Kurzkritik:Juvenile Strahlkraft

Gustavo Dudamel und das BR-Symphonieorchester

Von Klaus P. Richter

Wenn junge Dirigiergenies kommen, die schon als Kandidaten für die Berliner Philharmoniker gehandelt werden, dann steigt die Spannung Philharmonie im Gasteig. Wobei das erste Werk aber vor allem die Lautstärke steigen ließ. Der charismatische Venezolaner Gustavo Dudamel wollte uns nämlich mit "City Noir" von John Adams das Ambiente zwischen den "Film noires" der vierziger Jahre und Los Angeles als "Naked city" vorführen. Denn dort ist er seit 2009 Musikdirektor des Philharmonic Orchestra. Dort hat er auch die Uraufführung des Werks dirigiert, das meistens zu laut und bestimmt zu lang war. Adams hat sich nämlich von seinem Minimal-Music-Idiom radikal entfernt und frönt jetzt grellen Mixturen zwischen Gershwin, Bernstein, Strawinsky und Jazz. Immerhin blühen aber inmitten von schrägem Blech-Forte-Taumel, unruhigen Streicher-Staccati und knalligem Schlagwerkdonner ein paar poetische Episoden auf, die etwas von Edward Hoppers hintergründiger Bilder-Melancholie beschwören. Dazu gab es Saxophonsoli (Timothy McAllister) und den rauen Charme der Trompeten-, Posaunen- und Horn-Einlagen mit den glänzenden Bläserprofis aus dem hochmotivierten Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks.

Woher Dudamel aber seinen Genieruf hat, demonstrierte er dann bei Beethovens siebter Sinfonie. Heute kaum noch mit ihrem heroischen Napoleon-Umfeld konnotiert, ist sie wegen ihrer rhythmischen Prägnanz als "Apotheose des Tanzes" (Richard Wagner) zu einer Ikone klassischen Formwillens geworden. Aber Dudamel verfällt keinem Klischee. Er gestaltete mit juveniler Strahlkraft und authentischer Sensibilität, aber präzisem Schlag genau das, was Beethoven dazu äußerte: dass die Harmoniewechsel "wirkliche Veränderungen in jedem Hörenden hervorbringen". Das gelang ihm nicht nur im enthusiastischen Forte, sondern auch als beseeltes Piano, besonders in der feinen Polyphonie des Streichquartetts im "Trauermarsch"-Allegro und sogar in der Trio-Lyrik mitten im entfesselten Presto des dritten Satzes und dem Übergang zur Reprise im heißen Brio des Finalsatzes. Lange Beifallsstürme.

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