Küchenprojekt:Kochgeschichten

Der Fotograf Andreas Hantschke hat Menschen aus Pasing in sein improvisiertes Küchenstudio eingeladen. Jetzt ist aus diesem Projekt in der "Pappschachtel" am Marienplatz ein Rezeptbuch entstanden

Von Jutta Czeguhn, Pasing

Mitte Januar war das, ein grimmig kalter Tag. Es gab eine Führung durch die unterschiedlichen Ladenräume der sogenannten "Pappschachtel" am Pasinger Marienplatz. Kreative aus ganz München und Umgebung waren gekommen, um sich das Abrisshaus anzusehen - für Zwischennutzungsprojekte. Unter ihnen war damals, vor drei Monaten, auch Andreas Hantschke. Wer den Fotodesigner, Jahrgang 1989, genau beobachtete, dem fiel auf, dass er in einem der leerstehenden Geschäfte zurückblieb und alles intensiv musterte: Den Vorderraum mit gruselig grün-braun gestrichenen Wänden, rückwärtig die ehemalige Küche mit den Anschlüssen. Da Fotografen schon von Berufs wegen visuell begabte Menschen sind, hat er wohl damals schon alles vor sich gesehen: Menschen, die gemeinsam kochen, essen, Spaß haben. Die unterschiedlichsten Speisen, die er appetitlich in Szene setzt und fotografiert. Für ein Pasinger Kochbuch.

Hantschkes Idee fanden die Organisatoren des Zwischennutzungsprojektes von der Gesellschaft für Stadterneuerung (MGS) so apart, dass er die Zusage für den Raum bekam und loslegen konnte. Die kleine Ladenzeile stellte Investor Martin Bucher zu Verfügung, der den zweistöckigen Behelfsbau aus den frühen Zwanzigerjahren abgereißen wird, um auf dem ehemals städtischen Grundstück ein Geschäftszentrum samt Hotel zu bauen.

Andreas Hantschke und die anderen Kreativen, die nun noch bis Ende April die alte Pappschachtel zu einem ziemlich wunderbaren Ort machen, bekamen die Ateliers mietfrei überlassen; sie mussten sich allerdings selbst um Strom, Gas und Wasser kümmern. Und um einiges mehr, im ehemaligen Backshop war viel zu tun. "Wir haben zuerst alles gestrichen, geweißelt, den Küchenraum mit dem Dampfstrahler sauber gemacht", erzählt Hantschke. Dann hat er sich eine Second-hand-Küche dort hineingebaut und via Youtube gelernt, wie man Fliesen verlegt.

Food Fotografie für das Pasinger Kochbuch

Fürs Auge: Voraussetzung ist professionelle Arbeit am gedeckten Esstisch.

(Foto: Andreas Hantschke / oh)

Am 4. März wurde dann zum ersten Mal gekocht, Couscous-Pfanne; am 5. März gab's Kürbissuppe. Hantschke hatte 1000 Flyer drucken lassen, um Pasinger Köche zu finden. Mit einer Resonanz, die ihn überwältigt hat. "Ich bin auf niemanden aktiv zugegangen, alle haben sich selbst gemeldet", erzählt er. Bis zum letzten Tag, es war der 5. April, begrüßte der Fotograf insgesamt 45 Köche bei sich im Studio. 42 Rezepte konnte er für sein Kochbuch sammeln, das auf 144 Seiten angeschwollen ist. Auf die Frage, wer bei ihm am Herd gestanden hat, antwortet er: "Einfach Menschen aus Pasing" - und gibt Beispiele.

Er tippt auf drei Fotos an der Wand, sie zeigen ein Gericht, das in einer Tajine, einem Schmorgefäß, dampft, eine Teezeremonie und einen Teller Spätzle. Das haben drei Freunde gekocht, dann kredenzt und damit etwas von ihrer Kultur in den kleinen Laden gebracht. Einer der Köche ist ein Tuareg aus Nordafrika, die anderen sind Schwaben. Auch die jungen unbegleiteten Flüchtlingen aus Afghanistan, die um die Ecke von der Pappschachtel in der ehemaligen Wirtschaftsschule leben, hatte der Fotograf im Studio zu Gast gehabt. Besser gesagt: Er war ihr Gast, denn sie haben ja gekocht: "Wenn es auch sprachliche Barrieren gab, wir haben uns wunderbar verstanden."

"Kochen verbindet Menschen unterschiedlicher Kulturen", sagt Andreas Hantschke. Er selbst hat das auf seinen Reisen erlebt. Etwa in Thailand oder Panama, wo er auf Märkten und in Restaurants Leuten bei Kochen über die Schulter geschaut und Bücher darüber veröffentlicht hat. Keinem der Köche hat er etwas vorgeschrieben. "Jeder durfte machen, was ihm schmeckt", so sei eine ziemlich bunte, kulturelle Mischung entstanden - von der Roulade über Veganes, irische Pfannkuchen, Ravioli, brasilianische Spezialitäten, Vorspeisen, Nachspeisen.

Andreas Hantschke beteuert, bei dem Kochmarathon nicht zugenommen zu haben. Er hatte auch viel zu tun an solchen Abenden: Er fotografiert die Leute beim Schnibbeln, Rühren und Braten in der Küche, setzte erst die Köche ins Porträt und dann das Essen unter Scheinwerfern in Szene. Als Food-Fotograf weiß er, was wichtig ist, damit aus einer Quiche oder blauen Zipfeln ein ästhetisches Objekt wird.

Das Pasinger Kochbuch mit seinen 144 Seiten erscheint in einer Auflage von 500 Exemplaren und kostet zehn Euro. Bei einem Fest am Freitag, 22. April, wird von 19 Uhr an der ungewöhnliche Rezeptband in der Pappschachtel vorgestellt. Wer vorbeischaut, wird wohl um einen Rezept-Test nicht herum kommen.

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