Kunstfahnder des Landeskriminalamts München:Meisterwerke mit Makel

Picasso, Gauguin, Manet: Gefälscht wird, was potenziellen Kunden gefällt. Drei Typen von Kunstfälschern gibt es - und sie kommen erstaunlich oft mit geringen Strafen davon. Dabei müssen die Kunstfahnder des Landeskriminalamts zur Überführung viel Bauchgefühl aufbringen.

Florian Fuchs

Kunstfahnder des Landeskriminalamts München: Skeptischer Blick: Kunstfahnder Franz Weber neben einer Fälschung - das Bild soll ein Werk von Roy Lichtenstein darstellen.

Skeptischer Blick: Kunstfahnder Franz Weber neben einer Fälschung - das Bild soll ein Werk von Roy Lichtenstein darstellen.

(Foto: Robert Haas)

Es ging um Werke von Picasso, Gauguin und Manet, zumindest sah es der Angeklagte so. Im Raum stand eine Summe von mehr als 30 Millionen Euro, die der selbsternannte Kunstsammler aus der Nähe von Rosenheim für all die Bilder einstreichen wollte. Im vergangenen Jahr jedoch verurteilte ihn das Landgericht Traunstein zu zwei Jahren Freiheitsstrafe auf Bewährung: Die Kunstwerke, so bewerteten es Richter, Ermittler und Sachverständige, waren gefälscht.

Dieter Sölch erinnert sich noch gut an die Ermittlungen. Wenn der Kunstfahnder des Landeskriminalamts München heute über den Fall dieses ziemlich dreisten Sammlers aus Oberbayern erzählt, der ihn so lange beschäftigt hat, dann kann er auch ein bisschen schmunzeln. "Das war schon eine verrückte Geschichte", sagt er. Jahrelang hat Sölch ermittelt, immer wieder ist er neuen Spuren nachgegangen. Er hat Zertifikate als Fälschungen entlarvt, er hat Fachleute aus ganz Europa kontaktiert, er hat Röntgenuntersuchungen der angeblichen Meisterwerke veranlasst, er hat Farbpigmente analysieren und Papier auf seine Herstellungszeit datieren lassen. Es ist ein Lehrstück, wie die Arbeit eines Kunstfahnders funktioniert. Und es ist ein Lehrstück darüber, wie ein Betrüger, der mit gefälschter Kunst Millionen kassieren will, über das Strafmaß am Ende milde lächeln kann.

"Kunstfälschung ist so alt wie die Kunst selbst", sagt Franz Weber, im Sachgebiet 622 des Landeskriminalamts ist er der Chef von Kunstfahnder Sölch. Betrüger gab es schon bei den Ägyptern, Griechen und Römern, ihre Nachfahren werfen heute Fälschungen von Erich Heckel, Emil Nolde, Max Pechstein oder Gabriele Münter auf den Markt. Das sind Namen, die in den Ermittlungsfällen des LKA in den vergangenen Jahren oft eine Rolle spielten. "Grundsätzlich wird gefälscht, was sich großer Nachfrage erfreut", sagt Weber.

Drei Täter-Typen beschäftigen die Ermittler

Die Täter lassen sich in drei Gruppen unterscheiden: Da sind zum einen die Kleinkriminellen, die über das Internet und gerne auch mal über Ebay Gemälde anbieten und den Eindruck erwecken, es handle sich um Originale. Die Zahl dieser Fälle steigt. Dann gibt es die Genies, die Bilder großer Meister selbst fälschen, und zwar so perfekt, dass sie selbst anerkannte Sachverständige für echt befinden - so etwas gibt es nur alle Jahrzehnte mal. Und dann gibt es "die gewieften Betrüger", wie sie Franz Weber nennt. Sie beschaffen sich Bilder, die der Handschrift bekannter Künstler ähneln, sie protzen mit Zertifikaten, um die Echtheit der Werke zu beweisen. Und sie erfinden Geschichten, um die Herkunft zu verschleiern. Ein Gemälde wird da schnell mal zu einer bislang unentdeckten Vorstudie, oder das Werk war angeblich lange verschollen und ist nun überraschend in einer Erbschaft aufgetaucht.

Der Sammler aus dem Kreis Rosenheim gehört zur letzten Gruppe. Er hatte schon einige Jahre Ärger mit den Fahndern, bevor er Sölch im Sommer 2008 in die Falle ging. Der Betrüger hatte über einen Vermittler in einer Zeitung eine Anzeige geschaltet. Sölch setzte einen verdeckten Ermittler auf den Fall an, der sich mit dem Sammler in einem Hotel in Ingolstadt traf. Der Mann fuhr im Kleinwagen vor, im Kofferraum hatte er einige Gemälde, für die sich die Parteien rasch auf einen Preis von knapp 2,5 Millionen Euro einigten. Dann gab sich der Ermittler zu erkennen. Beschlagnahmungen, eine Hausdurchsuchung, noch mehr Beschlagnahmungen waren die Folge. Nun begann für Sölch die Arbeit erst so richtig.

