Kroatien - Türkei:Heimspiel für München

Deutschland hat es schon geschafft. Heute spielt die türkische gegen die kroatische Elf um den Einzug ins Halbfinale. Die Leopoldstraße wird dann wieder in Rot und Weiß leuchten. Schließlich könnte man die Partie angesichts von 42.662 Münchner Türken und 24.646 Münchner Kroaten schon fast als Derby bezeichnen.

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Deutschland hat es schon geschafft. Heute spielt die türkische gegen die kroatische Elf um den Einzug ins Halbfinale. Die Leopoldstraße wird dann wieder in Rot und Weiß leuchten. Schließlich könnte man die Partie angesichts von 42.662 Münchner Türken und 24.646 Münchner Kroaten schon fast als Derby bezeichnen.

Wir haben uns mit Münchner Türken und Kroaten über ihre Liebe zum Fußball unterhalten.

Rifat Köksal, türkischer Generalkonsul

"Natürlich ist der türkische Generalkonsul Fußballfan", sagt seine Sekretärin am Telefon. Zwar spreche er kein Deutsch, aber man könne einen Dolmetscher organisieren - "Sie müssen kommen!". Und so plaudern wir zu Dritt bei einer Tasse starken Tee über türkischen Fußball und das schlechte Wetter in München - eines der wenigen Dinge, die Köksal nach acht Monaten in der Isarmetropole noch nicht lieben gelernt hat.

Dafür ist er inzwischen großer Bayern-Fan und Stammgast in der Allianz Arena. Der deutschen Nationalmannschaft lässt der Generalkonsul zur Begrüßung seinen Glückwunsch ausrichten. "Ich hätte fast einen Herzinfarkt bekommen, an dem Abend war ich mehr Deutsch als die anderen", sagt Köksal. Schließlich bringe Fußball die Kulturen und Gesellschaften näher. Zum Beweis zeigt der Konsul das Bayern-Trikot vom türkischen Nationalspieler Hamat Altintop.

Vor der kroatischen Mannschaft hat er keine Angst. "Der Ball mag unsere Mannschaft" - das habe schon das Spiel gegen Tschechien gezeigt. Überhaupt scheint Fußball in der Türkei eine eher emotionelle Angelegenheit zu sein: Bei der EM sei die Mannschaft nur so erfolgreich, weil so viel Gefühl dabei ist, erklärt der Generalkonsul. "Und wenn dieses Gefühl am Freitag wieder dabei ist, werden wir gewinnen!"

Foto: Anna Fischhaber Text: Anna Fischhaber

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Tomislav Dukic, kroatischer Pfarrer

"Sagen Sie bloß, Sie kennen die Kovac-Brüder nicht?" In Sachen Fußballbegeisterung steht Tomislav Dukic dem türkischen Generalkonsul in nichts nach - auch wenn man das dem kroatischen Pfarrer in der schwarzen Tracht nicht sofort ansieht. "Aber wenn Kroatien spielt, tausche ich die natürlich gegen ein Trikot", erklärt der himmlische Abgesandte. Schließlich sei Fußball der Volkssport in seiner Heimat. Besonders stolz ist Dukic darauf, dass er Mannschaftskapitän Niko Kovac (im Bild links) auf einer Pilgerfahrt persönlich kennen gelernt hat.

In der katholischen Mission in der Schwanthalerstraße, der 40.000 Kroaten aus München und Umgebung angehören, hat der Pfarrer extra einen Fernsehraum einrichten lassen. Gemeinsam mit seinen Gläubigen schaut er hier alle EM-Spiele - und schickt dabei so manches Stoßgebet nach oben. Auch wenn Fußball in Kroatien mehr mit Wissen und weniger mit Gefühl zu tun zu haben scheint.

"Viele unserer Spieler sind in der Bundesliga, sie kennen den deutschen Fußball" - so erklärt sich Dukic den Sieg gegen die deutsche Elf. Trotz der Niederlage könnte Deutschland aber noch Europameister werden, glaubt der Pfarrer, der seit vier Jahren in München lebt. Ganz im Gegensatz zu den Türken: "Sie werden gegen uns scheitern, wir haben einfach mehr Fußballwissen."

Foto: Tomislav Dukic/oh

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Derya und Yusuf, türkische Kellner

Am Hauptbahnhof ist nicht zu übersehen, dass die Türken die größte Minderheit in München stellen - Autos, Schaufenster und Menschen ziert statt schwarz-rot-gold der weiße Halbmond. Auch das Döner-Restaurant Saray ist in rot und weiß dekoriert. Derya arbeitet hier - und hat deshalb nur wenig Zeit, um über türkischen Fußball zu sprechen.

"Wir haben eh wenig Chancen gegen Kroatien", sagt sie traurig. "Wir werden gewinnen, wir müssen einfach gewinnen", unterbricht sie Kollege Yusuf. Wichtig sei, dass man Fußball mit Leidenschaft angeht, erklärt Derya. Da ist er wieder, der gefühlvolle türkische Fußball. Und ihr Lieblingsspieler? "Arda Turan, weil der so leidenschaftlich spielt" - natürlich.

Seit drei Jahren wohnt die hübsche Türkin in München. Sie mag die Stadt - auch wenn die Menschen hier manchmal so kalt seien. "Besser als in Hannover", sagt Yusuf, der erst vor einem Monat her gezogen ist. "Es ist mehr los, vor allem in Schwabing." Am Freitag wollen die beiden dort wieder Fußball schauen und hinterher auf der Leopoldstraße feiern - egal, ob die Türkei nun gewinnt oder nicht.

