Kriminalität im Netz:Perfide Hassbotschaften

Die Polizei identifiziert Kriminelle, die im Internet gezielt gegen Beamte hetzten. Einer von ihnen verwendete für seinen Twitter-Account den Namen eines Mannes, der vor einem Jahr einer Beamtin in den Kopf schoss

Von Thomas Schmidt

Bei Drohungen und Beschimpfungen im Internet scheint die Kreativität grenzenlos. Und der Hass sowieso. Auf so manchen Onlineforen hat sich eine Debattenkultur etabliert, die nicht nur widerlich ist, sondern mitunter auch strafrechtlich relevant. Hetzt ein Kommentator auch noch gezielt gegen Staatsanwälte, Richter oder die Polizei, dann steigt die Motivation der Strafverfolger, zurückzuschlagen. Genau das tut die Münchner Polizei mit zunehmenden Erfolg. Innerhalb nur einer Woche haben die Ermittler drei Fälle bekanntgegeben, bei denen sie die Urheber von Hasskommentaren identifizieren und anzeigen konnten.

Für jeden getöteten Polizisten werde er die Anwaltskosten des Täters übernehmen, postete ein zunächst unbekannter Mann auf Twitter. Es ist der jüngste der drei Fälle - und ein besonders perfider. Unter verschiedenen Namen breitete der Unbekannte seinen Hass im Internet aus. Es begann wohl schon im Sommer 2016, doch besonders aktiv wurde er nach der Schießerei am S-Bahnhof Unterföhring.

Vor ziemlich genau einem Jahr, am 13. Juni 2017, eskalierte dort eine scheinbar harmlose Personenkontrolle. Ein psychisch kranker Täter entriss einem Beamten die Dienstwaffe und schoss der damals 26-jährigen Polizistin Jessica L. in den Kopf. Bis zum heutigen Tag liegt die junge Frau im Wachkoma. Der Polizistenhasser im Internet nutzte fortan den Namen des Schützen als Twitter-Account. Er schrieb, es jucke ihn nicht, wenn Jessica sterbe. Er beschimpfte sie, erging sich in Vergewaltigungsfantasien mit Polizistinnen und veröffentlichte nationalsozialistische Bilder.

Obwohl er für die Verbreitung seines Hasses nicht seinen wahren Namen nutzte und unter verschiedenen Pseudonymen schrieb, konnten Fahnder den Urheber schließlich ausfindig machen. Drei Fachkommissariate waren in die Ermittlungen eingebunden: Mord, Cybercrime und politisch motivierte Kriminalität - offensichtlich nahm das Präsidium den Fall sehr ernst. Über seine IP-Adresse, sozusagen der Fingerabdruck eines Computers, identifizierten die Ermittler einen 30 Jahre alten Münchner als Tatverdächtigen. In den frühen Morgenstunden des vergangenen Mittwochs rückten Einsatzkräfte vor der Wohnung des Mannes in Milbertshofen an, nahmen ihn fest und sicherten Beweismaterial. Unter anderem fanden sie mehr als ein Kilogramm Marihuana und ein gestohlenes Autokennzeichen. Der Polizistenhasser war mutmaßlich auch ein Drogenhändler und brachte die Beamten erst durch seine Twitter-Posts auf seine Spur.

Damit ist er nicht der einzige. Offenbar legen es einige Kriminelle geradezu darauf an, geschnappt zu werden. Vergangene Woche wurde ein Fall publik, bei dem ein 48 Jahre alter, mutmaßlicher "Reichsbürger" aus München ein wirres Konvolut aus Beleidigungen und Drohungen gegen die Polizei ins Internet stellte. Offenbar befürchtete er, die Beamten könnten sein Pamphlet übersehen, deswegen faxte er dem Staatsschutz zur Sicherheit eine Zusammenfassung. Die Folge: Wohnungsdurchsuchung und Strafanzeige.

Bei einem weiteren Fall, der diesen Mittwoch bekannt wurde, hatte ein Straftäter kaum den Gerichtssaal verlassen, in dem er wegen Beleidigung eines Polizisten verurteilt worden war, da legte er erneut los und schrieb auf Facebook, die Staatsanwältin und der Richter seien "scheiß Rassisten". Weil der 31-Jährige als gewaltbereit gilt und außerdem drohte, eine Polizisten zu töten, wurde er schließlich in eine Haftzelle gesteckt.

Es ist allzu leicht, mit einem Mausklick Hass zu verbreiten. Doch Polizei und Justiz verfolgen solche Straftaten immer konsequenter. Bei einem bundesweiten Aktionstag führten am Donnerstag 20 Polizeidienststellen bundesweit Wohnungsdurchsuchungen und Vernehmungen durch. Verfolgt wurde insbesondere antisemitische und fremdenfeindliche Kommentare. Volksverhetzung im Internet wird mit bis zu fünf Jahren Haft bestraft.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: