Sammlung:Münchner will privates Archiv über den Luftkrieg zum Museum machen

Sammlung: Gegen das Vergessen: Karlheinz Kümmel hält die Erinnerung an das zerstörte München wach.

Gegen das Vergessen: Karlheinz Kümmel hält die Erinnerung an das zerstörte München wach.

(Foto: Alessandra Schellnegger)
  • Karlheinz Kümmel besitzt die wohl umfangreichste Sammlung zum Luftkrieg in den Jahren 1940 bis 1945 über München.
  • Im Hochbunker an der Blumenstraße möchte er ein Museum einrichten.
  • Der Stadtrat entschied jedoch gegen seinen Antrag, jetzt sucht Kümmel nach Alternativen.

Von Birte Bredow

Der braungraue Holzkoffer hat während des Zweiten Weltkrieges stets im Gang einer Münchner Wohnung gestanden. Gefüllt mit dem Wichtigsten: Heiratsurkunde, Wäsche zum Wechseln, vielleicht ein paar Medikamente - alles, was die Bewohner bei Fliegeralarm in den Schutzraum mitnehmen wollten. Nun lagert er in einem Regal im Keller eines Mehrfamilienhauses in Laim.

Ein paar Gänge weiter liegt die historische Sirene vom Königsplatz auf im Original erhaltenen Luftschutztüren neben dem Auto von Karlheinz Kümmel. Er besitzt die wohl umfangreichste Sammlung zum Luftkrieg in den Jahren 1940 bis 1945 über München. Fast unbeachtet von der Öffentlichkeit bewahrt der 78-Jährige sie wenige Stockwerke unter seiner Wohnung auf - verteilt auf vier Räume und eine Tiefgarage. Doch das soll sich ändern: Er will sie der Allgemeinheit zugänglich machen, aus dem privaten Luftschutzarchiv soll ein Museum werden.

Doch so einfach, wie es erst einmal klingt, ist es nicht. Denn seit mehr als zehn Jahren sucht Kümmel nach einem geeigneten Ort für seine Ausstellung. Und er hatte sein Wunschobjekt auch schon gefunden: Der Hochbunker an der Blumenstraße, auch bekannt als "Blumenbunker", erschien ihm geeignet. Aufgrund der zentralen Lage und der historischen Funktion als Luftschutzeinrichtung erschein es ihm naheliegend, das Museum dort einzurichten. Der Bunker unterliegt zwar noch der sogenannten Zivilschutzbindung, das Kommunalreferat hat jedoch beschlossen, künftig eine öffentliche Nutzung zu erlauben. Am Tag des offenen Denkmals hatte Kümmel bereits zuvor in dem Gebäude Führungen angeboten und einen Teil seiner Sammlung gezeigt.

Und zunächst sah es gut aus für seinen Plan: "Der Bezirksausschuss Altstadt-Lehel hat voll hinter mir gestanden, mit allen Parteien", sagt Kümmel. Daraufhin reichte er verschiedene Vorlagen ein, zuletzt im Jahr 2014, unterstützt von der CSU. Aber der Stadtrat entschied sich dagegen und strebt stattdessen in Kooperation mit der Architekturgalerie ein "Haus der Baukultur" an. Es soll über die Planungsgeschichte Münchens informieren.

Kümmels Luftschutzarchiv könnte laut Beschluss des Kommunalausschusses vom September 2016 allenfalls ein Baustein davon werden. Bereits im vergangenen November veranstaltete die Architekturgalerie eine zeitlich begrenzte Ausstellung im Blumenbunker. Kümmel erfuhr davon aus der Zeitung. Er sei, beklagt er, nicht eingeladen worden, obwohl er viele der Veranstalter schon lange kennt. Seitdem ist er sich sicher: "Die wollen mich nicht."

Bernd Plank, Sprecher des Kommunalreferates, teilt mit, dass ein Luftschutzmuseum aus städtischer Sicht nicht unbedingt notwendig sei: "Das ist umfangreich im NS-Dokumentationszentrum mitverarbeitet." Zur weiteren Nutzung des Blumenbunkers könne er noch nichts Genaues sagen, da auch noch rechtliche Fragen zu klären seien. Unter Umständen könnte es notwendig werden, die Nutzung des Gebäudes auszuschreiben. Dann müsste sich auch die Architekturgalerie darum bewerben. Mit neuen Erkenntnissen ist laut Plank erst gegen Jahresende zu rechnen.

