Kultur:Was Profis für die Lange Nacht der Museen empfehlen

Kultur: Bei der Lange Nacht der Münchner Museen muss man manchmal mit Schlangen rechnen, wie hier vor der Neuen Pinakothek.

Bei der Lange Nacht der Münchner Museen muss man manchmal mit Schlangen rechnen, wie hier vor der Neuen Pinakothek.

(Foto: Stephan Rumpf)

Das Kulturangebot ist riesig, die Zeit begrenzt: Fünf Experten verraten, wie sie die Lange Nacht verbringen würden.

Von Jessica Schober

Jedes Jahr ist die Lange Nacht der Museen am Ende doch zu kurz gewesen: Wie soll man bei gut 90 geöffneten Häusern entscheiden, welche Orte man bis zwei Uhr nachts unbedingt gesehen haben muss? Fünf Münchner Museumsleute geben ihre Empfehlung für die beste Tour durch den Ausstellungsdschungel. Wohin wollen sie selbst gehen, wenn sie an dem Abend die Zeit finden?

Expedition ins Licht

Sandra Dichtl, Kunsthistorikerin am Lenbachhaus: "Ich bin ein Fan davon, sich bei solchen Veranstaltungen kreuz und quer durch die Stadt treiben zu lassen, mit anderen ins Gespräch zu kommen und einfach die Nacht zu genießen. Ich war ganz erstaunt, dass es gar nicht so viele Angebote gibt, die auf die Nacht und die Dunkelheit Bezug nehmen. Deshalb würde ich meine Expedition dem Licht widmen. In der Tiefgarage des Schwabinger Tors soll es zum Beispiel eine Stroboskop-Installation geben, die interaktiv auf Zuschauer reagiert. Sehr spannend.

Danach würde ich im Kunstfoyer der Versicherungskammer Kulturstiftung in der Maximilianstraße 53 vorbeischauen bei der Ausstellung des Dokumentarfotografen Martin Parr. Der fängt ganz toll den britischen Alltag ein, seine Bilder haben so eine atmosphärische Dichte, selbst wenn nur Möwen und Pommes darauf zu sehen sind. Das Coole ist, dass es dort von 20 Uhr an ein Doppelkonzert von "Elektrolurch alias GuruGuru" und "The Crazy World of Arthur Brown" gibt; da treffen experimentelle Sounds auf deutschen Krautrock. Der Zusammenhang mit den Bildern ist mir noch nicht ganz klar, aber klingt spannend.

Zum Schluss habe ich mir vorgenommen, noch bis zwei Uhr früh durch den Botanischen Garten in Nymphenburg zu schlendern. Vom Kaktus bis zur Palme wird alles psychedelisch angeleuchtet. Das stelle ich mir vor wie bei einer Goa-Party."

Info

Zur Langen Nacht der Museen am Samstag öffnen rund 90 Einrichtungen von 19 bis zwei Uhr ihre Türen. Tickets sind für 15 Euro an den Vorverkaufsstellen und in den Museen erhältlich,von 13 Uhr an auch am Kassenzelt auf dem Wittelsbacherplatz. Die kostenlosen MVG-Shuttlebusse verkehren von 18.45 Uhr bis 2 Uhr im Zehn-Minuten-Takt und fahren auf fünf Touren fast jedes Museum an. Knotenpunkt aller Busse ist der Odeonsplatz. Eine sechste Tour pendelt zwischen Botanischem Garten und BMW Museum mit Halt am Museum von MTU Aero Engines. Zusätzlich zu den laufenden Ausstellungen werden zahlreiche Sonderprogramme wie Führungen, Konzerte oder Performances geboten. Alle Infos zum Programm finden Sie hier.

Kirche wird zur Waschmaschine

Stefanie Utz, Mitgründerin des Muca, Museum of Urban and Contemporary Art: "Ich steuere nicht so gern die großen Häuser an, weil ich da schon oft genug beruflich zu tun habe. Ich schaue lieber, was es etwas abseits davon noch gibt. Ich mag es zum Beispiel total gern, spätnachts durch die Stadt zu schlendern und dann durch die Passagen des Maximiliansforums zu laufen. Das liegt genau auf meinem Nachhauseweg aus dem Muca. Der Videoparkour "Schwarze Spiegel" in der Maximilianstraße 38 ist sehr spannend.

Und wenn man schon da ist, dann kann man auch gleich noch im Museum Fünf Kontinente in der Maximilianstraße 42 vorbeischauen. Manche Leute finden das Völkerkundemuseum womöglich ein bisschen old-fashioned, aber ich mag diese Ruheoase in der Stadt, die mit so viel Liebe zum Detail gestaltet ist.

Wo ich dieses Jahr während der Langen Nacht der Museen auch unbedingt hinwill, ist die Paulskirche an der Theresienwiese, eines der schönsten Denkmäler der Stadt. Dort macht ein Künstlerduo eine Installation zum Thema Wäsche mit einer riesengroßen Waschmaschine. Dazu gibt es eine akustische Begleitung von Musikern der Musikhochschule zum Thema Wasser und Waschen. Finde ich super. Ich will Kunst an ungewöhnlichen Orten sehen. Es muss ja nicht immer alles so klassisch daherkommen in München."