Foto: Anna Fischhaber

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Florian Grubisin, kroatischer Fachinformatiker

"Die Stimmung ist sensationell, ganz Österreich ist rot-weiß - und zwar kariert. Die Kroaten haben die Herrschaft übernommen", erzählt Florian Grubisin. Er hatte Glück, er hat eine der wenigen EM-Karten ergattert und ist bei allen Spielen seiner Mannschaft vor Ort. Zwar ist der Fachinformatiker in München geboren worden, sein Fußballherz schlägt aber nur für ein Land - Kroatien.

Auch beim Sieg gegen Deutschland in Klagenfurth seien vor allem kroatische Fans im Stadion gewesen. "Von den Deutschen hat man zum ersten Mal gehört, als sie ein Tor geschossen haben." Grubisins Lieblingsspieler ist der neue Star am Stürmerhimmel, Luka Modric. "Er kämpft sich immer wieder frei und - so klein, wie er ist - schlüpft er überall durch!" Die Türken dürfe man dennoch nicht unterschätzen, der Sieg gegen Tschechien ist auch Grubisin in Österreich nicht entgangen.

"Ein Vorteil für uns könnte aber sein, dass der Torwart gesperrt wurde", sagt der 23-Jährige. "Aber wir werden kämpfen müssen." Seiner zweiten Heimat, München, will Grubisin spätestens zur Rente den Rücken kehren. Und auch fussballtechnisch räumt er Deutschland nicht so viele Chancen bei der EM ein: "Auch wenn ich Deutschland den Sieg gönnen würde!" Und wer wird Europameister? "Was für eine Frage! Kroatien natürlich!"

Foto: Anna Fischhaber

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Cumali Naz, türkischer Vorsitzender des Ausländerbeirats

"Nach dem ersten Spiel der Türken gegen Portugal waren wir sehr enttäuscht, wir hatten mehr von der Mannschaft erwartet", sagt Cumali Naz. "Aber jetzt, nach dem Wunder gegen Tschechien, haben wir wieder Selbstbewusstsein bekommen." Von Gefühlen auf dem Rasen hält der Vorsitzende des Ausländerbeirats aber weniger - die türkische Elf müsse ihre Emotionen besser kontrollieren: "Das war ein blöder Fehler, dass unser Torwart Koller mit dem Kopf gestoßen hat, die rote Karte war berechtigt."

Naz kennt sich aus, jeden Sonntag läuft er selbst im blau-weißen Trikot des Ausländerbeirats auf. "Ich bin für die Tore zuständig - als fauler Mittelfeldstürmer warte ich auf die guten Flanken." Man habe schon gegen den Landtag, den Münchner Stadtrat und die Polizei gewonnen. Naz bezeichnet sich selbst als "Münchner", seit 1982 wohnt er an der Isar. Hier hat er mehr Zeit als in Adana, seiner Heimatstadt, verbracht. Er mag die Berge, die Seen und die Multikulturalität in München - "das ist eine der Stärken der Stadt". Zur EM empfiehlt er eine der vielen türkischen Buden am Hauptbahnhof.

Naz selbst schaut zu Hause Fußball - wegen der beiden kleinen Söhne. "Die ganze Familie drückt der Türkei die Daumen!" 50/50 schätzt er die Chancen gegen Kroatien. "Das wird eine harte Auseinandersetzung!" Aber auch der Einzug ins Viertelfinale sei für die türkische Elf schon ein Erfolg gewesen. Und wenn sie wieder gewinnt? Dann gibt es für Cumali Naz kein Halten mehr, dann will er mit den 42.661 anderen Münchner Türken auf der Leopoldstraße feiern.

Foto: Cumali Naz/oh

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Tomi Jelicic, kroatischer Medizinstudent

"Wir haben einen jungen Trainer, der viel bewegt. Und junge, motivierte Spieler" - so erklärt sich Tomi Jelicic den Erfolg der Kroaten. Vor der EM hätte er den nie für möglich gehalten. "Die kroatischen Erfolge sind ja schon eine Weile her", erklärt der Medizinstudent. Aber nach der Gruppenphase sei man klarer Favorit. "3:1 werden wir gegen die Türkei gewinnen", da ist sich Tomi sicher. Und das obwohl er viel von türkischen Torhütern hält.

Beim BSC Sendling, wo der 23-Jährige regelmäßig kickt, steht ein Türke im Tor. "Er ist schon über 50, aber es ist unglaublich, was der alles hält", lobt er seinen Mannschaftskollegen. Tomis Eltern sind in den 70ern nach München ausgewandert. Während des Jugoslawien-Krieges haben sie den "Kroatischen Familienkreis Hrvatsko obiteljsko kolo" gegründet, der sich um Flüchtlinge aus der Heimat kümmert.

Bayernfan Tomi fühlt sich vor allem als Müncher: "Das ist die schönste Stadt in Deutschland - und die sicherste! Wo sonst, kann man um drei Uhr nachts allein durch die Straßen gehen ohne sich Sorgen zu machen?" Während der EM trifft man ihn in einem der vielen kroatischen Cafés in der Stadt - im Tribù am Goetheplatz zum Beispiel. Am Freitag will Tomi wieder zum Autokorso in der Leopoldstraße. "Denn zumindest feiern können wir besser als die Türken und die Deutschen!"

Foto: Tomi Jelicic/oh

(sueddeutsche.de)

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