Laim:Kurzer Prozess

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Trotz des Denkmalschutzes wird der Glockenturm der alten Glockengießerei in Laim abgerissen. Niemand will es gewesen sein, die Empörung ist groß

Von Andrea Schlaier

Könnte ein Fleckchen Land rumoren, vom Grundstück Mitterhoferstraße 7 in Laim würde zurzeit laut und deutlich ein dissonanter Grummelton in den Straßen zu hören sein. Die Stadt plant dort etwa 75 Wohnungen, außerdem Werkstätten und Lernräume für Flüchtlinge. Diese Nutzung hat im Viertel bislang keiner öffentlich beklagt, aber: Dass im Zuge der dafür notwendigen Neubauten einem historischen Kleinod zu Leibe gerückt wird und obendrein eine bisher luftige, von Grün flankierte Fläche erheblich verdichtet wird, bringt sowohl Bezirksausschuss als auch Nachbarn und Bürger auf.

In der Seitenstraße der Landsberger Straße befindet sich das in seiner Struktur malerisch erhaltene Gebäude der ehemaligen Glockengießerei Oberascher, in dem seit Anfang des 20. Jahrhunderts vieles von dem, was in der Stadt Klang und Namen hat, gegossen wurde. Nach vehementem Insistieren des Bezirksausschusses Laim wurde es kürzlich nachträglich zum Denkmal erklärt, die dazugehörige Fabrikantenvilla indes ist trotz massiven Protests aus dem Viertel fast gleichzeitig abgerissen worden. Ominöserweise fiel dabei auch der Glockenturm auf der inzwischen denkmalgeschützten Glockengießerei - die Untere Denkmalschutzbehörde als Abteilung der Lokalbaukommission verordnete einen unverzüglichen Stopp der Arbeiten. Es habe keine "rechtliche Grundlage" für dieses Vorgehen vorgelegen, heißt es aus dem Planungsreferat.

Die Aufregung bei denen, die die Anlage bewahren wollen, ist entsprechend groß. "Der Glockenturm ist einfach abgerissen worden, das geht überhaupt nicht", empört sich der Vorsitzende des Laimer Bezirksausschusses, Josef Mögele (SPD), "der Investor, der dafür verantwortlich ist, muss den wieder instand setzen." Die Verantwortlichen der Stadt scheinen Mögeles Meinung zu teilen. Grundsätzlich gilt, so teilt ein Sprecher des Planungsreferates mit: "Wer ein Baudenkmal beseitigen, verändern (...) will, bedarf der Erlaubnis". Doch für den Abriss der Glockengießerei sei diese von der Lokalbaukommission nicht erteilt worden.

Die Aussage ist insofern interessant, weil sie unterstellt, dass mit dem hölzernen Glockenaufbau das gesamte Werkstattgebäude dem Erdboden gleichgemacht werden sollte. Doch auch für den Komplett-Abriss, so der Sprecher des Planungsreferates "lag uns (...) weder ein Antrag noch eine Abbruchanzeige vor". Nachdem die Untere Denkmalschutzbehörde von den Abbrucharbeiten erfahren hatte, erließ sie unverzüglich eine Baueinstellungsanordnung, sodass der etwa 1,50 Meter hohe Holzturm zwar abgetragen wurde, aber der "Rest des Gebäudes erhalten werden konnte". Man verfolgt nun das Ziel, den ursprünglichen Zustand wiederherzustellen, so heißt es.

Ein paar Tage zuvor erst war die Glockengießerei, von Baumeister Xaver Heininger 1906/1907 erbaut, nach neuerlicher Prüfung durch das Landesamt für Denkmalpflege in die bayerische Denkmalliste nachgetragen worden. Besonders die geschichtliche Bedeutung des "basilikalen Satteldachbaus mit Dachreiter und Putzgliederungen" mache seine Denkmalwürdigkeit aus, heißt es in der offiziellen Beurteilung: "Sie ist das einzige noch erhaltene Werksgebäude einer Glockengießerei des ausgehenden 19. beziehungsweise 20. Jahrhunderts in Bayern." Bis heute sei die einstige Nutzung ablesbar - ein "Alleinstellungsmerkmal". Der Guss der Glocken für das Glockenspiel im Münchner Rathaus war seinerzeit ein erster Großauftrag.

Wäre die Entscheidung, die im hinteren Grundstück gelegene Werkshalle der Oberaschers unter Denkmalschutz zu stellen, etwas früher gefallen, hätte dann die dazugehörige ehemalige Villa der Familie direkt an der Mitterhoferstraße erhalten werden können? Ihr war der Denkmalschutz nicht gewährt worden. "Das hätte bedeutet", erläutert eine Sprecherin des Landesamtes für Denkmalpflege, "dass für den Abbruch der Fabrikantenvilla eine denkmalrechtliche Erlaubnis bei der Unteren Denkmalschutzbehörde zu beantragen gewesen wäre. Es bliebe eine Abwägungsfrage. Wer aber nun zu verantworten hat, dass der tönerne Aufsatz vom Dach des Werkstattgebäudes, in dem derzeit noch ein metallverarbeitender Betrieb untergebracht ist, gesägt wurde, ist strittig. Das Gelände an der Mitterhofer-straße 7 sei dreigeteilt, erläutern Bernd Nunn und Thomas Feye, Geschäftsführer der Nunn-Gruppe für Wohnungsbau. Ihr Unternehmen habe vom Oberascher-Erben die beiden Parzellen gekauft - auf einer stand bis vor Kurzem die Villa; auf dem anschließenden, südlichen Grundstücksgebiet zur Schäuffeleinstraße hin soll im Auftrag des Sozialreferates die Flucht der angrenzenden fünfstöckigen Wohnbebauung an der Schäuffeleinstraße aufgenommen und um die Ecke zur Mitterhoferstraße fortgeführt werden. Dieses größere Süd-Areal hätten sie inzwischen an die Strabag AG weiterverkauft, sagt Nunn. Das Teilstück, auf dem die Glockengießerei steht, gehöre indes der Heimbau Bayern. "Zur Glockengießerei wollen wir keine Stellungnahme abgeben", heißt es dort aber kategorisch.

Nachbar-Investor Bernd Nunn legt Wert darauf, "dass von uns jedenfalls niemand den Auftrag gegeben hat zum Abbau des Glockenturms, auch wenn der in zeitlicher Nähe zum Abbruch der Villa auf unserem Grundstück stattgefunden hat". Grundsätzlich sei die Stadt auf sie als neuen Grundstückseigner mit der Bitte zugegangen, dort ein Mischprojekt mit etwa 75 Wohneinheiten samt Werkstätten und Lernräumen für Flüchtlinge mit humanitärem Bleiberecht, darunter Familien und unbegleitete Heranwachsene, zu bauen. Das Sozialreferat hält nach eigenen Angaben weiter an der Ausrichtung fest. Der Bauantrag ist der Behörde zufolge noch nicht eingereicht.

Bezirksausschuss-Chef Josef Mögele jedenfalls geht nach aktuellem Stand fest davon aus, "dass die Glockengießerei erhalten wird". Für den Fall stößt er gleich noch eine Tür auf: "Dann muss man diskutieren, was man damit machen kann." Er denkt dabei an eine "bürgerschaftliche Nutzung".

© SZ vom 01.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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