Fusion zur Linken beließ man es bei zwei Geschäftsstellen mit je zwei Mitarbeitern hier wie dort - und Landesgeschäftsführer Ates Gürpinar, der hin und herpendelt.

Der Bayernpartei geht es wie alten Münchnern

Nahe an der Innenstadt saß lange auch die Bayernpartei: in Untergiesing. "Der Charme dieses Alt-Münchner Viertels hat sehr gut zu uns gepasst", sagt Generalsekretär Hubert Dorn. 2008 aber ist die Bayernpartei nach Berg am Laim umgezogen, in ein Wohn- und Bürohaus an der Baumkirchner Straße. Weggentrifiziert, könnte man meinen, warum sollte es einer alten Partei anders ergehen als vielen alten Münchnern, die an den Stadtrand gedrängt werden?

Die Wahrheit aber ist: Ihr altes Domizil war zu klein geworden, die Bayernpartei wächst, an Mitgliedern wie auch Mandaten. Und auch wenn sie keine Angestellten beschäftigt und nur Dorn sowie der Parteivorsitzende Florian Weber abwechselnd die Stellung halten - die 185 Quadratmeter in Berg am Laim bräuchten sie, sagt Weber. Für einen Teil davon habe man einen Untermieter gehabt, dem man kürzlich aber wegen Eigenbedarfs gekündigt habe. Zum Charme der Bayernpartei passt immerhin, dass sie aus dem Fenster direkt auf einen Maibaum blickt.

Vergrößert haben sich auch die Freien Wähler (FW), allerdings in umgekehrter Richtung. Bis vor etwa vier Jahren nutzten sie eine kleine Wohnung in Trudering als Landesgeschäftsstelle, inzwischen sitzen sie zwischen Ärzten und einem Frauen-Fitnessstudio am Giesinger Bahnhofsplatz. Näher am Zentrum, etwas komfortabler - das seien so die Kriterien gewesen, erzählt Michael Piazolo, Münchner Landtagsabgeordneter und Generalsekretär der FW, der dort auch sein Abgeordnetenbüro betreibt. Zu innenstadtnah und damit zu teuer hätte es aber auch nicht sein dürfen. Mehr als ein Jahr habe man damals gesucht, sagt Piazolo. Aber das kennt der Münchner ja.

Die AfD sitzt in einem alten Büro einer CSU-Politikerin

Als bemerkenswerte Nachnutzung entpuppt sich die Geschäftsstelle der Alternative für Deutschland in Unterhaching. Die AfD übernahm dort im Sommer 2014 das ehemalige Abgeordnetenbüro der CSU-Landtagabgeordneten (Landkreis München-Süd) Kerstin Schreyer-Stäblein, als die ein paar hundert Meter weiter zog. Von der Vormieterin aber habe man erst später erfahren, sagt der AfD-Mitarbeiter Martin Schmid. Das große CSU-Logo dort ist natürlich längst abmontiert.

Die Christsozialen wiederum nehmen ihre neue Zentrale in München als Beleg für die alte Strauß-Weisheit, konservativ zu sein, heiße nicht nach hinten zu blicken, sondern "an der Spitze des Fortschritts" zu marschieren. Die alte Landesleitung an der Nymphenburger Straße wurde dem nicht mehr gerecht: miefig und muffig, im Sommer heiß und im Winter zugig. Nun also Peripherie statt Innenstadt, Mies-van-der-Rohe-Straße 1, am Ende der A 9 gelegen.

Ludwig Mies van der Rohe zählt zu den wichtigsten Architekten der Moderne, auch er hätte der CSU wohl zum Umzug gratuliert. 7000 Quadratmeter hat sie vom Langenscheidt-Verlag gekauft, 4000 nutzt sie selbst, 3000 vermietet sie. Auf vier Stockwerken breitet sich die CSU aus, je höher es hinaufgeht, desto wichtiger sind die Posten. Durch die Glasfassade fällt viel Licht ins verwinkelte Innenleben, Stahlverkleidungen und Holzgeländer dürften in jedem Handbuch für Innenausstatter zu finden sein. "Kein anonymer Bürokomplex, sondern einer mit Ausstrahlung", sagt Generalsekretär Andreas Scheuer. "Nicht protzig, sondern zweckmäßig." So war die Frage, ob sie die alte Zentrale renovieren oder eine neue kaufen soll, für die CSU dann doch recht leicht zu beantworten.

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