Im Flug

Bernhard Maaz, Leiter der Pinakotheken: "An diesem Wochenende bin ich gar nicht da, weil ich jetzt endlich mal nach Venedig zur Biennale fliege. Was ich mir dort anschaue, weiß ich noch nicht. Bei der Langen Nacht der Münchner Museen hat mich ein Foto im Flyer sehr angesprochen: Das Museum der MTU Aero Engines - da würde ich sofort hingehen. Es gibt dort einen Überblick über die Geschichte des Motorflugs, historische Flugmotoren und eine weltweit einmalige Antriebssammlung. Das Museum hat auch nur an ausgewählten Tagen im Jahr geöffnet, und es befindet sich in der Dachauer Straße 665 - das muss also kurz vor Köln sein, so wie ich das einschätze.

Jedenfalls faszinieren mich die Präzision der Technik und die Kraft, die hinter diesen Maschinen steckt. Das ist für jemanden, der sonst nur mit Dürer und Monet zu tun hat, natürlich die andere Seite der Welthalbkugel. Ich finde: Wer Kunst kennt, sollte Technik kennenlernen. Und andersherum. Diese Querverschränkungen sind substanziell für die Allgemeinbildung.

Ich habe zwar einen ästhetischen Zugang zur Welt, könnte aus technischer Sicht aber gerade mal den Schaltkreis einer Stehlampe reparieren. Man darf Museen auch nicht als Malls missverstehen. Es sind immer noch Orte der Begegnung zwischen Menschen und Kunstwerken. Fremde Welten aufmachen oder Altvertrautes wiedersehen - das ist die Chance einer solchen Nacht."

Alte Helden tätscheln

Marion Bösker, Pressesprecherin Literaturhaus: "Eigentlich bin ich eine kontemplative Kunstkonsumentin und sitze am liebsten lange still vor einem Exponat. Das Durchrasen dient den Orten nicht. Einzige Ausnahme: Das Museum für Abgüsse antiker Bildwerke in der Katharina-von-Bora-Straße 10 in der Maxvorstadt. Das ist ein wirklich verrückter Ort. Da stehen rund 1800 Gipsskulpturen in einer Halle, alles Abgüsse klassischer Werke.

Vor 20 Jahren habe ich dort in der Bibliothek mein Examen am Zentralinstitut für Kunstgeschichte geschrieben und bin fast täglich durch diese Halle gelaufen, vorbei an Diskuswerfern und armlosen ägyptischen Helden. Besonders hatte es mir eine Hermesstatue angetan, ein eloquenter Gott mit geflügelten Schuhen, dem ich wahnsinnig gern mal wieder den Gipshintern tätscheln würde. Es ist halt kein Museum, an dem ein großes Banner hängt mit "Kommen Sie herein!", sondern es ist ein ganz besonderer, etwas schräger Ort.

Jetzt habe ich gesehen, dass es dort bei der Langen Nacht der Museen einen Selfie-Wettbewerb geben soll. Man soll bis 23 Uhr mit seiner Lieblingsstatue posieren - da muss ich hin. Ich halte es da nämlich wie der Pop-Art-Künstler Claes Oldenburg, der sagte: Ich bin für eine Kunst, die etwas anderes tut, als in einem Museum auf ihrem Arsch zu sitzen."

Bewegung auf zwei Rädern

Bernhard Purin, Direktor Jüdisches Museum: "Mich interessiert in der Langen Nacht das Verkehrszentrum des Deutschen Museums, da gibt es die Ausstellung "Balanceakte - 200 Jahre Radfahren". Ich fahre selber mit dem Rad zur Arbeit, das Auf- und Absteigen ist bei mir aber schon der sportlichste Teil des Ganzen. Vom Glockenbachviertel zum Jüdischen Museum am Sankt-Jakobs-Platz habe ich nun wirklich keine heldenhafte Strecke. Aber mir ist aufgefallen, dass in München der Umgangston auf den Radlwegen immer rauer geworden ist. Ich bin deshalb neugierig, wie das Museum dieses sportliche Fortbewegungsmittel in Szene setzt, und ob es aktuelle Bezüge gibt. Ich mag das Deutsche Museum überhaupt sehr und interessiere mich für die Geschichte der Mobilität.

Auch in unserem Jüdischen Museum geht es ja dieses Jahr sportlich zu mit der Ausstellung "You never walk alone", in der wir vom Turnen bis zum Baseball Beispiele jüdischen Sports zeigen. Im Foyer steht übrigens auch ein Kicker. Ich würde für die Lange Nacht empfehlen, sich auf ein Stadtviertel zu konzentrieren und dann die Umgebung abzugrasen. Am Verkehrsmuseum am Bavariapark kann man zwar auch in das "Rollende Museum" umsteigen und mit einem der 80 Oldtimer durch die Stadt fahren, aber für mich steht fest: Ich bleibe dem Rad treu."

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