Entlarvung mit dem Bauchgefühl

Die Münchner Kunstfahnder haben eine Datenbank über Fälschungen und Fälscher aufgebaut, die sie zu Rate ziehen können. Sie haben aber dank ihrer Berufserfahrung auch eine Menge Wissen über Kunst und deshalb oft ein Bauchgefühl, was die Echtheit eines Bildes anbelangt, wenn sie Kunstwerke betrachten.

Vor Gericht brauchen sie trotzdem Expertisen von Fachleuten. Und da gibt es zwei Wege, Fälschungen zu entlarven: eine naturwissenschaftliche und eine stilkritische Bewertung der Kunstwerke. Das Problem ist nur: Endgültige Beweise gibt es selten, und selbst wenn - dann müssen es die Ermittler auch noch schaffen, dem Sammler zu beweisen, dass er um die Fälschungen wusste. Er wird sich meist darauf berufen, selbst geglaubt zu haben, Originale zu verkaufen.

Bei der stilkritischen Begutachtung beauftragen die Ermittler Kunsthistoriker damit zu überprüfen, ob das Werk dem Stil des zugeschriebenen Künstlers entspricht. Stimmt die Pinselführung? Die Anatomie der Figuren? Wie ist das Werk aufgebaut? "Das ist natürlich immer eine subjektive Sache", sagt Sölch. Der Fahnder hat schon einen Fall erlebt, in dem die Sachverständige im Gerichtssaal plötzlich ihre Meinung änderte und doch nicht mehr ausschließen wollte, dass es sich bei einem Werk um ein Original von Gabriele Münter handelt. "Da bleibt dir dann als Ermittler der Mund offen stehen", sagt Sölch.

Berühmte Fälschungen im Holiday Inn

Original oder Fälschung? Das Porträt "Dr. Gachet" von Vincent van Gogh existiert in beiden Versionen - hier ist letztere zu sehen.

(Foto: dpa)

Wichtig sind deshalb auch die naturwissenschaftlichen Methoden, um möglichst viele Indizien zu sammeln und so den Betrüger zu überführen. Unter den Gemälden aus dem Raum Rosenheim etwa befand sich ein Werk mit einer Pariser Stadtszene, angeblich von Édouard Manet aus dem Jahr 1870. Das Bild sollte 9,6 Millionen Euro wert sein. Dieter Sölch ließ es gleich in mehrfacher Hinsicht testen. So ergab eine Röntgenuntersuchung, dass unter dem Gemälde auf der Oberfläche das Porträt eines alten Mannes und eine Schale mit Blumen zu sehen ist. Die Motive wurden offenbar übermalt. "Es war ein starkes Indiz, dass das Bild kein Original ist", erläutert Sölch, "Manet war zu dieser Zeit so bekannt und wohlhabend, dass er keine gebrauchten Materialien benutzte."

Sölch ließ aber auch die weißen Pigmente auf dem Bild überprüfen. Es stellte sich heraus, dass die Farbe aus Titanweiß bestand - einem Material, das es frühestens von 1910 an gab. Ein angeblich altes Echtheitszertifikat aus Paris war mit Tintenstrahldrucker gefertigt. Und mit einer Zeichnung, die angeblich von Picasso stammt, ging der Ermittler zu einem Fachmann nach Dresden. Der Spezialist erkannte anhand von bestimmten Markierungen, dass das Papier mit Walzen hergestellt wurde, die erstmals 1962 in Betrieb gingen - das Werk hätte aus den Fünfzigerjahren sein sollen.

Ein Stempel brandmarkt die Fälschung

Das Amtsgericht Rosenheim hatte den Sammler der gefälschten Meisterwerke im Juni 2010 zu drei Jahren Gefängnis verurteilt. Das Landgericht Traunstein setzte das Strafmaß später herab. Es war ein Deal zwischen Staatsanwaltschaft und Verteidigung: geringere Strafe gegen Geständnis. Kunstfälscher kommen erstaunlich oft mit einem geringen Strafmaß davon, weil die Taten so schwer nachzuweisen sind. Die Täter können wegen Urkundenfälschung und Betrug belangt werden, einen eigenen Straftatbestand Kunstfälschung gibt es nicht.

Viel wichtiger als das Strafmaß ist den Kunstfahndern des Landeskriminalamts aber ohnehin, dass der vermeintliche Kunstsammler nun ein ganz anderes Problem hat: All die gefälschten Gemälde sind aus dem Verkehr gezogen worden. Ein Teil kommt per Verfügung des Gerichts in die Lehrmittelsammlung, den anderen Teil bekommt der Sammler zurück - allerdings mit einem Stempel, der die Werke als Fälschungen kennzeichnet.

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