Künstliche Befruchtung:"Die Hälfte kriegen wir nicht mehr schwanger"

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Immer mehr Frauen entscheiden sich erst spät für Nachwuchs. Doch mit höherem Alter wird es schwieriger, sich den Kinderwunsch auch zu erfüllen. Für den Münchner Frauenarzt Walter Bollmann liegt die Grenze bei 45 Jahren.

Sibylle Steinkohl

Immer mehr Paare entscheiden sich erst spät für Nachwuchs. Weil es mit fortgeschrittenem Alter schwieriger wird, auf natürlichem Wege schwanger zu werden, boomen die Zentren für künstliche Befruchtung. Allein in München gibt es vier derartige Einrichtungen, dazu kommen die Frauenkliniken der LMU. Doch neuerdings übernehmen die Krankenkassen nur noch die Hälfte der teuren Behandlung.

Eine Eizelle wird befruchtet. (Foto: Foto: dpa)

Erst kommt das Studium, dann der Beruf. "Gegen Ende 30 bemerken dann viele Paare, dass in ihrem Leben etwas wichtiges fehlt", berichtet Frauenarzt Walter Bollmann, der mit seinen Praxispartnern im Tal das Münchner "Zentrum für Reproduktionsmedizin" betreibt.

Immer mehr Frauen entscheiden sich heute erst spät für Nachwuchs. Doch mit höherem Alter wird es schwieriger, sich den Kinderwunsch auch zu erfüllen. "Jedes siebte Paar hat Probleme, auf natürlichem Weg schwanger zu werden", sagt Bollmann, was übrigens nur zur Hälfte an den Frauen liege.

Viele suchen Hilfe durch die verschiedenen Methoden der künstlichen Befruchtung, die längst auch bestimmte Formen der männlichen Sterilität mit einschließt. Vier Spezialzentren von niedergelassenen Ärzten gibt es in München, dazu die Einrichtungen der Frauenkliniken Maistraße und Großhadern der LMU.

Mit sinkenden Chancen steigt der Druck

"Der Erfolgsdruck ist groß", findet Bollmann. Schon weil die biologische Uhr tickt. 80 Prozent der Frauen, die jünger als 39 Jahre sind, würden in der Spezialpraxis nach drei bis vier Behandlungszyklen mit Hilfe der Reagenzglas-Befruchtung schwanger.

Später jedoch, von 40 Jahren an, sinken die Chancen für das Wunschkind deutlich. "Die Hälfte der älteren Patientinnen kriegen wir nicht mehr schwanger", sagt Bollmann. 45 Jahre sei für ihn und seine Kollegen die persönliche Behandlungsgrenze.

"Das Alter spielt eine sehr große Rolle", bestätigt der Fortpflanzungsmediziner Dieter Berg, das zeige sich schon bei den Fehlgeburten, die mit höherem Alter stark ansteigen. Mit Ende 44 hat seine älteste Patientin nach in-Vitro-Fertilisation ein Kind bekommen.

Dennoch könne es durchaus sein, dass eine Praxis, die oft ältere Kinderwunsch-Patientinnen betreut, mit schlechteren Ergebnissen dastehe, obwohl sie genauso gut arbeite wie die Konkurrenz mit mehr jüngeren Frauen.

Weniger Zuzahlung, weniger Kinder

Berg, dessen Gemeinschaftspraxis in Bogenhausen liegt, hat Glück: Wegen vieler Privatpatientinnen machen sich die Auswirkungen der Gesundheitsreform bei ihm kaum bemerkbar. Seit 2004 nämlich bezahlen die gesetzlichen Kassen nur noch die Hälfte der mehrere tausend Euro teuren Behandlungskosten, und das nur drei Therapiephasen lang. Unverheiratete Paare und die Über-40-Jährigen fallen ganz heraus.

"Nun werden 10.000 Kinder pro Jahr weniger geboren", schlägt der Bundesverband Reproduktionsmedizinischer Zentren Alarm, deutschlandweit blieben angeblich die Hälfte der Kassenpatientinnen weg - obwohl der Bedarf groß sei, wie die Münchner Zentren versichern.

"Wir alle erleben jetzt, dass der Erfolgsdruck auf die Paare und die Ärzte wächst", sagt Professor Christian Thaler von der Uni-Frauenklinik Großhadern. Man versucht womöglich, rascher zum ersehnten Kind zu kommen - auch auf die Gefahr hin, dass die Zahl der risikoreichen Drillingsschwangerschaften wieder ansteigt.

Das deutsche Embryonenschutzgesetz erlaubt den Transfer von drei Eizellen nur in besonderen Fällen, die sich freilich konstruieren ließen. Paare, die sich schon lange vergeblich ein Kind wünschen, seien zu vielem bereit, beobachtet Thaler. "Da braucht es Zeit und Bereitschaft, sich hinzusetzen und sie gut zu beraten."

© SZ vom 28.10.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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