Kriminalität:Sieben Mythen über den Schutz vor Einbrechern

Kriminalpolizeiliche Beratungsstelle

"Oft genügt schon ein zweites Schloss an der Wohnungstür, und der Einbrecher versucht es lieber woanders," sagt ein LKA-Experte.

(Foto: dpa)
  • In München ist die Zahl der Wohnungseinbrüche im Jahr 2015 um 22 Prozent gesunken.
  • Dennoch wollen Bewohner ihre Wohnungen und Häuser sicherer machen.
  • Schon ein paar Sicherheitsmaßnahmen, oft schon ein zweites Schloss, können Einbrecher abschrecken.

Von Martin Bernstein

Die gute Nachricht zuerst: Gegen den bundesweiten Trend nimmt in München die Zahl der Wohnungseinbrüche ab. 2015 registrierte die Münchner Polizei 1108 Einbrüche, ein Minus von 22 Prozent. Und der Trend hält an, zumindest sagen das die aktuellen Zahlen bis Ende Mai.

Doch es gibt auch Fälle wie diesen: In der Nacht des 22. Juni erlebt ein Ehepaar aus Neuried einen Albtraum, nach dem Erwachen. Von Lärm geweckt gehen die beiden in ihr Wohnzimmer. Und stehen dort einem Einbrecher gegenüber. Der geht sofort zur Attacke über. Als er flüchtet, sind die beiden Bewohner krankenhausreif. Es ist ein dramatischer Fall - doch es ist ein Einzelfall. Das sagt Einbruchsexperte Arno Helfrich. Helfrich leitet das Kommissariats für Prävention und Opferschutz im Polizeipräsidium. Einbrecher scheuen meistens den Kontakt mit Bewohnern.

Umso wichtiger ist es, ihnen das Eindringen schwer zu machen. Etwa 2000 Menschen aus Stadt und Landkreis wollten 2015 von Helfrich und seinen fünf Mitarbeitern wissen, wie sie ihre Wohnungen sicherer machen können. Darum ging es auch auf der Messe "Sicherheitsexpo 2016", die am Mittwoch und Donnerstag im MOC Veranstaltungscenter München stattfand. Unter mehr als hundert Ausstellern war ein Stand des Landeskriminalamts (LKA).

Polizeiliche Sicherheitsberater wie Martin Möhring vom LKA oder Arno Helfrich räumen immer wieder mit Falschinformationen auf. Aus diesem Anlass sieben Dinge, die wir über Einbruchskriminalität zu wissen glauben - und was dahinter steckt.

"Die Zahl der Einbrüche nimmt seit Jahren zu." - Falsch.

Zumindest für München trifft diese Aussage nicht zu. 2010 registrierte das Polizeipräsidium mit 798 Wohnungseinbrüchen den niedrigsten Stand seit Anfang der Sechzigerjahre. Danach stieg die Zahl zwar vier Jahre in Folge an. Bis auf 1426 Einbrüche im Jahr 2014. Doch seither sinkt die Rate wieder - um 232 Fälle im vergangenen Jahr. Und nahezu jeder zweite Einbruchsversuch scheitert, weil sich Mieter und Hausbesitzer vor Einbrechern geschützt haben.

"Profis kommen in jede Wohnung. Deshalb bringt verstärkter Einbruchschutz eh nichts." - Falsch.

Ein Einbrecher will schnell zum Erfolg kommen, sagt LKA-Experte Möhring. In maximal drei Minuten muss die Tür aufgestemmt sein, sonst wird die Sache für den Täter zu heikel. Möhring hat es selbst ausprobiert und zusammen mit vier Kollegen versucht, ein modernes Sicherheitsfenster gewaltsam zu öffnen - sie haben eine halbe Stunde dafür gebraucht. "Oft genügt schon ein zweites Schloss an der Wohnungstür, und der Einbrecher versucht es lieber woanders."

"Am sichersten sind Wohnungen ganz oben unterm Dach." - Falsch.

In Einfamilienhäuser dringen die Täter meist durch rückwärtige Fenster oder Terrassentüren ein. Manchmal auch über den ersten Stock, wenn Gartenmöbel oder gar Leitern herumstehen. In Mietshäusern kommen die Wohnungsknacker dagegen durch die Tür.

Viele Täter suchen sich dafür Wohnungen in den oberen Stockwerken aus. Dann ist zwar der Fluchtweg für sie länger, sie haben aber auch mehr Zeit zu verschwinden, wenn sie einen Bewohner im Treppenhaus kommen hören. Außerdem kommt ganz oben niemand zufällig vorbei, die Einbrecher sind ungestört.

"Einbrecher kommen meistens nachts." - Falsch.

Weil die Täter den Kontakt mit den Bewohnern in den meisten Fällen scheuen, kommen sie laut Arno Helfrich gerne, wenn sie glauben, dass Haus oder Wohnung leer sind. In der Urlaubszeit also. Oder während der normalen Arbeits- und Schulzeiten zwischen 9 und 15 Uhr.

"Freiwillig lässt doch niemand einen Einbrecher in die Wohnung." - Falsch.

Möhring weist auf die Statistik hin. In der Stadt München gelangen etwa 17 Prozent der Einbrecher in die Wohnung, weil Fenster gekippt oder offen sind. Lüften und dann das Zimmer verlassen und die Tür hinter sich schließen - keine wirklich gute Idee, findet auch Polizeisprecher Peter Beck. Auf dem Land dagegen bleiben Türen oft komplett unversperrt, oder der Schlüssel ist vor dem Haus vermeintlich "versteckt". Profis kennen aber alle Verstecke. Fast jeder fünfte Einbruch in Oberbayern passiert auf diese Weise.

"Beratung ist teuer. Und Einbruchsschutz aufwendig und kompliziert." - Falsch.

Berater der Polizei wissen, wie sich Fenster und Türen so nachrüsten lassen, dass sie nicht aufgehebelt werden können. Sie kommen ins Haus, kostenlos. Allerdings hat das Präsidium (Anruf unter 089/2910-3430) Wartezeiten von bis zu zehn Wochen. Denn, so Helfrich, "der Run ist seit zweieinhalb Jahren ungebremst". Die Berater schauen sich das Haus an, wie es ein Täter tun würde. Und empfehlen dann absperrbare Fenstergriffe, neue Beschläge, Zusatzschlösser, Querriegel an den Türen. Es gebe sehr gute geprüfte und zertifizierte Bauteile, sagt Helfrich. Den Einbau sollte immer ein Fachmann machen: "Sicherheit gibt's nicht geschenkt."

"Die Polizei ist gegen die immer professioneller werdenden Einbrecherbanden machtlos." - Falsch.

Die Münchner Zahlen zeigen, dass die Polizei mit einem "ausgewogenen Mix aus nachhaltiger Prävention, präziser Lageauswertung und effektiver Strafverfolgung", so Polizeipräsident Hubertus Andrä, durchaus etwas machen kann. Dabei hilft ihr ein elektronisches Analysesystem namens Precobs. Der Computer berechnet für die Polizei, wo Einbrüche besonders wahrscheinlich sind. Und er hat oft Recht.

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