Interesse gibt es - außerhalb von München

Immer wieder muss Kümmel sich mit Militarismusvorwürfen auseinandersetzen. So warnt das Stadtarchiv in seiner Stellungnahme zur Nutzung des Luftschutzraums an der Blumenstraße vor einer "unerwünschten Bunker-Ästhetik". Die Vorbehalte versteht Kümmel nicht: "Das Museum soll nur dokumentieren, wie die Zivilbevölkerung Schutz suchte. Mit Krieg hat das nur indirekt zu tun." Es solle nicht nur die Fakten darstellen, sondern, so heißt es in der Stadtratsvorlage, "auch ein Lernort für Frieden sein". Kümmel selbst kam 1938 zur Welt und erlebte die Luftangriffe als Junge mit. Schon die Kleinsten lernten damals die unterschiedlichen Flugzeugmuster zu unterscheiden und das Risiko einzuschätzen. Noch heute besitzt er das kleine, mittlerweile zerfledderte Buch "Kriegsflugzeuge", das damals in den Kindergärten verteilt wurde.

Viel Platz in Kümmels Räumlichkeiten nehmen Ordner ein. Mehr als 300, einer neben dem anderen, sorgfältig von Hand beschriftet. Der 78-Jährige hat sie gefüllt mit Informationen zu Löschteichen, Kellern und Bunkern, mit Berichten zu Angriffen und Abstürzen. Mittlerweile hat er die Inhalte digitalisieren lassen. Damit ist er seit Jahren zu einer wichtigen Informationsquelle für Bauherren geworden. Sie wollen von ihm wissen, ob auf dem Grundstück Blindgänger liegen könnten. "Die Kampfmittelprüfung ist mein Hauptjob als Rentner", sagt Kümmel, der früher in der Wirtschaft tätig war. Auch verschiedene Filmproduzenten hat er schon beraten, darunter die Bavaria-Filmstudios für den Streifen "Der Untergang".

Zerstörtes München, 1945

Die zerbombte Theatinerstraße.

(Foto: SZ-Photo)

Wie er diese Daten für das geplante Museum aufbereiten könnte, dazu hat Kümmel auch schon eine Idee: Eine große München-Karte auf einem Tisch, bedeckt mit einer Glasscheibe, versehen mit kleinen Lämpchen in unterschiedlichen Farben für Hoch- und Tiefbunker sowie Orten von Einschlägen soll den Besuchern einen Überblick über die Auswirkungen des Luftkriegs auf die Stadt geben.

Außerdem will er Computer aufstellen, an denen jeder Bürger abfragen kann, ob sich beispielsweise seine Wohnung an einem Ort befindet, an dem vor Jahrzehnten eine Bombe einschlug. Die wenigen Quadratmeter, die ihm im "Haus der Baukultur" eventuell eingeräumt werden könnten, reichen für diese Pläne nicht aus. Außerdem bezweifelt er, dass das Projekt überhaupt so schnell realisiert wird: "Der Umbau kostet 2,5 Millionen Euro, das bekommen sie so schnell nicht zusammen."

Karlheinz Kümmel schaut sich deshalb mittlerweile nach Alternativen außerhalb der Landeshauptstadt um. Verschiedene Institutionen seien sehr interessiert an seiner Sammlung, mit dreien führe er konkrete Gespräche. Alle seien an ihn herangetreten, nicht umgekehrt: "Nur München will das totschweigen."

Unter Umständen wäre er auch bereit, seine Objekte aufzuteilen - zum Beispiel, die digitalen Unterlagen dem bayerischen Staatsarchiv zu geben und den Holzkoffer, die Sirene und all die anderen dreidimensionalen Exponate an ein Museum. Optimal findet er das nicht, besonders wenn die Exponate die Stadt verlassen müssten: "Es wäre schade, wenn es nicht München wäre." Aber noch wichtiger ist es ihm, sein "Lebensabschlusswerk in trockenen Tüchern" zu wissen.

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