Kulturhistorischer Verein Feldmoching:Ein Kuhstall voller Geschichte

Der Verein hütet seit 24 Jahren die Zeugnisse des Dorflebens. Das Ziel von Helmut Keßler und seinen Mitstreitern ist ein eigenes Museum

Von Simon Schramm, Feldmoching

Sich in einem der vielen Vereine zu engagieren, ist für Feldmochinger nahezu selbstverständlich. Und so gibt es im Viertel unzählige, schon über Jahrzehnte bestehende Zusammenschlüsse, in denen die Einwohner zum Beispiel bayerisches Brauchtum erhalten oder gemeinsam musizieren. Der "Kulturhistorische Verein Feldmoching auf dem Gfild" verfolgt das Anliegen, Feldmochinger Geschehen zu dokumentieren und zu erforschen, sein Motto lautet "Sammeln und bewahren".

Gegründet wurde der Verein im April 1990 auf Initiative des Volkskulturpflegers Volker Laturell und des Feldmochingers Helmut Keßler gemeinsam mit 14 weiteren Einwohnern. Der Anlass seinerzeit war der drohende Abriss der Untermühle wegen des Baus der Autobahn. Die Idee, um das Gebäude zu retten: ein Museum zur Feldmochinger Historie. Den Abriss im Jahr 1993 hat der Verein nicht verhindern können. Das Ziel aber, das Museum wahr werden zu lassen, ist in der Vereinssatzung verankert und gilt. Allerdings sucht der Verein noch immer nach einem geeigneten Standort, auch nach 24 Jahren will Helmut Keßler nicht aufgeben: "Das ist unser fernes, sehr schwieriges Ziel. Feldmoching ist älter als München, in solch einen Ort gehört ein Heimatmuseum."

Kulturhistorischer Verein Feldmoching: Viele Exponate stehen im ehemaligen Feldmochinger Gemeindehaus - doch dort geht langsam der Platz aus.

Viele Exponate stehen im ehemaligen Feldmochinger Gemeindehaus - doch dort geht langsam der Platz aus.

Der Verein hat ein Foto-Archiv mit 6490 Fotos, einzelne Aufnahmen stammen aus dem 19. Jahrhundert; im Archiv finden sich zudem viele Video- und Tonaufnahmen, fast 1800 historische Schriftstücke und rund 6000 Exemplare in einem Literatur-Archiv mit Büchern, Zeitungsartikeln oder Pfarrnachrichten. Ein Großteil dieses Materials lagert seit 2007 im ehemaligen Gemeindehaus von Feldmoching; dort aber ist bald kein Platz mehr, warnt Keßler, schon jetzt stehen überall Ausstellungstücke herum. Auch der Raum für Vorträge sei viel zu klein, wenn etwa 30 Personen zu einer Veranstaltung kommen. Das größte Problem des Vereins ist die Finanzierung eines Museums, denn der Kulturverein lebt hauptsächlich von Mitgliedsbeiträgen und Spenden. Keßler überlegt schon länger, wie er an ein Budget für ein Museum rankommen könnte, zum Beispiel durch Gründung einer Stiftung. "Oder wir bauen das Museum selber", sagt er. In Versammlungen des Vereins winkten manche Mitglieder aber wegen des Finanzierungsproblems ab.

Helmut Keßler ist mittlerweile Ehrenvorsitzender des Vereins und mit 79 Jahren immer noch treibende Kraft. Er ist ständig auf Achse, um neue Gebäude oder dem Abriss geweihte Höfe in Feldmoching zu fotografieren, bei allen wichtigen Anlässen versucht er, dabei zu sein. Wenn ein Hof oder ein anderes Gebäude in Feldmoching aufgelöst wird, ist Keßler zur Stelle, um den Nachlass zu sichern - so zum Beispiel das Werk des Feldmochinger Künstlers Paul Huml, der von 1915 bis 1988 gelebt hat. "Ich bin leidenschaftlicher Sammler", beschreibt Keßler seine Passion.

Keßler ist gelernter Schreiner und arbeitet seit 1970 als Restaurator alter Möbel; im Verein ist er für die historischen Exponate verantwortlich. Bisher hat er einen großen Teil der etwa 1000 Stück großen Sammlung in Bauwagen gelagert, die er aber vor Kurzem räumen musste. Darum deponiert Keßler die Exponate nun in einen ehemaligen Kuhstall auf einem Bauernhof in Feldmoching.

In diesem provisorischen Lager ist es kühl, nach Kuhstall riecht es nicht mehr, aber etwas modrig. Zusammengefasst: Keßler ist froh, einen neuen Lagerraum gefunden zu haben, aber zur Präsentation eignet sich der Raum nicht. Die Regale sind voller alter Kaffeemühlen, Bügeleisen, Ochsengeschirr oder Butterfässer, auf dem Boden stehen historische Winter-Schlitten. Keßler will ein Archiv aller Gegenstände anlegen und die Exponate zum Teil auch restaurieren - zum Beispiel eine alte Kleegeige, ein Gerät für das Verstreuen von Saatgut, das durch eine Bewegung wie beim Spielen der Geige bedient wird. Wenn es in absehbarer Zeit nicht gelingt, ein Gebäude für ein Museum zu finden, will Keßler die Sammlung in ein paar Jahren in einer etwa 100 Quadratmeter großen Räumlichkeit ausstellen. Und falls das nicht gelingt, sollen die Exponate zumindest im Internet einsehbar werden; für diesen Vorschlag hat Vereinsvorsitzende Irmengard Bähr auf der jüngsten Hauptversammlung geworben.

Dennoch, Keßler hat schon eine ungefähre Vorstellung, wie das Museum ausgestattet werden sollte: ein Raum zur Restaurierung der Exponate, Zimmer für Ausstellungen, Räume zum Lagern und ein größerer Vortragssaal. Derzeit bleibt ein Heimatmuseum der Traum von Helmut Keßler und dem Verein. Keßler bewegt aber nicht nur die Frage, wo der Verein seine Sammlung ausstellen kann, sondern auch die Zukunft des Vereins: "Der Generationenwechsel fällt nicht leicht, es gibt wenige junge Mitglieder."

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