Kriminalität:Warum die Stadt das Sicherheitskonzept der CSU ablehnt

Kriminalität: Mehr Kameras in Fußgängerzonen wie hier zwischen Marienplatz und dem Alten Peter? Die Stadt hält das für kontraproduktiv.

Mehr Kameras in Fußgängerzonen wie hier zwischen Marienplatz und dem Alten Peter? Die Stadt hält das für kontraproduktiv.

(Foto: Catherina Hess)
  • Das Kreisverwaltungsreferat lehnt die Sicherheitsoffensive der CSU ab, derzufolge mehr Videoüberwachung in "Angsträumen" stattfinden sollte.
  • Solche Pläne würden zusätzlich Ängste schüren, heißt es aus dem Kreisverwaltungsausschuss.
  • Stadt und Polizei arbeiten weiter an Konzepten für mehr Sicherheit an Brennpunkten wie dem Hauptbahnhof oder dem Alten Botanischen Garten.

Von Dominik Hutter

Die Sicherheitsoffensive der CSU findet beim Kreisverwaltungsreferat keine Gnade. Nach Einschätzung von Behördenchef Thomas Böhle sind weder ein gezielter Ausbau der Videoüberwachung noch ein spezielles Sicherheitskonzept für die Fußgängerzone erforderlich. München sei die sicherste Millionenstadt Deutschlands - weder die Polizei noch die kommunale Sicherheitsbehörde befürworteten die im Januar von den Stadträten Manuel Pretzl und Michael Kuffer geforderten Maßnahmen.

Besonders kritisch sieht Böhle die Forderung, "Angsträume" zu identifizieren und abzusichern. Ein derart subjektiver Begriff stelle "keinen Gradmesser für die Sicherheitslage in der Stadt dar", steht in der Beschlussvorlage für den Kreisverwaltungsausschuss am kommenden Dienstag. Er sei vielmehr geeignet, erst recht Ängste zu schüren.

Die CSU reagiert empört auf die Einschätzung Böhles. "Ich finde dieses Papier völlig ungenügend", sagt Fraktionsvize Kuffer über die Ausführungen aus dem Kreisverwaltungsreferat. Letzten Endes gehe der Referent "von einer Situation aus, die mit der Realität beispielsweise am Hauptbahnhof nicht viel gemein hat". Böhles Position sei "beschwichtigend", die CSU werde am Dienstag im Stadtrat entsprechend auftreten.

Kuffer, der am Sonntag im Münchner Süden bei der Bundestagswahl antritt, hatte im Frühjahr Aufsehen mit seinem "Angstraummelder" erregt. Auf der Online-Plattform können die Münchner Orte eintragen, an denen sie sich unwohl fühlen. Der Bündnispartner SPD hatte damals empört über Angstmacherei und puren Wahlkampf gesprochen.

Auch Böhle, selbst Mitglied der SPD, kann mit "Angsträumen" nichts anfangen. Bei deren Definition stehe "zumeist keine tatsächlich vorhandene Bedrohung oder Kriminalität im Vordergrund, sondern das individuell unterschiedlich empfundene Sicherheitsgefühl". Manche fühlten sich bereits durch Graffiti gestört, andere lobten dies als urbane Kunstform. Entsprechend falle die Einschätzung des jeweiligen Ortes aus. Die von einigen Bürgern als "Angstraum" eingestufte Paul-Heyse-Unterführung etwa sei laut Polizeistatistik völlig unauffällig. "Trotz vereinzelt lagernder Obdachloser" gebe es keine Häufung von Straftaten. Auch der in Kuffers "Angstraummelder" aufgetauchte Partnachplatz in Sendling sei alles andere als ein Kriminalitätsschwerpunkt, urteilt die kommunale Sicherheitsbehörde mit Verweis auf die Zahlen der Polizei.

Anders sehe es etwa am Hauptbahnhof, im Alten Botanischen Garten oder an der Feierbanane in der Innenstadt aus, wo laut Kriminalitätsstatistik echte Brennpunkte bestehen. An diesen Orten seien Stadt und Polizei aber bereits aktiv geworden und berieten weiterhin regelmäßig über die Lage, erinnert Böhle. Am Runden Tisch Hauptbahnhof, an dem auch die Deutsche Bahn und die MVG mitwirkten, sei etwa die Idee für das nächtliche Alkoholverbot entstanden, das mittlerweile eingeführt wurde.

Im Alten Botanischen Garten hat das Baureferat das Unterholz ausgedünnt und prüft, wie die Beleuchtung verbessert werden kann. Gegen eine flächendeckende Videoüberwachung sprechen nach Auffassung Böhles nicht nur entsprechende Stadtratsbeschlüsse, sondern auch der Datenschutz. Videoüberwachung sei nur nach sorgfältiger Abwägung und ausschließlich an Brennpunkten erlaubt.

Neben unbestreitbaren Vorteilen gebe es Bedenken wegen einer Beeinträchtigung der individuellen Freiheitsrechte sowie die Sorge, durch die Existenz von Kameras erst recht Angst vor Kriminalität zu schüren. Auch die Polizei sieht laut Böhles Vorlage keinen Grund für einen Großeinkauf von Kameras. Es gebe "derzeit keine Bestrebungen für einen flächendeckenden Ausbau der Videoüberwachung und aufgrund der insgesamt guten Sicherheitslage auch keinerlei Veranlassung dazu". Überwachen dürfe man zudem nur echte Kriminalitätsschwerpunkte und nicht etwa "Angsträume".

Kritik übt Böhle an der CSU-Forderung nach einem Sicherheitskonzept für die Fußgängerzone. Man könne nicht alle Eventualitäten absichern, die Lage werde aber ständig bewertet. Die Idee der CSU, die Behörden mögen sich doch Tipps im terrorgeplagten Israel holen, hält Böhle für abwegig. Die Sicherheitslage dort sei "in keiner Weise mit München vergleichbar".

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