Kulturflop:"Fack ju Göhte"-Musical in München gescheitert

Werk 7, in dem das Fack ju Göhte-Musical gespielt wird, im Werksviertel

Die Besucherzahlen im spartanisch ausgestatteten Werk 7 bleiben deutlich hinter den Erwartungen zurück.

(Foto: Florian Peljak)
  • Das Musical "Fack ju Göhte" im Münchner Werksviertel läuft nur noch bis Ende September.
  • Die Auslastung sei insgesamt nur "zufriedenstellend", heißt es bei der Produktionsfirma Stage Entertainment.
  • Stage Entertainment hofft trotzdem, langfristig mit einer großen Marke in München Erfolg zu haben.

Von Christiane Lutz

Am Namen allein kann es nicht gelegen haben. Denn wirklich schockiert hat der Titel "Fack ju Göhte - Se Mjusicäl" niemanden mehr. Diesen Göhte kennen hierzulande ja längst alle seit jener sehr erfolgreichen Kino-Trilogie mit Elyas M'Barek. Trotzdem änderte die Produktionsfirma Stage Entertainment den Zusatz "Se Mjusicäl" im März in "Das Musical", damit auch wirklich jeder versteht, worum es geht. Genutzt hat diese kleine Marketingkorrektur allerdings nichts, am 9. September wird im Theater im Werk 7 zur letzten Aufführung geklingelt. Stage Entertainment verlängert "Fack ju Göhte" nicht über die geplante Minimallaufzeit hinaus.

58 000 Zuschauer haben das Musical seit seiner Uraufführung Ende Januar gesehen, die Auslastung sei insgesamt nur "zufriedenstellend", heißt es bei der Stage, was übersetzt "nicht ausreichend" bedeutet. Genaue Zahlen gibt die Firma nicht raus, ein regelmäßiger Blick in den Ticketshop ließ aber erkennen, dass bei vielen der acht Vorstellungen pro Woche maximal die Hälfte der Plätze verkauft war. Selbst für die sonst begehrten Wochenendvorstellungen gab es meist noch Karten.

Am Musical selbst kann diese Flaute kaum liegen. Die Neukomposition "Fack ju Göhte" macht nämlich vieles richtig und ist im besten Sinne nicht so, wie sich viele Musicalmuffel ein Musical vorstellen. Moderne Musik, originelle Bühne, charmante Besetzung. Das Musical ist rotzig, ohne plump zu sein. Auch die Idee, einen alten Kartoffelspeicher im Werksviertel zur improvisiert wirkenden Theaterturnhalle umzubauen, passt zum Thema Schule. Dass die Toiletten in Container ausgelagert sind und die Zuschauer auch bei Regen und im Winter bei Eiseskälte draußen anstehen müssen, ist eher suboptimal. Deshalb entscheidet sich aber vermutlich niemand gegen den Kauf einer Karte. Und die, die drin waren, sprachen meist recht begeistert vom Musical. Liegt es also an München, das keine Musical-Hochburg ist wie beispielsweise Hamburg?

Im Internet, wo sich gemeinhin viel beschwert wird, schimpfen die Göhte-Besucher tatsächlich über die Toilettensituation, aber auch über die Ticketpreise, die viele im Verhältnis zum Turnhallen-Charakter des Theaters zu teuer finden. Die Tickets kosten zwischen 29,90 und 109,90 Euro, je nach Kategorie und Spieltag. Das ist, verglichen mit größeren Produktionen der Stage, eher erschwinglich. Jemand schrieb außerdem Anfang April: "In München wird scheinbar keine Werbung für das Musical gemacht, auch bei uns kannte der Taxifahrer weder Werk 7 noch das Musical."

Das mit der Werbung war ein Problem. Wer nicht auf Facebook oder Instagram unterwegs war, der erfuhr in der Stadt kaum von der Existenz des Musicals. Am Ostbahnhof, wo die Besucher aussteigen müssen, kleben lediglich ein paar traurige Aufkleber auf dem Boden, die den Weg zum Theater weisen sollen. Als die Stage das bemerkte, justierte sie nach, änderte den Zusatz in "Das Musical", schob die Werbung in den sozialen Medien mächtig an, schnürte Pakete auf Rabatt-Plattformen wie "Groupon". Aber bis heute ist keine CD mit den Songs erhältlich. Bis heute keine Kooperation mit den Tourismuswerbern im Rathaus. Bis heute Konfusion bei den Taxifahrern. Und ein Elyas M'Barek, der als Werbepartner sicher hilfreich gewesen wäre, tauchte nirgends auf.

Das Musical galt von Anfang an als Experiment

Von Versäumnissen im Marketing will man bei der Stage nicht reden. "Wir glauben nicht, dass mit veränderten Werbemitteln ein wesentlich anderes Ergebnis erzielt hätte werden können", sagt Pressesprecher Stephan Jaekel. Es sei "der Doppelklang aus neuer Show, kombiniert mit einem neuen Spielort", der dazu führte, dass "Fack ju Göhte" wirtschaftlich nicht richtig zündete. Das Musical galt von Anfang an als Experiment, das Marketingbudget sei entsprechend klein gewesen.

Theater, die über längere Zeit ein Musical spielen, haben in München keine Tradition. Als in den späten Achtzigerjahren Musicalpaläste wie die "Neue Flora" in Hamburg oder das sterile Erlebniskonglomerat "SI-Centrum" in Stuttgart mit gleich zwei Theatern gebaut wurden, pflegte man in München vor allem die sogenannten Hochkultur. Im Gärtnerplatztheater bilden die ein bis zwei Musicals pro Saison heute eher eine nette Spielplanerweiterung. Und das Deutsche Theater, traditionell zuständig für Musical in München, hat gar keine Chance, größentechnisch mit den Palästen mitzuhalten.

Sein Programm besteht aus Tanz, Shows, Konzerten und (teils von der Stage produzierten) Musicals. Sogenannte "Long Runs", Musicals, die mehrere Monate bis Jahre laufen, kauft das Theater nicht. Das war auch der Grund, warum sich die Theaterleitung dagegen entschied, "Fack ju Göhte" unter ihr Dach zu holen, was die Stage einst vorgeschlagen hatte. Ohne Long Run aber entsteht diese Verschmelzung eines Musicals mit einer Stadt, so wie "Der König der Löwen" mit Hamburg, in München gar nicht erst.

"Auch wir haben die Erfahrung gemacht, wie schwer es sein kann, ein neues Stück auf den Markt zu bringen und zum Erfolg zu führen", sagen die Geschäftsführer des Deutschen Theaters, Carmen Bayer und Werner Steer. "Trotzdem ist es natürlich wichtig, das immer wieder zu versuchen." Ein wichtiger Punkt dabei seien die Preise, die an ihrem Theater die 90 Euro nicht überstiegen. Im vergangenen Jahr zählte es 352 000 Besucher, das macht eine Auslastung von 72 Prozent.

Stage Entertainment muss klar gewesen sein, dass eine Off-Produktion wie "Fack ju Göhte" nicht unbedingt Heerscharen aus ganz Deutschland mobilisiert. Fakt ist aber: Um die knapp 700 Plätze im Werk 7 wie geplant achtmal pro Woche auszuverkaufen, hätte es überregionales Publikum gebraucht. Nach München kommen die Touristen aber nicht wegen Musicals, sondern wegen der Atmosphäre, des Essens, wegen der Kultur. Da gehört das Musical zweifelsohne dazu. Wenn es aber kein Musical von nationaler Strahlkraft gibt, oder wenn jenes, das es gibt, nicht entsprechend beworben wird, kommt halt auch keiner deswegen. Zum Vergleich: 80 Prozent der Musicalbesucher in Hamburg geben an, wegen des Musicals überhaupt erst in die Stadt gekommen zu sein.

Diverse Pläne der Stage aus den frühen 2000er-Jahren, ein Musicaltheater zu bauen, wurden nie realisiert. Das Unternehmen hofft trotzdem, langfristig mit einer großen Marke in München Erfolg zu haben, wie Pressesprecher Jaekel durchblicken lässt. Zunächst ist die Stage allerdings noch ans Werk 7 gebunden, der Mietvertrag läuft zehn Jahre. Man wolle dessen speziellen Charakter nutzen, um kleinere Produktionen jenseits des Mainstreams zu etablieren. "Fack ju Göhte" werde im Herbst erst einmal auf Tour geschickt. Ein Nachfolge-Musical für das Werk 7 stehe zwar schon fest, den Titel nennt Jaekel aber noch nicht. Spätestens Anfang 2019 soll es losgehen.

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