Kurzkritik:Prächtig

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Das Jerusalem Quartet im Herkulessaal

Von Harald Eggebrecht, München

Seit gut zwanzig Jahren, es wurde 1993 gegründet, hat sich das Jerusalem Quartet (Alexander Pavlovsky, Sergei Bresler, Violinen; Ori Kam, Viola; Kyril Zlotnikov, Violoncello) zu einem der führenden Ensembles entwickelt. Auch der Wechsel an der Bratsche von Amihai Grosz zu Ori Kam 2011 hat am Klangcharakter wenig geändert, höchstens, dass die tieferen Register etwas mehr beachtet werden. Immer spielen diese Musiker mit Freude am runden, manchmal auch satten Ton, ohne je dicklich oder konturlos zu werden. Kantilenen genießen sie, rhythmische Pointierungen spitzen sie mit Lust zu, und selbstverständlich sind sie auf Klarheit, Transparenz und Intonationsgenauigkeit aus, ohne die heute kein Quartett von Rang auftreten könnte.

Im Herkulessaal standen Joseph Haydns "Reiterquartett" Op. 74, 3, die "fünf Stücke für Streichquartett" von Erwin Schulhoff und Robert Schumanns Op. 41, 3 auf dem Programm. Gleich bei Haydn zeigten die "Jerusalemer", dass Vitalität und Empfindlichkeit keine Gegensätze sind. Also befeuerten sie das Allegro, ohne das Tempo falsch zu überziehen, entfalteten sie das Seitenthema mit Schmelz und Witz. Das Largo assai boten sie bei aller Innigkeit doch als mehr extrovertierten Gesang, Menuett und Finale gelangen so punktgenau und impulsiv, dass danach erste Bravi ertönten. Erwin Schulhoffs fünf Stücke aus den Zwanzigerjahren sind fetzig-schräge Virtuosenmusik für ein Ensemble, das mit allen Wassern von Ironie, Schärfe und tieferer Bedeutung gewaschen ist. Wer da noch buchstabieren muss oder bedächtig erläutern will, ist verloren. Vom Walzer bis zur Tarantella müssen die Stücke in ihrer rhythmischen und melodischen Typologie mit größter Spannung ausgereizt werden, was hier geradezu lässig vorgeführt wurde.

In Schumanns letztem Quartett, er hat übrigens das ganze Opus 43 Mendelssohn gewidmet, zeigten die "Jerusalemer" alle Qualitäten modernen Quartettspiels nach ihrer Façon: Klangpracht ohne Verschwommenheit, Brillanz ohne solistische Aufdringlichkeit, Intensität des Gesprächs, Verständlichkeit der Phrasierung, Dichte der kammermusikalischen Kommunikation und Freude am feurigen Brio, das nicht nur das Finale aufbrausen ließ, sondern auch das Adagio mit Sehnsucht erfüllte. Als Zugabe ein unbegreiflich wehmütiges Andante des frühen Mozart: bewegend.

© SZ vom 25.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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