Kunstprojekte:München gibt 900.000 Euro für Kunst im öffentlichen Raum aus - braucht's das?

Schmuckfoto City: Strohballen auf der Wiese vor der Alten Pinakothek, die Michael Beutler aus Plastik-Strohhalmen aufgerollt hat.

Aus Plastik-Strohhalmen hatte Michael Beutler die bunten Strohballen gewickelt.

(Foto: Florian Peljak)

Kulturreferent Hans-Georg Küppers findet: Ja! Warum die Stadt die Ausgaben dafür nicht zusammenstreicht.

Interview von Stefan Mühleisen

SZ: Herr Küppers, welchen Stellenwert hat Kunst im öffentlichen Raum für Sie, unerlässlich oder "nice to have"?

Hans-Georg Küppers: Sie ist ein wichtiger Teil der Kultur- und Kunstlandschaft in der Stadt. Diese Kunstform begegnet uns allen im öffentlichen Raum. Sie mag verwirrend sein, zum Schmunzeln animieren oder Ablehnung hervorrufen - in jedem Fall beschäftigt sie die Stadtgesellschaft.

Dennoch: Manche mögen angesichts der großen Strohballen 2014 bei den Pinakotheken denken: Braucht's das, muss die Stadt dafür Geld ausgeben?

Ich glaube, dass Kunst im öffentlichen Raum etwas in unserem Denken und in unserem Umgang mit Menschen und Räumen bewegt. Ich halte das für gut investiertes Geld in die geistige Infrastruktur unserer Stadt. Es geht auch darum, Schwellenängste in Bezug auf die Kulturinstitutionen abzubauen. Als wir vor 30 Jahren mit temporären Kunstprojekten anfingen, war unser Ansatz: Es ist egal, ob es gefällt oder nicht. Es soll zum Nachdenken anregen.

Ist das immer noch Ihr Ansatz?

Der Anspruch hat sich im Laufe der Jahre verändert: Wir stellen nicht etwas hin und überlassen das der Öffentlichkeit. Heute gehört die Kunstvermittlung dazu, also der Versuch, den Dialog zu unterstützen. Viele Städte haben Kunst im öffentlichen Raum weggespart. Dies zeigt, dass sich die Idee dahinter in diesen Kommunen nicht überzeugend festgesetzt hat - in München schon.

Was kann dies Kunstform leisten?

Situationen und Orte können neu gesehen werden. Hieraus kann die Erkenntnis erwachsen, dass es keine Gewissheiten gibt und dass man Dinge neu denken kann. Es ist der Aufruf zum Dialog mit Kunst - aber auch mit dem Raum, in dem sie stattfindet.

Sie haben, wie das Baureferat jährlich bis zu 900 000 Euro für Kunstprojekte zur Verfügung. Viel Geld in Zeiten, in denen der OB zur Haushaltsdisziplin mahnt.

Es ist eine große Leistung, dass dieses Geld aufgebracht wird. Viele Kommunen erkennen den Sinn von Kunst im öffentlichen Raum nicht; das wird oft als Stadtbehübschung missverstanden. Da heißt es dann: Das brauchen wir nicht. In München ist das nicht der Fall. Hier hat sich der Stadtrat klar dazu bekannt, dass Kunst im öffentlichen Raum und Kunst am Bau eine wichtige Bedeutung für das urbane Leben haben. Überdies sind es auch Förderungen für Münchner Künstlerinnen und Künstler.

Über die großen Projekte entscheidet der Programmbeirat. Wird da auch mal gestritten über Bewerber-Konzepte?

Natürlich wird im Beirat über künstlerische Positionen gestritten. Es ist sehr erfrischend, über inhaltliche Dinge zu diskutieren. Doch am Ende wird zumeist mit großen Mehrheiten entschieden.

Nervt Sie, dass im Beirat auch Vertreter der Stadtratsfraktionen mitreden?

Nein, im Gegenteil. Manche schimpfen: Ach, die Politiker, die haben doch keine Ahnung von Kunst. Ich teile das überhaupt nicht. Denn da werden Erfahrungen aus den Stadtvierteln, Haltungen der Stadtgesellschaft und andere Aspekte miteinbezogen. Das ist sehr positiv. Das erdet die Sache ein Stück weit, ohne die Qualität in irgendeiner Weise zu gefährden.

Welche Resonanz haben Sie aus den Stadtvierteln - kommen Projekte wie die Lichtinstallation am Ratzingerplatz oder die Zeitkapsel im Hasenbergl gut an?

Ich freue mich, dass wir mit der Kunst im öffentlichen Raum auf große Resonanz stoßen. Vor Ort gibt es meist wesentlich positivere Reaktionen als in manchen Zuschriften, die mich erreichen. Das Projekt im Hasenbergl hat positiv in den Stadtteil hineingewirkt, es geht um kulturelles Erbe und um Selbstvergewisserung. Und die Lichtinstallation "Heimleuchten" von Stefanie Unruh war ein sehr poetisches Kunstwerk an einer eher tristen Stelle.

Was glauben Sie, welche Kunst wollen die Münchner, eher Dekoratives oder etwas zum Nachdenken und Mitmachen?

Kunst darf auch gefallen. Doch wenn ein Kunstwerk das Potenzial hat, dass sich die Leute daran reiben, ist die Wirkung freilich größer. Es ist ja das Wesen der Kunst, dass sie uns etwas sagt aber gleichzeitig etwas verbirgt. Das ist oft schwer zu entschlüsseln. Ich glaube, insgesamt lassen sich die Münchner gerne herausfordern. Ihnen ist die Neugier eigen, im positiven Sinne.

Wie wichtig ist aktive Teilhabe? Im Herbst 2016 hat die Reihe "Infra-Beuys" soziale Themen als Mitmach-Aktion inszeniert.

Kunst im öffentlichen Raum hat immer etwas mit Teilhabe zu tun. Nehmen Sie die von Ihnen erwähnten Strohballen bei den Pinakotheken: Die Werke wurden von den Menschen in Besitz genommen - viel mehr, als das der Künstler Michael Beutler vorhersehen konnte. Infra-Beuys war die Realisierung einer sozialen Skulptur, die Beschäftigung mit gesellschaftlichen Problemen wie zum Beispiel Obdachlosigkeit. Durch die partizipativen Elemente konnte das eine sehr persönliche Erfahrung für das Publikum werden.

Schielen Sie auch auf andere Städte, wie die das machen?

Bei der Kunst im öffentlichen Raum sind wir in München weit vorne - andere lernen von uns. Kulturreferenten sprechen mich an, auch in meiner Funktion als Vorsitzender des Kulturausschusses des Deutschen Städtetages. Da werde ich gebeten, unseren Ansatz vorzustellen - auch, wie man es nicht machen soll.

SZ Podium zur Konzertsaaldebatte in München, 2015

Kunst darf auch gefallen, sagt Hans-Georg Küppers. Doch wenn ein Kunstwerk das Potenzial hat, dass sich die Leute daran reiben, sei die Wirkung größer.

(Foto: Florian Peljak)
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