Laim:Tanzverbot

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Weil den Nachbarn der Rummel vor der Tür zu viel ist, muss die Laimer Kindertanzschule ausziehen. Betreiberin Marita Billaudelle sucht nun verzweifelt nach einem Ersatzstandort im Viertel

Von Andrea Schlaier, Laim

Es gibt Orte im eigenen Viertel, zu denen sogleich eine Assoziation aufpoppt, kaum dass der Name fällt. Die Camerloherstraße mitten in Laim ist so eine Gegend. Sie steht für Familien-Zone, munteres Gewirr aus Kinderstimmen, so wie es jeden Vormittag vom Hof der Grundschule in die umliegenden Straßen und Gärten dringt; die Schule ist ohne Zweifel prägend für die Ecke des Quartiers. In die Einrichtung strömen täglich Hunderte Buben und Mädchen. Einige pilgern nachmittags ein paar Meter weiter an die Ecke zur Guido-Schneble-Straße zum Schreibwarenladen oder gegenüber zum Speisezimmer, wo große Gläser mit bunten Süßigkeiten locken. Seit Mai letzten Jahres legen zunehmend mehr von ihnen auch einen Stopp an der Nummer 95 ein. Marita Billaudelle hat hier eine Tanz- und Theaterschule für Kinder eröffnet. Ende Juli muss sie die schon wieder dicht machen. Wegen der Kinder. Sie waren vielen Nachbarn zu laut. Sagte ihr Vermieter - und kündigte den Vertrag.

Mit offenen Armen, erzählt die Tanzpädagogin, sei sie vor eineinviertel Jahren in der Camerloherstraße empfangen worden, der "Einflugschneise" zur Grundschule, wie sie selbst es nennt. "Ach, das ist toll, dass so etwas Kulturelles auch mal bei uns angeboten wird und wir nicht nach Neuhausen oder Pasing fahren müssen", hätten ihr die Eltern gesagt. Von Pasing war sie mit ihrer Schule "Die Bühnengestalten" erst gekommen. Dort hatte sie auch schon ein paar Umzüge hinter sich, die Räume waren immer zu klein geworden. Und die Preise durch die Arcaden zu hoch, sagt die Mutter zweier Söhne. Jedenfalls zog sie mit den 50 Kindern, die bis dahin an ihren diversen Kursangeboten teilgenommen hatten, nach Laim, wo sie luftige 90 Quadratmeter Raum zur Verfügung hat.

Ausgetanzt: Die kleinen "Bühnengestalten" können ihre Etüden nicht mehr an der Camerloherstraße machen. Zu laut, sagt der Vermieter. (Foto: Robert Haas)

Hinter dem großen Schaufenster hatte vor wenigen Jahren noch ein Kramerladen inklusive Getränkemarkt Geschäfte gemacht; dem folgte jahrelanger Leerstand in der blauen Immobilie, Ecke Lanzstraße. Jedenfalls: Die Laimer rannten der Tanzpädagogin die Bude ein. "Klar", sagt die schlanke, hoch gewachsene Frau. "Mitten in der Stadt können sich Kinder nicht überall bewegen; deshalb ist so ein Angebot in einem Wohngebiet auch so begehrt." Innerhalb eines gutes Jahres schnellte die Zahl der teilnehmenden Kinder tatsächlich ums Doppelte auf 100 in die Höhe. Ein schöner Erfolg für den Neustart im Kinder-Kiez.

"Wir haben dabei", so die Tanzschul-Chefin, "immer total auf Zimmerlautstärke geachtet". Sie wisse ja, dass über dem ehemaligen Ladenraum Wohnungen liegen. Und dennoch, "sagt man uns immer, die Musik ist zu laut". Richtig Ärger habe es mit dem Hausmeister aber wegen der vor dem Haus abgestellten Fahrräder gegeben. "Der brüllt immer gleich so. Mütter hat er zur Schnecke gemacht, wenn sie die Anhänger falsch geparkt haben." Die Kommunikation sei zunehmend härter geworden. Aber, sagt Billaudelle, man könne doch die Kinder nicht fesseln und durch einen Tunnel ins Haus schleusen. Alle Vermittlungsversuche hätten nichts gebracht.

Betreiberin Marita Billaudelle. (Foto: Robert Haas)

Der Vermieter ließ die 45-Jährige wissen, dass er es vorziehen würde, wenn sie "den Standort aufgeben" würde. Die Bring- und Hol-Zeiten und der Ratsch von Erwachsenen vor der Türe seien für die Bewohner des Hauses zudem zu laut.

Der Hausherr, der nicht namentlich in der Zeitung stehen will, bestätigt auf Anfrage: "Im Haus leben viele ältere Mieter, die sich beschwert haben und auf die ich Rücksicht nehmen muss." Auch aus den angrenzenden anderen Geschäften seien Klagen gekommen. Im Eckhaus des Eigentümers befinden sich über vier Stockwerke verteilt 25 Wohnungen. "Da leben Leute mit über 80 Jahren, teilweise seit Jahrzehnten drin." Einige hätten sich beklagt, dass sie an den vielen abgestellten Rädern nicht vorbeikämen. Jedenfalls, so der Vermieter, sei er Billaudelle entgegengekommen. Sie könne noch bis Ende des Schuljahres bleiben. Künftig, so sein Fazit, "will ich nur noch Büros drin haben".

Marita Billaudelle steckt damit gewaltig in der Klemme. Nach langer Suche hat sie noch keinen Ersatzstandort gefunden. Übergangsweise kommt sie ein paar Straßen weiter im Europäischen Zentrum für Tanztherapie an der Geyerspergerstraße 25 unter. Sie will in Laim bleiben. Auch, um ihren kleinen Bühnengestalten den Weg zum Kurs nicht unnötig zu verlängern. Selbst im Bezirksausschuss hat sie angeklopft: "Wenn jemand von Ihnen was weiß". . . : info@die-buehnengestalten.com. "Schade", kommentiert in der Sitzung Alexandra Gaßmann (CSU), "wenn Kinderlärm als störend empfunden wird". Kollegin Daniela di Benedetto (SPD) bedauert die Entwicklung ebenfalls, "weil es in Laim so wenig Sachen für Kinder gibt". Aus der Familien-Zone Camerloherstraße verschwindet Billaudelle aber nicht ganz: "Ab Herbst gibt's von uns Tanzangebote an der Grundschule Camerloherstraße."

© SZ vom 26.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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