Kulturtrends 2014:Zurück nach vorn

Kulturtrends 2014: Regionales liegt im Trend - ob bei Krimis oder in der Volksmusik. Trompeter Korbinian Weber tritt mit "Hädidadiwari" auf dem Oktoberfest auf - und mit "La Brass Banda" überall.

Regionales liegt im Trend - ob bei Krimis oder in der Volksmusik. Trompeter Korbinian Weber tritt mit "Hädidadiwari" auf dem Oktoberfest auf - und mit "La Brass Banda" überall.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Gemeinschaft, Natur, Gerechtigkeit - welche Strömungen prägen die Kultur im Jahr 2014? Zukunftsspezialisten wagen Prognosen für die Kunst wie für den Kommerz. Dabei könnte den Münchnern ein Jahr mit Marschmusik und revolutionärem Gestus bevorstehen.

Von Susanne Hermanski und Tobias Streicher

"Gesundheit", "Natur" und "Gerechtigkeit" rauf; "Anerkennung", "Sicherheit" und "Freiheit" runter. So einfach stellt sie sich dar, die Liste der wichtigsten Werte, über die der Münchner Trendforscher Peter Wippermann alljährlich seine durchaus komplexen Prognosen wagt. Er und sein Trendbüro erarbeiten diese für Wirtschaftsunternehmen, und doch lassen sich aus ihr auch viele Trends für die Kultur und die Schönen Künste einer Stadt wie München ablesen. "Gerade weil der Alltag psychisch und physisch den Menschen immer mehr abverlangt, muss ein Ausgleich entstehen", sagt Wippermann.

Dass eine kulturelle Veranstaltung dabei besonders intellektuell fordernd oder auf irgendeine Weise inspirierend sein müsste, sieht er indessen weniger. "Die Institutionen der Hochkultur, beispielsweise Theater und Opern, werden zu gesellschaftlichen Treffpunkten", sagt Wippermann, "die kulturellen Angebote treten dagegen in den Hintergrund und werden zur Beigabe."

Auch die niederländische Trendforscherin Lidewij Edelkoort spricht der Kultur eine wichtige Rolle beim "Ende des Einzelkampfs und der allgemeinen Vereinsamung" zu. Parallel zur Renaissance der Familie im Wertekanon entwickle sich der Trend zur Besinnung auf Traditionelles. Doch gemeint ist damit keine öde Rückwärtsgewandheit - Edelkoort spricht davon , dass "Vergangenheit und Zukunft verbunden" würden.

Als Paradebeispiel dafür nennt sie die Porzellan Manufaktur Nymphenburg. Das 1747 gegründete Haus geht schon seit Jahren Designkooperationen mit Künstlern ein, um Neues zu gestalten. So schuf der Niederländer Joep van Lieshout einzelne Objekte für die Manufaktur; der französische Installationskünstler Saâdane Afif kreierte ein interdisziplinäres Kunstwerk, in dem er Schriftsteller Texte zu seinen Porzellanvasen schreiben und diese von Sängern und Schauspielern interpretieren ließ.

Traum von einem authentischen Leben

Edelkoort fasst diesen Trend als "Regionalisierung" zusammen: eine Rückkehr zu den Wurzeln mit einem Blick nach vorne statt zurück. Zwar liegen die Werte Natur und Nachhaltigkeit im "Werte-Index" erst auf den Plätzen 6 und 9, aber auch Peter Wippermann sieht den Trend zum Regionalen: "In Bayern ist der Wunsch zurück aufs Land sehr verbreitet, weil es eine Idylle schafft, nach der sich viele sehnen." Den Wunsch nach Ländlichem gebe es schon seit den Neunzigerjahren. Damals habe das angefangen mit frischem Gemüse und Obst, Honig vom Imker und Käse vom Hof.

Heute ist der alte Traum vom "Zurück zur Natur" und einem authentischen Leben, das sich seiner Ursprünge besinnt, auch in der Kultur nicht mehr zu übersehen respektive zu überhören: Die alpenländische Volksmusik findet zu neuer Blüte, ganz ohne Dimpfeltum, doch mit viel Sinn für ein aufmüpfiges, frech-kreatives Revoluzzertum. Weltoffen und doch heimatverbunden, diesen Spagat bewältigen Bands wie Die Cubaboarischen oder La BrassBanda.

Aber auch in der Klassikszene schlägt der Trend durch. Sogar die Münchner Philharmoniker nahmen 2013 eine CD mit Marschmusik auf. Als Inkorporation dieses Trends mag man in der Münchner Theaterszene eine Persönlichkeit wie den Volkstheater-Intendanten Christian Stückl betrachten. Der Mann aus Oberammergau verbindet in diesen so oft als "gottlos" geziehenen Zeiten sogar die christliche Tradition ganz selbstverständlich mit der modernen Bühnenwelt.

Das zweite große Thema des Jahres 2014 - nach dem Streben nach Glück - machen Wippermann wie Edelkoort gleichermaßen aus: die Polarisierung der Gesellschaft. Auch dieser Trend lässt sich auf der Agenda der Münchner Kulturschaffenden längst ablesen: So starten die Kammerspiele eine Debattenreihe zum Thema "Arbeit weltweit" - mit all deren Ungerechtigkeiten. Und sowohl das Münchner Kammerorchester als auch das Residenztheater haben ihre aktuelle Saison im Weltkriegs-Gedenkjahr unter dasselbe programmatische Motto gestellt: die gesellschaftliche Revolution, die auf Krieg und Krise folgt.

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