Kurzkritik:Ohne Marotten

Das "Kari Ikonen Trio" fasziniert in der Unterfahrt

Von Ralf Dombrowski

Der Tango kommt zur Zugabe, nicht wirklich ernst gemeint und daher auch mit Melodika gespielt. Ganz will ihn Kari Ikonen nicht weglassen, schließlich gehört er irgendwie, wenn auch klischeehaft, zum Finnisch-Sein dazu. Darüber hinaus aber ist für ihn sein Trio mit dem armenischen, in Estland lebenden Bassisten Ara Yaralyan und seinem trommelnden Landsmann Markku Ounaskari weit über die regionalen Prägungen hinaus der eigentliche Bezugspunkt. Denn so sehr Ikonen einerseits stilistisch autark agiert und am Klavier ungewöhnlich komplexe, zugleich harmonisch und melodisch ansprechende Klangwelten entwirft, so klar ist er auch von der Kommunikation mit seinen Partner abhängig, die ihn in der Musik weiterführt und eigentlich erst so einfallsreich agieren lässt, wie er es tut.

Markku Ounaskari etwa ist ein sensibel agierender Schlagzeuger. Leise spielen ist für ihn nicht das Gegenteil von laut, sondern ein feindynamisch, nuancenreich abgestimmtes Ausdrucksspektrum, bei dem jeder Schlag ästhetisch Sinn macht. Steigerungen wiederum sind echte Charakteränderungen, nicht nur die Zunahme der Wucht, entwickelt im Wechselspiel der Impulse mit den Bühnenpartnern. Ähnliches gilt für das Bassfundament von Ara Yaralyan. Er begleitet einerseits auf beiläufige Weise pointiert, gibt aber gleichzeitig ständig melodische Möglichkeiten und Akzente vor, die mit Klavier und Schlagzeug anregend interagieren. Man merkt dem Kari Ikonen Trio in der Unterfahrt einfach an, wie die Musiker aufeinander hören, und diese Aufmerksamkeit überträgt sich wiederum auf das Publikum, das trotz Club-Ambiente und lockeren Ansagen gebannt dem Geschehen lauscht.

Kari Ikonen selbst ist ein Souverän des Vieldeutigen. Er spielt mit der kammermusikalischen Vielschichtigkeit zeitgenössischen Improvisierens, knüpft an Impressionistisches ebenso an wie an harmonisch Abstraktes, spielt mit Assoziationen oder lässt sich von armenischen und indischen Melodien inspirieren, um diese klangliche Opulenz letztlich in modern phrasierender Klarheit zu verdichten. Damit ist er weit vorne im Verständnis jazzmusikalischer Gegenwart, ein Avantgardist ohne Marotten, der auf lockere und intellektuell ungezwungene Art die Form des Klaviertrios zwar nicht revolutioniert, ihr aber eine eigene Richtung gibt.

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