Kunsthandwerk:Güldener Stolz

Nach alter Väter Sitte lässt Kunstschmied Ludwig Nüssel das traditionsreiche Zunftzeichen für "Hut Breiter" neu entstehen. Und die beiden ehrenwerten Handwerksbetriebe verbindet noch mehr

Von Johannes Korsche, Altstadt/Au

Mit einem Hut setzt man immer einen Akzent, davon ist Alexander Breiter, Chef von Europas größtem Hutladen, überzeugt. Da ist es nur konsequent, dass ein Traditionsgeschäft wie "Hut Breiter" an der Frauenkirche auch einen Akzent in der Fußgängerzone setzen sollte. Eingeklemmt zwischen H&M und C&A und deren uniformen Ladenschildern, schmückt deshalb nun seit Freitag ein wieder vergoldeter Zylinder die Kaufingerstraße. Ein Rückgriff auf das traditionelle Zunftzeichen der Hutmacher, denn der neue Hingucker orientiert sich an dem früheren Ladenschild, das an gleicher Stelle bis zu einem Fliegerangriff während des Zweiten Weltkriegs in die Straße ragte.

Den ersten Entwurf reichte die Familie Breiter vor mehr als 25 Jahren bei der Stadt ein, doch damals durften sie nicht. Um so mehr freut sich Alexander Breiter jetzt über den "Wow-Effekt" vor seinem Hutladen. Und jede von Passanten geäußerte Begeisterung hallt auch in der Werkstatt des Kunstschmieds und Schlossers Ludwig Nüssel nach. Denn dort ist der "Ausleger mit Zunftzeichen", wie man das Ladenschild eigentlich korrekt bezeichnen müsste, in gut 250 Arbeitsstunden entstanden. Einzig die Veredelung mit einer Goldschicht übernahm der mit Nüssel befreundete Vergolder Manfred Bleninger. Ansonsten wurde jedes noch so filigrane Detail in dem Hinterhof an der Nockherstraße in glühendes Eisen getrieben. Mit Hand- und Muskelarbeit, mit Hammer und Zange. "Das kam alles aus dem Feuer", sagt Nüssel. Sein Vater hatte bereits Ende der Neunzigerjahre den ersten Entwurf für den neuen Ausleger zu Papier gebracht, jetzt brachte Nüssel junior diese Arbeit zu Ende. Und ist stolz darauf: "Ein Zunftzeichen ist etwas Besonderes, ein i-Tüpfelchen."

Kunsthandwerk: Sinn für Tradition: Kunstschmied Ludwig Nüssel (links) zeigt in seiner Werkstatt Alexander Breiter das neue Zunftzeichen samt Zylinder.

Sinn für Tradition: Kunstschmied Ludwig Nüssel (links) zeigt in seiner Werkstatt Alexander Breiter das neue Zunftzeichen samt Zylinder.

(Foto: Stephan Rumpf)

Wie bei Ludwig Nüssel kommt auch im Hause Breiter alles handgefertigt aus der eigenen Werkstatt - schon allein deshalb wollte der Hutmacher kein von Maschinen gefertigtes Ladenschild mehr: "Wenn wir das jetzt nach so langer Zeit machen dürfen, dann machen wir es doch lieber gescheit." Überhaupt gibt es mehrere Parallelen zwischen den Nüssels und den Breiters. "Nach Schmied ist Hutmacher wohl der heißeste Beruf", sagt Breiter. Wie Eisen lasse sich auch Filz nur mit enormer Hitze in die gewünschte Form bringen. Eine weitere Parallele ist das individualisierte Werkzeug. In Nüssels Werkstatt hängen Dutzende Hämmer. "Jedes Projekt braucht einfach ein bestimmtes Werkzeug", erklärt der Kunstschmied. Manchmal muss er den für einen speziellen Zweck gebrauchten Hammer erst selbst noch herstellen, und alle hängen sie irgendwann an der Werkstattwand. "Auch bei uns gibt es ganze Räume voller handgeschnitzter Holzformen für die Fertigung", sagt Breiter. Dass diese beiden Münchner sich gefunden haben, ist wohl kein Zufall.

Beide Betriebe sind zudem seit ihrer Gründung in Familienhand. Nüssels Urgroßvater gründete 1922 die Schlosserei und Kunstschmiede, Breiters Ururgroßvater Adalbert Breiter war knapp 60 Jahre früher dran. Wenngleich sein Laden nicht von Anfang an in München war: Als Adalbert Breiter im Jahre 1863 den Hutladen eröffnete, bestimmten noch die Zünfte, wo er sein Geschäft zu gründen hatte. Die Firmengeschichte beginnt deswegen in Rott am Inn. Doch als der Einfluss der Zünfte schwand, zog Adalbert Breiter nach Rosenheim. Sein jüngster Sohn, ebenfalls ein Adalbert, war er es dann, der schließlich nach München zog. Natürlich in die damals beste Lage - nahe des Hauptbahnhofs an der Dachauer Straße. Eben dort, wo die feinere Gesellschaft mit dem Zug in München ankam und ihren Einkaufsbummel begann. "Heute finden sich in diesem Haus unsere Produktion und das Lager", sagt Alexander Breiter.

Kunsthandwerk: Für jeden Zweck: In der Schmiede hängt selbstgefertigtes Werkzeug an der Wand.

Für jeden Zweck: In der Schmiede hängt selbstgefertigtes Werkzeug an der Wand.

(Foto: Stephan Rumpf)

Breiters Urgroßvater muss einen besonders guten Riecher für lohnende Geschäfte gehabt haben. Denn als er 1918, im Ersten Weltkrieg verwundet, im Lazarett neben einem Münchner Wirt aufwacht, hat er eine Idee. "Noch im Lazarett hat er das Haus von dem Wirt gemietet", erzählt Alexander Breiter, "damals haben alle gesagt, der ist verrückt, da wird nie jemand einkaufen, da wird doch eh nur gesoffen." Die Kaufingerstraße änderte über die Jahre ihren Charakter, aus der Wirtshausmeile wurde eine der umsatzstärksten Einkaufsstraßen Deutschlands. Und im kommenden Jahr feiert der Hutladen an eben diesem Platz sein 100-jähriges Bestehen.

Auch die Mode veränderte sich mit der Zeit. "Bis zum Zweiten Weltkrieg hat ein Hut einfach dazugehört", weiß Alexander Breiter. Damals galt: "Ohne Hut ist wie ohne Hose." Doch die studentische Protestbewegungen der Nachkriegsjahre lehnte den Hut als Zeichen der Bürgerlichkeit ab: "In dieser Zeit haben viele Hutmacher zugesperrt." Nicht so der "Hutmacher am Dom". Auch weil die Kundschaft aus der ganzen Welt kam. Michael Jackson hat dort Hüte gekauft, Michail Gorbatschow seine Pelzmützen. Und Thomas Gottschalk brauchte drei, vier Stunden für die Wahl der richtigen Kangol-Kappe. "Die hat er dann falsch herum gesetzt", erinnert sich Breiter, "und innerhalb kürzester Zeit einen Trend ausgelöst".

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: