Soultrain:Wie Stefan Dettl sein neues Solo-Projekt startet

Soultrain: Stefan Dettl legt für sein neuestes Projekt die Lederhose beiseite.

Stefan Dettl legt für sein neuestes Projekt die Lederhose beiseite.

(Foto: Christian Endt)

Der Frontmann der "La Brass Banda" will Amerika erobern - und dennoch seinem Hauptprojekt treu bleiben.

Von Michael Zirnstein

Mit La Brass Banda sei es aus und vorbei. So tönt ständig irgendwer, der Deutschlands populärste Blaskapelle angeblich total gut kenne. Man beschwört das Ende seit den ersten Gehversuchen vor acht Jahren, verstärkt beim Verlagswechsel von Trikont zu Sony, beim Ausstieg Andreas Hofmeirs und Oliver Wrages, und ganz besonders immer, wenn Stefan Dettl ein Solo-Projekt anbläst.

Neulich war es wieder so weit. Der Banda-Boss ließ eine Busladung voller Medienmenschen zu einem Bauernhaus im Dorfkern Truchtlachings chauffieren. Im zweigeschossigen Dachboden hat er sich ein Studio eingerichtet, inklusive Bar mit "Hoizfasslbier", Flügel, Lounge oben unterm Gebälk und eigens für diesen Anlass aus Biertrageln, -bänken und Sperrholz gezimmerter Bühne. "Die werde ich wohl drin lassen", sagt Dettl zufrieden.

Gute Musik schön präsentiert

Er stellt sich vor die Gäste, aber ist das noch der La-Brass-Banda-Frontmann? In dunkelbeigem Anzug und nicht barfuß, sondern in Ausgehschuhen. Verdächtig! "Gute Musik muss man auch schön präsentieren", sagt er. Um sich herum hat er eine Big-Band aufgebaut. Sie sind zu zehnt, mehr als bei seinen beiden Alleingängen zum Rock und zum Pop zuvor, einer mehr sogar als bei La Brass Banda im Moment.

Dettl war ganz allein, als ihm Sony eine neue Solo-Platte genehmigte. Die ersten Demos spielte er ohne Hilfe ein: Bläser, Gesang, sogar das Schlagzeug. Die Ausgangsidee war, "in New York oder New Orleans in einem kleinen Soulclub zu spielen - und nicht rauszufliegen". Was lag näher, als mit den ersten Aufnahmen, seinem Produktmanager Christoph Bruns und einem Kameramann nach Harlem zu reisen? Ein Konzert der Young Blood Brass Band in New York hatte den Klassik- und Jazz-Studenten dereinst überhaupt gedrängt, selbst so eine Blechblas-Combo aufzustellen. Drei Mal sind La Brass Banda dort bereits aufgetreten, mit Erfolg natürlich.

Aber beim Vorschlag eines Begleiters, Dettls Soul-Versuche den Passanten in der Jazz-City Harlem vorzuspielen, packte ihn die Angst: "Da kannst du ja gleich auf dem Gaufest in rosa Kunstlederhosen fragen: Zeigst du mir einen Schuhplattler?" Dennoch stülpten sie musikkundig Aussehenden - also männlich-lässigen Schwarzen - Kopfhörer über und filmten die Reaktionen. "Wow" lauteten die, "it's cool!", "jazzy" oder: "Wer ist denn die Band?" Da deutete der Label-Mann auf den schüchternen Typ mit Hut und Schal und sagte: "Der dicke Weiße dahinten." Großes Erstaunen: "What?!"

Wenn es kein anderer macht, macht er es eben selbst

In der Legenden-Inszenierung ist Dettl immer stark. Er weiß, wie's läuft, aber er macht auch nichts, wofür er nicht brennt. Neben dem Haupterwerb La Brass Banda sorgt er sich um das Label Love Records, lässt ein Love Beer brauen, gibt das bayerische Magazin Muh heraus und betreibt den Radiosender Buh. Puh - aber wenn es sonst keiner macht, macht er es selbst: Dettl, das bayerische Pop-Zentralgestirn.

Er habe hohe Ansprüche und deswegen alle Bläser auf der Soul-Platte selbst eingespielt. Auf der Bühne hat er dafür fünf Mann sitzen. "In den Siebzigerjahren gab es auch Studiobands und Livebands", sagt er. Die Rhythm Section um Drummer Chris Stöger war schon im Studio dabei. "Mit dem Chris wollte ich immer schon mal etwas machen. Der hat den Ludwig Klöckner vorgeschlagen, einen Bassisten, der zwanzig ist, aber spielen soll, wie ein sechzigjähriger Schwarzer." Dann kannten sie noch diesen Hendrix-affinen Gitarristen Phillip Frankenberger, eigentlich Koch, "der kann uns Knödel machen".

Der Zug dampft unaufhaltsam

Die Bläser kommen erst jetzt für den Showcase im Bauernhof dazu. Auch diese jungen Kollegen wie der neue Banda-Tubist Stefan Huber genügen Dettls Anforderungen, ja er schwärmt regelrecht von ihnen: "Es ist das Schwierigste für einen Bläser, Soul zu spielen." Jetzt kann er sein Werk "Soultrain" loslassen. Als Schaffner gibt er das Signal, der Zug rollt an, dampft unaufhaltsam.

Es ist eine Lokomotive aus Philadelphia, der Motown Detroit, der Stax-City Memphis, gute, exakte Mechanik der Sechziger und Siebziger. Zum D12-Mikro an der Basedrum sagte der Tontechniker: Das ist kaputt. Nein, das ist halt alt, sagte Dettl. Der wollte auch eine Hammond-Orgel für den Anheizer Tom Jahn, mit waberndem Lesley-Rotor-Verstärker, "die stinkt und schnauft wie ein alter Motor", aber sie ist echt und klingt, wie er es will.

Denglisch für Fortgeschrittete

Dettl steht oft nur am Bahnsteig und beobachtet das Angleiten, das Rasen, dann lässt er sich vom Sog mitziehen, reißt die Arme auseinander, feuert die Band an, wirbelt zu "Tanzbär" drollig umher, tut, als würde er wild an der Posaune ziehen. Dabei fasst er nicht einmal eine Trompete an. Aber er singt, wie er sonst ins Horn stößt, er tupft, trillert, zieht die Silben. "Es gibt echte Sänger. Und mi." Er liebt die "geilen Ami-Produktionen", die die Stimme in den Gesamtklang einreihen. Nicht den auf Sänger und Refrain fixierten deutschen Soulpop. "I'm getting older and older / now I understand Miles Davis' Bitches Brew," singt er.

Als "Lonely Boy" bedient er sich auf Englisch der Blues-Klischees ("Lost my money, lost my house, even lost my shoes . . . "). Dann lechzt er bairisch nach der "scharfen Katz' mit Janker", die die Dorf-Boazn aufmischt. Oder er vermischt alles: "I woa glücklich, hob ois do für di, aber du verorschst mi. I gäv you a dausend dings, I bod you a deimondring. People ask me why, I'm such a stupid guy." Manchmal scattet er, man versteht nichts außer "Schnaps" und "Ratz". Lost in Translation - das kennt er: "New York ist da nicht anders als Sibirien. Aber du musst es einfach mit der Musik sagen." Soul sei "der ideale Weg" dazu.

La Brass Banda bleibt das Hauptprojekt

Als die vier einstudierten Stücke vorbei sind, bemerkt er, dass Familie Huber da ist, in deren Kuhstall das letzte Banda-Album entstand. "Deswegen spielen wir jetzt alles noch mal." Diesmal schiebt er die Stühle zur Seite und zieht alle zum Tanzen mit. Der "Soultrain" ist bereit zur großen Reise, alle sind heiß auf "live". Aber es wird nur eine Sonderfahrt. Zwar hat Dettl jetzt eine perfekte Big-Band, aber das Präsentations-Konzert in der Muffathalle wird das einzige bleiben. "Wir könnten 150 Konzerte damit spielen", schätzt er, es habe Anfragen von Jazz-Festivals gegeben. Aber er hat sein Management angewiesen, ihm nichts weiterzuleiten. Führe uns nicht in Versuchung!

Aus einem einzigen Grund: La Brass Banda. Mit seiner Hauptband spielte er zuletzt auf der Bierzelt-Tournee vor 100 000 Fans. "Auf dem Land sind wir eine Macht." Heuer wird es nur drei Konzerte in Österreich geben und eines am "Chiemsee Summer", seinem Heim-Festival. Volle Fahrt Richtung Album. Sie arbeiten schon dran, Dettl will sich noch mehr öffnen: "Vielleicht singe ich russisch." Eines ist ihm aufgegangen: "La Brass Banda ist etwas so Wertvolles, wir müssen mal richtig durchschnaufen, um nicht verheizt zu werden." Eine extra Solo-Tournee wäre da zu viel. Der Soultrain steht schon auf dem Abstellgleis. Naja, meint Dettl, "vielleicht gehe ich damit in drei Jahren auf Welttournee".

Stefan Dettls "Soultrain", Sa., 19. März, 20 Uhr, Muffathalle, 21 83 73 00

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