Kultur:Schrecksekunde in Raum 113

Kultur: Sucht Ausweichmöglichkeiten für die Zeit nach Mai: Michael Widl-Stüber, Chef der Volkshochschule für den Westen.

Sucht Ausweichmöglichkeiten für die Zeit nach Mai: Michael Widl-Stüber, Chef der Volkshochschule für den Westen.

(Foto: Catherina Hess)

Brandschutzauflagen gefährden die beliebte Pasinger Kammermusikreihe. Eine Untersuchung hat ergeben, dass dem Saal im Haus der Volkshochschule ein zweiter Fluchtweg fehlt. Nur bis Mai hat der Spielplan Bestand

Von Jutta Czeguhn, Pasing

Schrecksekunde im alten Pasinger Rathaussaal des VHS-Gebäudes an der Bäckerstraße. Ehe sich Pianist Gerold Huber und Sänger Tareq Nazmi dort am 5. Januar auf Schuberts "Winterreise" machen, tritt Walther Weck vor das Publikum. Ansagen vor Konzerten bringen bekanntlich selten Frohbotschaften. Ist womöglich Tareq Nazmi nicht gut bei Stimme? Steckt Gerold Huber im Stau? Was Weck im Namen der Organisatoren der beliebten Reihe "Kammermusik in Pasing" zu verkünden hat, ist dann wirklich ziemlich besorgniserregend. Man werde womöglich eines der letzten Konzerte der Reihe erleben, sagt Weck. Eine Inspektion der Münchner Branddirektion im VHS-Gebäude im Dezember habe ergeben, dass im Saal künftig nur noch maximal 25 Personen pro Konzert zugelassen werden könnten. Grund sei der fehlende zweite Fluchtweg.

Unruhe im Publikum, der Raum mit der Nummer 113 im ersten Stock ist an diesem Konzertabend mit 60 Leuten voll besetzt. Mit Gerold Huber und Tareq Nazmi sind zwei international renommierte Künstler angekündigt, zwei Tage später werden sie noch einmal auftreten, ebenfalls vor ausverkauftem Saal. Walther Weck sagt dann noch, dass eigentlich schon diese beiden Konzerte so nicht mehr hätten stattfinden dürfen. Doch Kommunalreferat und Branddirektion hätten eine Ausnahmegenehmigung erteilt. Weck bittet die Gäste, aus dem Fenster zu sehen. Dort draußen befinde sich im Brandfall der geforderte zweite Fluchtweg: das Gerüst an der Fassade des VHS-Gebäudes, die derzeit saniert wird. Dort herunter könnten sich die Konzertbesucher dann den Weg bahnen. Erheiterung im Saal, Walther Weck macht eine Geste, die sagt: Tja, so ist die Situation.

Raum 113 mit seinen circa 70 Quadratmetern Größe im Altbau an der Bäckerstraße 14 war bis 1937 der Rathaussaal, als Pasing noch eine eigenständige Stadt war und der Rathaus-Neubau an der heutigen Landsberger Straße noch nicht stand. Publikum und Musiker sitzen unter einer denkmalgeschützten Stuckdecke aus der Entstehungszeit des Hauses (1899-1901). In einer Ecke auf dem alten Parkettboden steht der schwarze Bösendorfer-Konzertflügel, den das Kulturforum München-West als Veranstalter der Konzertreihe mit Hilfe von Spenden erwerben konnte. Über einen Durchgang ist der Saal mit einem gleich großen Raum verbunden, der bei Konzerten für das Pausenbuffet und die Garderobe genutzt wird. In den ersten Stock gelangen die Besucher über eine knarzende alte Holztreppe, die sich manchmal während eines Konzerts bemerkbar macht. Der bisher einzige reguläre Fluchtweg.

"Die Branddirektion hat uns zurückgemeldet, dass dadurch für den Raum 113 ein zweiter Fluchtweg besteht, und insofern die bislang geplanten Konzerte stattfinden können", teilt Michael Widl-Stüber mit, er ist der Stadtbereichsleiter für die Münchner Volkshochschule im Westen. Man gehe davon aus, dass die Sanierung der Außenfassade noch bis in den Mai hinein andauern werde, das Gerüst also bis dahin stehen bleibe. "Wir werden das natürlich im Einzelfall immer wieder überprüfen", versichert Widl-Stüber, der es grundsätzlich begrüßt, dass im Volkshochschule-Gebäude der Brandschutz optimiert wird. Man hoffe, in den Gesprächen mit dem zuständigen Kommunalreferat und der Branddirektion, für die Zeit nach der Sanierung eine tragfähige Lösung zu finden. Der Volkshochschule sei sehr daran gelegen, die hochkarätige Kammermusikreihe im Haus zu halten. Sie sei eine Bereicherung für das Pasinger Kulturleben, zudem habe der denkmalgeschützte Saal eine besondere Atmosphäre.

Auch Walther Weck und sein Team würden diesen vielleicht kleinsten Saal Münchens gerne weiter nutzen für die Konzerte, die seit 2010 dort stattfinden und mittlerweile Musikfreunde aus ganz München und der Region anlocken. Vorerst kann Weck davon ausgehen, dass sein Konzertplan bis Mai wie vorgesehen Bestand hat. Am 4. Februar spielt di e Geigerin Anna Sophie Dauenhauer mit ihrem Klavierpartner Lukas Maria Kuen Violinsonaten von Franz Schubert. Für den 4. März sind Wen-Xiao Zheng, Viola und Mikael Samsonov, Violoncello, angekündigt. Am 14. April sind die Gäste Jakob Spahn, Solocellist im Bayerischen Staatsorchester, und der Pianist Nicholas Rimmer. Und unklar ist laut Weck, wo am 17. Juni Lorenz Chen, Violine, und Mamikon Nakhapetov, Klavier, konzertieren werden. "Falls das Konzert nicht in der VHS stattfinden kann, werden wir einen Ausweichraum finden, zwei haben wir im Auge". Allerdings will er über "ungelegte Eier" noch nicht sprechen. Noch am Abend des "Winterreise"-Konzertes kamen besorgte Pasinger auf ihn zu, die Walther Weck Tipps gaben, wo er sich hinwenden könne. Ein Ende der Kammermusik-Reihe, das kann sich schließlich keiner ihrer treuen Anhänger vorstellen.

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