Kunstfehlerprozess gegen Arzt:Operation endet im Rollstuhl

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Es war ein höchst komplizierter und riskanter Eingriff, der für einen Münchner Unternehmer schwerwiegende Folgen hatte. Seit 13 Jahren sitzt der Mann im Rollstuhl. Jetzt muss ein Gericht klären, ob Klinik und Arzt Fehler gemacht haben.

Von Ekkehard Müller-Jentsch

Es ist eine Krankheit, wie eine tickende Zeitbombe: Jederzeit konnte die Hauptschlagader im Brustkorb von Karl W. platzen. Auf Anraten eines angesehenen Münchner Gefäßchirurgen unterzog sich der damals 65-jährige Unternehmer einem höchst komplizierten und durchaus riskanten Eingriff.

Bei dieser Operation am offenen Brustkorb wurde die große Körperschlagader weitgehend durch Kunststoff-Prothesen ersetzt. Die ständige Gefahr, innerhalb kürzester Zeit innerlich zu verbluten, war damit zwar gebannt. Doch Karl W. muss dafür einen hohen Preis bezahlt: Er sitzt seit nun 13 Jahren querschnittsgelähmt im Rollstuhl. Haben die Ärzte bei der aufwendigen OP damals Fehler gemacht? Darum wird nun vor dem Landgericht München I gestritten.

Der ehemalige Inhaber einer Büromaschinen-Firma, die inzwischen bankrott ist, litt unter einem Aneurysma: An manchen Stellen dehnte sich die große Körperschlagader wie ein Luftballon aus und drohte zu zerreißen. An einer Stelle, nahe der Herzklappe, wäre das fast schon einmal passiert. Damals konnte der bekannte Herzchirurg Professor Bruno Reichart den Mann in einer großen Notfalloperation mit Hilfe einer Herz-Lungen-Maschine retten.

Als sich weitere Teil der Aorta ebenso gefährlich aufzublähen begannen, riet ein anderer Professor zur erneuten Operation, bevor es wieder zum Notfall kommen würde. Dieser Arzt operierte, allerdings ohne die Maschine, im sogenannten clamp-and-repair-Verfahren. Rechtsanwalt Michael Feuerberg wirft Klinik und Arzt nun in seiner Klage vor, dass dieser komplexe Eingriff zu lange gedauert habe.

Deshalb sei das Brust-Rückenmark nicht ausreichend durchblutet worden - das habe zur Querschnittslähmung geführt. Der Operateur habe seinen Patienten zudem nicht über das Risiko aufgeklärt, im Rollstuhl zu landen. Und vor allem habe er ihn auch nicht über alternative Methoden aufgeklärt.

Der vom Gericht bestellte Sachverständige, ein angesehener Gefäßchirurg aus Marburg, nennt das von seinem Münchner Kollegen gewählte Verfahren in seinem Gutachten "grenzwertig", trotzdem aber "lege artis" - also den Regeln der ärztlichen Kunst und dem Können des Arztes entsprechend.

"Patienten verdrängen das oft"

Mit der Herz-Lungen-Maschine habe man jedoch mehr Zeit bei diesem komplizierten Eingriff und das Riskio der Querschnittslähmung sei geringer. Der Einsatz der Maschine berge dagegen andere Risiken in sich. Und auch er hätte dem Patienten zu einer Operation geraten, die Indikation sei also richtig gewesen.

Der beklagte Münchner Arzt, inzwischen im Ruhestand, erklärte die Problematik einer solchen OP aus Sicht des Mediziners: "Ich weiß nicht, was ich vorfinde - das ist wie einer Wundertüte." Man habe mit der von ihm gewählten Methode aber bessere Erfahrungen gemacht, als mit der Herz-Lungen-Maschine. Und natürlich habe er seinen Patienten über das Lähmungs-Risiko entsprechend aufgeklärt. "Aber Patienten verdrängen das oft."

Da nach den Ausführungen des Gutachters bei der OP offenbar kein grober Behandlungsfehler passiert ist, konzentriert sich das Gericht nun auf die Aufklärung, ob etwa die Herz-Lungen-Maschine als Alternative angesprochen worden sei. Da der klagende Patient derzeit in einer Klinik behandelt wird, konnte er dazu aber noch nicht befragt werden - das Verfahrern wurde vertagt.

© SZ vom 25.01.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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