Kultur:In den städtischen Museen gibt es kaum Kunst von Frauen

MITBEGRÜNDERIN DES "BLAUEN REITERS" GABRIELE MÜNTER

Sie gründete den Blauen Reiter mit: Gabriele Münter, im Jahr 1957.

(Foto: dpa)

Das will ein CSU-Stadtrat ändern. Doch die Münchner Kunst-Szene prägt bis heute ein veraltetes Rollenbild.

Von Heiner Effern

Er malt, sie posiert. Wenn sie überhaupt vorkommt, rein künstlerisch gesehen. Bis etwa 1900 war dieses Rollenbild in der Kultur weitgehend zementiert. Erst danach erhielten Frauen Zutritt zu den Hochschulen und Malakademien, und Künstlerinnen wie Gabriele Münter bewiesen, dass große Kunst nichts mit der Höhe des Testosteronspiegels zu tun hat.

Dennoch halte sich in der Szene bis heute ein Rollenbild, das anmutet wie ein Relikt aus dem Musenzeitalter, findet CSU-Stadtrat Richard Quaas. Nämlich: Er kauft, was er geschaffen hat.

Quaas spielt auf die Verantwortlichen für den Erwerb von Kunstwerken an. Obwohl Frauen gleichwertig gute Qualität lieferten, würden bis heute immer noch deutlich mehr Werke von Männern angeschafft, so die These des CSU-Stadtrats. Alarmiert hat ihn eine Statistik der staatlichen Museen in München vergangenen November in der SZ: Die Neue Pinakothek besitzt demnach Werke von 1000 Künstlern.

Nur etwa 40 davon sind Frauen. In der Sammlung Brandhorst sind es gut zehn von 150. Deshalb wollte Quaas vom Kulturreferat wissen, wie viele Werke in den städtischen Museen von Männern und von Frauen sind. Sein Fazit: "Meine Befürchtungen haben sich bestätigt."

Untersucht wurden die Bestände der vier großen Museen oder Archive, die Kunstwerke besitzen: die Galerie im Lenbachhaus, die Villa Stuck, das Stadtmuseum und die Artothek. Das Lenbachhaus etwa besitzt 28 000 Kunstwerke. Von denen, die bis 1900 geschaffen wurden, stammt ein Prozent von Frauen.

Der Gesinnungswandel braucht immer noch Ermutigung von außen

Bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs stieg dieser Anteil auf sechs Prozent. Wer glaubt, dass von 1946 bis 2015 nun explosionsartig der Emanzipation gefrönt wurde, geht fehl: Von 1946 bis 2015 erhöhte sich der Bestand auf nur elf Prozent. "Da gibt es einiges zum Aufholen", sagt Stadtrat Quaas.

Dem Stadtmuseum fällt bei drei Millionen Einzelstücken und vielen thematischen Sammlungen eine Bilanz schwer. Deshalb liefert es drei Kennzahlen: In der Sammlung Fotografie (1960 bis heute) gebe es einen Frauenanteil von 25 Prozent, bei der Mode ebenfalls und im Kunsthandwerk 15 Prozent.

Die Artothek, in der man sich Bilder wie sonst Bücher in der Bibliothek leihen kann, besitzt etwa 1700 Kunstwerke von 829 Künstlern. Davon sind nicht einmal ein Drittel Frauen. Am einfachsten fiel die Antwort der Villa Stuck. Da sich die entsprechende Stiftung auf einen Künstler, eben Franz von Stuck, konzentriere, gebe es kaum Werke von anderen Künstlern. Und Künstlerinnen.

Natürlich versichern alle vier Institutionen, sich bereits ausgiebig der Frauenförderung zu widmen. Das Lenbachhaus verweist etwa darauf, dass bewusst beim Kauf zeitgenössischer Kunst der Fokus auf Frauen liege, sechs von zehn Neuanschaffungen stammten von Künstlerinnen.

Das findet Stadtrat Quaas sehr löblich, doch vermutet er stark, dass manche Kauf-Kommission für solch einen Gesinnungswandel immer noch dringend Ermutigung von außen brauche. "Da gibt es schon sehr eingeschliffene Netzwerke", sagt er. Quaas hofft, mit seiner Stadtratsanfrage ein Signal gesendet zu haben. "Vielleicht ist allein durch die Bearbeitung dieser Anfrage bei manchem schon etwas durchgesickert."

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