Künstler Wolfgang Flatz:Siebter Himmel im sechsten Stock

Das Atelierloft krönt ein ausgemusterter Kampfhubschrauber: Wolfgang Flatz hat über der Kistlerhofstraße einen phantastischen Skulpturengarten gestaltet. Nun bewirft der Künstler eine Friedenstaube mit Farbbeuteln.

Von Franz Kotteder

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Quelle: SZ

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Wolfgang Flatz hat jetzt mehr als einen Vogel. Nämlich eine sieben Meter hohe, weiße Taube an der Fassade des Hauses Kistlerhofstraße 70, in dem sich sein Atelier befindet, und eine weitere, zwei Meter große an der Wand des Dachaufbaus. Beide Tauben hat der Frankfurter Graffitikünstler Case angefertigt, der bürgerlich weniger street-art-tauglich Andreas von Chrzanowski heißt. Am Donnerstag komplettierten Flatz und sein Kollege das Werk - indem sie die große Friedenstaube mit Farbbeuteln bewarfen und mit Gotcha-Pumpguns beschossen. Die Friedenstaube sollte, so Flatz, "beschmutzt, entehrt, entwürdigt" werden: Gerade so, wie es in der Realität ja auch mit Symbolen des Friedens geschehe.

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Quelle: Alessandra Schellnegger

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Der ungewohnte, gern auch mal gewalttätige Umgang mit vertrauten Bildern und Symbolen liegt dem 61-jährigen Aktionskünstler, der sich schon mit Dartpfeilen bewerfen und in einer Kirche in Riga als menschlicher Glockenschlegel zwischen zwei Stahlplatten hin- und herschlagen ließ. 1992 wurde er zur Documenta nach Kassel eingeladen, und in seinem österreichischen Heimatort Dornbirn gibt es seit einigen Jahren ein eigenes Flatz-Museum. Seit 1975 lebt Flatz in München, und seit kurzem hat er jetzt auch ein Atelier, von dem die allermeisten Künstler nur träumen können. Auch deshalb wohl nennt er es "Heaven 7", siebter Himmel. Eigentlich befindet es sich im sechsten Stock der Kistlerhofstraße 70 und ist an und für sich schon sehr groß und geräumig.

Gewerbepark "Kistlerhof" in München, 2013

Quelle: Alessandra Schellnegger

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Den Vogel schießt aber der zugehörige Dachgarten ab: 3200 Quadratmeter, die sich über die gesamte Dachfläche des Gebäudekomplexes entlang der Aidenbachstraße erstrecken. Zu verdanken hat er das seinem wichtigsten Sammler: Christian Hirmer, einer der Erben und Geschäftsführer der Münchner Unternehmensgruppe, zu der nicht nur das große Herrenmodehaus gehört, sondern eben auch ein bedeutendes Immobilienunternehmen. Das wiederum hat das ehemalige Agfa-Areal an der Kistlerhofstraße bebaut. Die Kunst am Bau durfte Flatz ganz allein beisteuern. Für die meisten mehrstöckigen Gewerbebauten hat er die Farbgestaltung entworfen, es handelt sich dabei um stark vergrößerte Krawattenmuster aus dem Hause Hirmer.

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Quelle: SZ

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Auf dem Dach der Kistlerhofstraße 70 aber durfte er nicht nur sein Atelier errichten, sondern auch einen Skulpturengarten mit eigenen Arbeiten aus mehr als 30 Jahren anlegen. Angelehnt an klassische Vorstellungen von Gärten ist hier oben eine seltsame und phantastische Wunderwelt entstanden. Mit einer fluoreszierenden Freiheitsstatue beispielsweise, die Flatz aus Restbeständen einer Filmausstattung vom Bavaria-Filmgelände erworben hat und die man von der Straße aus sehen kann.

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Quelle: Robert Haas

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Mit einer Art Triumphbogen mit der Aufschrift "Quo vadis", unter dem eine 200 Jahre alte Nil-Plette und zwei mythologische Gestalten warten, die Fährleute in die altägyptische Unterwelt darstellen. Es gibt einen originalen, zur Bar umgebauten Cadillac aus den Fünfzigerjahren, den Flatz auf einem texanischen Schrottplatz gefunden hat, es gibt einen vergoldeten Wohnwagen, den der Künstler schon mal in seinem früheren Atelier auf der Praterinsel in die Krone eines Baumes gehängt hat und dafür eine Anzeige von der Lokalbaukommission wegen des "Schwarzbaus" kassierte.

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Quelle: Robert Haas

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Auf dem Atelierbau selbst steht noch ein ausrangierter Kampfhubschrauber, der zugleich als Windkraftwerk dient und tatsächlich Strom produziert, und eine Almhütte mit Bauernbett. Ganz oben auf dem Betriebsgebäude für den Lastenaufzug gibt es noch die futuristische Gondel eines Sessellifts, die Flatz zum Observatorium für den Sternenhimmel umgebaut hat. Man findet Flugzeugtrümmer, die sich zum Schriftzug "Ich bin vergänglich" formen, und die schmiedeeisernen Kreuze eines alten Mönchsfriedhofs, die Flatz bei der Auflassung eines Kapuzinerklosters erstanden hat. Sie befinden sich also nun im "Heaven 7", was ja irgendwie ganz gut passt. Schade nur, dass auch dieser siebte Himmel nicht so ohne Weiteres öffentlich zugänglich ist.

© SZ vom 26.10.2013/afis
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