Kritik III:Elastisch

Lesezeit: 1 min

Münchner und Petersburger musizieren gemeinsam

Von Harald Eggebrecht, München

- Ein lehrreiches, nach der Pause auch begeisterndes Konzert. Lehrreich, weil zu sehen war, dass ein großartiger Konzertmeister wie Lorenz Nasturica-Herschcowici nicht auch ein toller Dirigent sein muss; oder dass ein preisgekrönter Geiger wie Sergey Dogadin, Jahrgang 1988, sich schwer tut mit Wolfgang Amadeus Mozarts 2. Violinkonzert D-Dur KV 211; dann aber lehrreich zu erleben, welche Energien ein Dirigent von Weltrang wie Valery Gergiev freisetzt, wenn er Edward Elgars Streicherserenade op. 20 und dessen Introduction and Allegro op. 47 so zupackend wie hoch differenziert darstellt.

Basis des Konzerts in der Philharmonie war die kultiviert und aufmerksam spielende Kombination aus Musikern des Kammerorchesters der Münchner Philharmoniker und des Mariinsky Stradivari Ensembles. Bei Mozarts Sinfonia Concertante KV 364 leitete Nasturica-Herschcowici die Kollegen und spielte den Violinsolopart, Yuri Afonkin von den "Mariinskys" den Violasolopart. Die Doppelfunktion als Dirigent und Solist führt selten zu befriedigenden Resultaten. Doch die Musiker waren wach bei der Sache, beide Solisten legten sich mit Verve ins Zeug. Die Kadenzen gelangen sehr gut und im langsamen Satz entwickelten sie dessen schwermütiges Melos überzeugend. Insgesamt blieb der Eindruck einer etwas pauschalen Darbietung. Mozarts Parlando zu entfalten, machte Sergey Dogadin Mühe. Technisch hochversiert, wie seine Paganini-Zugabe bewies, fehlte es ihm an gesanglich-freiem Ton, an Phrasierungssicherheit und -gelassenheit, die diese Musik des 19-jährigen Mozart unbedingt braucht für die Entfaltung von Vitalität, Überraschungswitz und Cantabile-Schönheit. Dogadin wirkte eher eng, ja, spitz im Ton, steif in Haltung und Vortrag und im Andante ziemlich kurzatmig beim Ausspielen der melodischen Bögen. Nasturica leitete das Orchester so zurückhaltend, dass das Dialogische, Theaterhafte dieser Musik kaum Wirklichkeit wurde.

Doch dann kam Gergiev, griff ins volle Menschenleben der Musiker und befeuerte seine Streicher zu herrlich elastischer Klangpracht, breitete Elgars melodische Sehnsucht aus in der dreisätzigen Serenade ebenso wie er Introduktion und Allegro als vielschichtig-polyphones, farben- und gestaltenreiches Konzertstück mit solistischem Streichquartett fesselnd strukturierte.

© SZ vom 14.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: