Laim:Plädoyer für Vielfalt

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Textentwürfe, Zeichnungen, Dreharbeiten: Schüler der Grundschule Camerloherstraße in Laim zeigen mit eigenen Video-Produktionen, dass Unterschiede zwischen Menschen keinen Unterschied machen

Von Andrea Schlaier, Laim

Der Augenblick könnte günstiger nicht sein, im Klassenzimmer der 3 a an der Grundschule Camerloherstraße ist Stille eingekehrt. Fast alle haben einen Platz im Stuhlkreis ergattert, selbst der Herr im dunklen Anzug. Tief beugt er den Oberkörper zwischen die Knie und versucht, Blickkontakt zu seinen Nachbarn aufzunehmen. Alle Augen sind auf den fremden Besucher gerichtet, als hinten von den Stehplätzen eine selbstbewusste Bubenstimme die Aufmerksamkeit für sich nutzt: "Hat der Bürgermeister eigentlich 'ne Limousine?" Da muss selbst der Promi in Blau lachen. "Äh, ja, ich hab ein Auto, des is relativ groß und schwarz, gehört mir aber nicht. Gehört der Stadt."

Die Frage an Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) hätte nicht passender sein können. Schließlich geht es in der 3 a seit zwei Wochen darum, dass Unterschiede keinen Unterschied machen sollen. Die Laimer nehmen als eine von acht Münchner Schulen an einem Projekt teil, das sich filmisch mit demokratischen Werten auseinandersetzt. Und der Rathaus-Chef ist an diesem Morgen Zaungast.

"Im Wesentlichen", erklärt Günther Anfang, "geht es darum, Vorurteile abzubauen und Toleranz zu fördern". Anfang ist Leiter des Medienzentrums München, unter dessen Federführung derzeit dritte bis zehnte Klassen in Grund- und weiterführenden Schulen "gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit", vulgo Rassismus, thematisieren.

Wie die Profis: Bild für Bild, allesamt selbst hergestellt, nahmen die Laimer Schüler mit Tablets auf und animierten so die Geschichte. (Foto: Matthias Ferdinand Döring)

Selbstgedrehte Filme unter dem Motto "Die Welt, in der wir leben wollen" sind Medium dieser Vermittlung. Letztlich gehe es darum, dass man Unterschiede akzeptiert - ob es um Jungs und Mädchen oder Menschen anderer Hautfarbe gehe. Weil sich Stereotypen schon früh aufbauen, wolle man "den Kids auf ihrer Ebene begegnen", sagt Miriam Heigl, Chefin der städtischen Fachstelle Demokratie, die wie das Stadtjugendamt und ARD Alpha in das im Herbst aufgelegte Programm eingebunden ist.

"Eigentlich haben die Drittklässler relativ wenig Vorurteile, die wundern sich eher, dass Erwachsene so lange drüber sprechen", hat Nicole Kuhn festgestellt. Die Lehrerin der 3 a, die neben der 3 c der Camerloher Grundschule an dem Projekt teilnimmt, hat sich die vergangenen beiden Wochen mit ihrer Klasse des Themas angenommen. Die Schüler entwickelten Kurzgeschichten für einen Trickfilm, malten die Darsteller, konzipierten Texte und Drehbuch und nahmen am Dienstagvormittag zusammen mit einem Team um Günther Anfang die einzelnen Szenen auf Tablets auf, bevor die kleinen Filme vertont und abschließend dann geschnitten werden.

Beeindruckt: Oberbürgermeister Reiter staunte über die Arbeiten der Grundschüler. (Foto: Matthias Ferdinand Döring)

"Das ist David", sagt eine Kinderstimme - zu sehen ist ein Junge mit dunkler Haut. "David ist sieben Jahre alt und geht in die zweite Klasse. Sein Vater kommt aus Tansania." Das Land ist in der eingeblendeten Afrika-Karte markiert. David, so erfährt man, wird wegen seines Aussehens gehänselt. "Der kommt wohl aus dem Dschungel", lästern Mitschüler. Das ist Rassismus, konstatieren die Drittklässler. Der zweite Clip bringt David mit einer anderen Ausgegrenzten vom Schulhof zusammen: der hellhäutigen Marie, die aussieht wie ein Engel, aber eine Zicke ist. Es geht um Schwarz-Weiß-Malerei und deren Auflösung.

Josua, er geht in die 3 a, hat selbst dunkle Haut und zeichnete die Film-Vorlage von David: "Das hat Spaß gemacht." Mehr will er dazu gar nicht sagen. "Weil wir Josua und zwei andere Schüler mit dunklerer Hautfarbe in der Klasse haben, wollten die Kinder das zum Thema machen", erzählt Lehrerin Kuhn, "sie selbst sehen gar keine Unterschiede und wollten nur vermitteln: Alle sind nett."

Als Oberbürgermeister Dieter Reiter zur Klasse stößt, sind Ton und Schnitt noch nicht im Kasten, die Premiere vor Schul-Publikum ist erst am nächsten Morgen in der Turnhalle. Gezeigt wird der Streifen auch im Februar beim Jugendfilm-Festival "Flimmern und Rauschen" in der Muffathalle. Dem Rathaus-Chef im blauen Anzug ist aber etwas ganz anderes viel wichtiger: "Wenn ihr zeigt, dass es blöd ist, wenn man jemanden anders behandelt, nur weil er anders aussieht oder anders spricht, lernen das die Erwachsenen vielleicht auch endlich mal."

© SZ vom 30.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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