Laim:Ein Viertel feiert sich

Bei der Laimer Stadtteilwoche, die noch bis zum Donnerstag dauert, genießen die Bürger die kulturelle Vielfalt mit mehr als 100 Veranstaltungen vor ihrer Haustür

Von Andrea Schlaier, Laim

Ein starker Auftakt: Bereits zur Eröffnung der Laimer Stadtteilwoche am Freitagsabend bildet sich eine lange Schlange vor dem Zirkuszelt am Laimer Anger, wo Stefan Zinner und Constanze Lindner ihr Publikum kabarettistisch ergötzen. Bei bestem Festival-Wetter geht's auch in den nächsten Tagen so weiter - was man im kulturell nicht eben üppig bespielten Bezirk besonders zu genießen scheint. Die Besucher schlendern mit Kind und Kegel und dem Eis vom nahen Konditor in der Hand zwischen den Angeboten hin und her. An 17 Orten wird ihnen bis einschließlich Donnerstag, 2. Juli was geboten.

Motor der Gemeinschaft

Mit viel Engagement und professioneller Begleitung aus dem Kulturreferat hat der Bezirksausschuss den Motor angeworfen, damit sich möglichst viele Vereine und Initiativen finden, der Stadtteilwoche ein Gesicht zu geben. Denn in diesem Stadtbezirk ist es nicht so wie etwa bei den Nachbarn in Pasing, dass das kulturelle Spiel vor der Haustür zum festen Bestandteil des Lebens gehört. "Es ist aber auch nicht so", wirft Bezirksausschusschef und Gastgeber Josef Mögele (SPD) bei der Begrüßung am Freitagabend ein, "dass bei uns um 8 Uhr die Bürgersteige hochgeklappt werden". Aber ein derart üppiges Programm mit mehr als 100 Einzelveranstaltungen ist dann doch die Ausnahme. 137 Gruppen beteiligen sich daran. "Das ist gelebte Kultur", sagt Mögele. "Die braucht man für unsere Stadtgemeinschaft."

Tradition im Millionendorf

Die Münchner, hat Stadtbaurätin Elisabeth Merk angesichts der zunehmenden Verdichtung der anschwellenden Millionenstadt unlängst gesagt, würden halt gern im Dorf leben. Danach sieht es am Sonntagmittag zumindest zwischen Gotthard- und Agnes-Bernauer-Straße aus: Für eine halbe Stunde wird die Fürstenrieder Straße in diesem Abschnitt gesperrt, als mehrere Hundert Menschen in historischen Trachten und Uniformen oder schlichtweg im Trainingsoutfit des SV Laim vom Laimer Platz zum Laimer Anger ziehen. Mit dem großen Zug wird der Eingemeindung Laims nach München gedacht, die 115 Jahre zurückliegt. Die Kracher der Böllerschützen schrecken Kleinkinder zu Tränen.

Schlange stehen

Egal ob Kabarett, dramatische Blasmusik oder vertonte Wirtshaus-Sprüche: Die Schlange vor dem Zirkuszelt am Anger gehört zum festen Bestandteil der Stadtteilwoche. Wer keinen Platz mehr kriegt, lauscht an den offenen Zelt-Flügeln oder geht ein paar Schritte nach nebenan zum Kulturhäusl Interim, um etwa am Freitag einem A-Cappella-Crossover-Konzert zuzuhören. Die Stimmung scheint auch bei den Nachbarn bestens zu sein, die nicht immer verwöhnt werden mit Veranstaltungen auf dem Anger. Eine Familie grüßt vom Banner an ihrem Haus: "Stadtteilfest hui! Fischmarkt pfui!"

Jazz und ein Gartendrama

Zum erweiterten Stadtteilzentrum gehört am Sonntag das Gelände der Paul-Gerhardt-Kirche an der Mathunistraße. Den ganzen Tag über dringen unterschiedliche Känge aus dem Gemeindesaal. Das Musikzentrum Ohrwurm präsentiert hier eine beachtliche Zahl seiner hochkarätigen Musikanten. Beat, Soul, Rock und am späten Abend noch vorzüglicher Jazz mit "Sax Lesson", der eine eingeschworene Gemeinde andächtig lauscht. Saeko Takayama sitzt am Piano, improvisiert zusammen mit Valentin Bilefeld, Walter Weh und Stefan Krausen.

Etwa zur gleichen Zeit gibt es nicht weit entfernt ganz andere Töne, subversive. Da steht ein Gartenstadtneurotiker von einem Mann in einem sehr bayerisch zurecht gemachten kleinen Feier-Zelt inmitten der Schrebergarten-Kolonie der Bahn-Landwirtschaft an der Westendstraße. Er gurrt das "Rrrrr" so lange bis daraus "Rrrrrasen" wird, reißt einen Rasenmäher mit Motorengeheul nach oben, dass Elisabeth Weinzierl an der Querflöte neben ihm die Töne entlässt, die klingen wie ein aufgeschreckter Vogel-Schwarm. "Gartendrama in Laim" nennt der Landschaftsarchitekt Wolfgang Niemeyer die von ihm komponierte Performance, die dadaistisch zum herrlich skurrilen Ausreißer im Programm gerät, Original-Orchester inklusive: sechs Querflöten, zwei Rasenmäher und fünf Heckenscheren.

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