Kunst-Wettbewerb:Reifrock und Wespentaille

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Rita McBrides Skulptur "Mae West" wäre ein mutiges Signal für den städtebaulichen Aufschwung.

Birgit Sonna

Sie wirkt durch und durch ätherisch, hat einen Reifrock um ihre Wespentaille geschnallt und ist auch sonst von ansprechend schlank gewachsener Gestalt. Für "Mae West", eine von Rita McBride entworfene skulpturale Figur, hat die Kunstkommission der Landeshauptstadt München unlängst ihre nachdrückliche Empfehlung ausgesprochen.

Rita McBrides Entwurf für den Effnerplatz. (Foto: teamwerk-architekten)

"Mae West" soll als neues markantes Stadtzeichen am Effnerplatz postiert werden. Im Rahmen eines internationalen Kunst-Wettbewerbs, der um das Tunnelbauprojekt "Mittlerer Ring Ost" ausgeschrieben wurde, konnte sich die amerikanische Künstlerin (wie in Teilen unserer Auflage gestern berichtet) gegenüber Teilnehmern wie Gelatin, Dennis Oppenheim oder Thomas Schütte durchsetzen.

Aus gekreuzten Stäben gebildet, ergibt die zum Himmel kreisförmig geöffnete "Mae West" die geometrische Figur eines hyperbolischen Paraboloiden. Attraktiv ist sie, keine Frage. Allerdings ist die wie eine Tänzerin beschwingte Gitterdame nicht gerade klein.

60 Meter sind kein Pappenstiel, auch wenn es sich um eine denkbar unmonumental gehaltene Skulptur handelt. Und so wurde Montag Abend die Stadtgestaltungskommission ins Rathaus einberufen, auf dass diese von ihrem Vetorecht Gebrauch machen könne.

Oberbürgermeister Christian Ude, alarmiert von der schieren Höhe der Skulptur, wollte im Vorfeld der Planungen eine inhaltliche Diskussion anberaumt wissen. Immerhin greife "Mae West" empfindlich in die Silhouette der Stadt ein, würde sich gar vor wichtige Architekturmonumente stellen. Eine Befürchtung, die von der Mehrheit nicht geteilt wurde. Schließlich stimmten 12 von 20 Mitgliedern der Stadtgestaltungskommission für eine Realisierung.

Rita McBride, 1960 in Des Moines geboren, legt nicht zum ersten Mal einen gewagten architekturbezogenen Entwurf für den öffentlichen Raum vor. In der Sitzung entbrannte denn auch eine ungemein beherzte und fast ausnahmslos unpolemisch geführte Diskussion um die Relevanz der gerüstartigen Großskulptur an diesem Ort.

Offenbar fordert die nicht eindeutig mit symbolischen Inhalten zu belegende Skulptur die Interpretations- und Streitlust heraus. Umso mehr, als die abstrakte Form ähnlich wie ein Obelisk eine eher zeitlos typologische Markierung im Stadtbild darstellen könnte. Die meisten Einwände konnten bis auf noch zu prüfende Detailfragen zu Baurecht, Schattenwurf und Materialität zerstreut werden.

Stadtheimatpfleger Gert F. Goergens, einer der vehementesten Kritiker des Kunstprojekts, bezweifelte, ob ausgerechnet die "Konkurrenz der Skulptur mit der Hochhaussilhouette des Arabellaparks" richtig oder überhaupt möglich sei. Widerredner Ludwig Wappner wies eindringlich auf die besonders disparate städtebauliche Situation am Effnerplatz hin.

Einfamilienhäuser, 60 bis 100 Meter hohe Hochhäuser und die Zitterbebauung am Rande bestimmen den unwirtlichen Gesamteindruck: "Figürliche Arbeiten wie etwa ein von Thomas Schütte vorgeschlagenes Ensemble würde an dieser Stelle nur verbrennen". Und auch Konrad Wohlhage teilte die Hoffnung, dass sich mit McBrides Skulptur "die Kraft des Effnerplatzes bündeln, ein Magnet schaffen" ließe.

Am Ende waren es entgegen anfänglicher Befürchtungen vor allem die Architekten in der Stadtgestaltungskommission, die sich mit Verve für Rita McBrides gleichermaßen futuristisch wie elegant in ihr Umfeld einschraubende Figur aussprachen "In einem Zirkel von Hochhäusern wäre diese Skulptur fabelhaft", beschwor Christoph Sattler eine völlig neue städtebauliche Situation für den Effnerplatz herauf.

So scheint sich um die schnittige "Mae West" vor allem ein Zukunftsphantasma für den nur vage definierten Stadtraum zu entspinnen. Rita McBride überzeugte dank des virtuell mobilisierten Raumeindrucks, dass sich mit Umrunden der Skulptur im Kreisverkehr, mit dem Auftauchen aus dem Tunnelring und Wiederabtauchen immer neue überraschende visuelle Schnittflächen ergäben.

Eine Reihe von offenen Fragen zur Ausführung werden noch zu klären, mancher Kampf mit den notorischen Anwälten der Traufhöhe auszufechten sein. Vermutlich ermüdet vom zähen Hinhaltekurs der Kulturreferentin in Sachen Kunst im öffentlichen Raum, scheint das Gros der mit dem Erscheinungsbild Münchens professionell befassten Menschen aber heilfroh über einen optisch fassbaren Entwurf zu sein, für den sich erst einmal voller Einsatz lohnt.

Keine Frage, McBrides weniger giganteske als durchlässige Stadtmarke wäre ein mutiges Signal für den städtebaulichen Aufschwung am Effnerplatz, für die verfahrene Kunstdebatte im öffentlichen Raum, überhaupt für den auch ästhetisch durchsetzungskräftigen Gestaltungswillen der Stadt. Man muss sich vielleicht nur trauen wollen.

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