Kurzkritik:Lust am Spiel

Die Pianistin Claire Huangci brilliert in der Residenz

Von Ekaterina Kel

Der Ruf des Wunderkindes schwebt über ihr: Claire Huangci, Jahrgang 1990, amüsierte sich am vergangenen Montag an den Tasten eines Fazioli-Konzertflügels in der Allerheiligen-Hofkirche. Dabei ließ sie ihren schwarzen Bob im Wahnsinnstempo ihrer flinken Finger schaukeln. Hinter den filigranen Gliedern nämlich steckt mächtig viel Kraft, mit der die junge Pianistin unvergleichbare Tonkaskaden und -bögen erzeugte. Ihre Töne setzt sie akkurat und lässt sie trotzdem wie selbstverständlich ineinander fließen.

Claire Huangci präsentierte die volle Ladung der Virtuosität, die ihr nachgesagt wird. Bereits mit 19 Jahren galt die Arie-Vardi-Schülerin als talentierteste Chopin-Interpretin ihrer Generation und gewann erste Preise in Klavierwettbewerben in Darmstadt, Zürich und Miami. Sie ist hervorragend, ja, aber was wirklich beeindruckt, ist die Leichtigkeit, die sie beim Spiel ausstrahlt. Ihr feinsinniges Gespür für Dynamik, differenzierte Rhythmik und Intonation hilft ihr durch die barock-verspielten Sonaten Scarlattis, die sie wie kleine Übungen zum Austoben am Anfang gibt. Schließlich muss sie ihre Finger, die wie selbständige Wesen über die Klaviatur kullern, bei Laune halten. Mit der Sonate Nr. 2 b-Moll von Chopin bewegt sich ihre Darbietung an die Grenze zur Wahnwitzigkeit. Manch einer im Publikum schüttelt den Kopf - vor den unfassbar stürmischen Tonabfolgen, die Huangci produziert. Denn es ist gerade der Sturm, der ihr liegt.

Das gesamte Programm schmeichelt ihren Stärken und verbirgt eine heimliche Unausgereiftheit, die sich zu Anfang der "Tannhäuser"-Ouvertüre von Liszt zeigt. Der technisch versierten Huangci scheint die Musikalität der Ruhe und des Pathos' noch fremd zu sein. Bei Schuberts Impromptus in f-Moll lässt sie das Lyrische zwar mehr zu, aber auch hier stehen ihr die Allegros viel besser. Erst mit zunehmendem Tempo bekommt auch ihr Spiel seine einzigartige Elastizität zurück. Die Virtuosin verdiente sich trotzdem einen andächtigen Applaus .

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