Kurzkritik:Inszenierung

Hansjörg Albrecht mit der Matthäus-Passion

Von Barbara Doll

Die Sache mit dem Karfreitag und der Matthäus-Passion ist schon "reichlich absurd", wie Dirigent Hansjörg Albrecht mal in einem Interview sagte. Man applaudiert, man trinkt Sekt in der Pause. Der Saal ist zu groß für das Stück - und zu weltlich obendrein. Andererseits ist das Konzertritual selbst zu sakrosankt, um hinterfragt zu werden. Vor allem, wenn man das Drama so akribisch inszeniert wie Albrecht. Und wenn sich das Publikum so ernsthaft anrühren lässt.

Die Zentralfiguren dieser Passion mit Münchener Bach-Chor und Bach Collegium München stehen in der Mitte; vor und hinter dem Cembalo: Dirigent Hansjörg Albrecht, mit Blick und Geste vom Cembalo aus alles kontrollierend und gestaltend. Evangelist ist Alexander Kaimbacher, der Rolando Villazón ähnlich sieht und jeder Silbe Bedeutung abringt. Das wirkt erst überdramatisiert, überzeugt dann aber: Kaimbacher legt seinen Evangelisten ganz aufs körperlich-seelische Nachempfinden an. Angemessen opernhaft. Er ist durchgestreckt von Kopf bis Fuß, es darf ihn auch mal beuteln vor Abscheu, und seine Stimme erfüllt all die Nuancen mühelos. Extrem scharfe Artikulation verbindet er mit Leichtigkeit, seine Stimme wird in der Tiefe nicht starr, in der Höhe nicht eng.

Albrecht betont das Wort als Träger einer universalen Geschichte mittels musikalischer Rhetorik: Kadenzen, Vorhalte, Pausen, Dialoge. Der Bach-Chor - im ersten Teil mit Domsingknaben und Mädchenkantorei - überzeugt mit Genauigkeit und Flexibilität. Seidig und leicht beginnen sie "Wenn ich einmal soll scheiden"; als Albrecht es noch fragiler will, bekommt er einen berückenden, halb verwehten Klangtraum.

Der Dirigent konzentriert sich auf die dramatische Wirkung von Schlüsselstellen, ihm geht es nicht um mehrstündige Überwältigung. Das Orchester liefert klare Linien, vibratoarm, warm und durchhörbar. Sopranistin Sophie Klußmann, anfangs unterkühlt, gelingt ein warm timbriertes "Er hat uns allen wohlgetan"; Altistin Ann-Beth Solvang formt ein sanftes, empathisches "Erbarme Dich". Auch solide, aber nicht herausragend: Martin Platz mit klarem, offenem Tenor; Franz Hawlata (Christus) und Nikolay Borchev mit voluminösem Bass.

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