Kriminalität:Doofe Diebe - wenn sich Einbrecher mit dem iPad selbst überführen

Die moderne Technik birgt für Kriminelle in München Tücken. Denn die Geräte schicken mal verräterische Fotos, mal filmen sie beim Marihuana-Anbau.

Von Martin Bernstein und Susi Wimmer

In der guten alten Zeit der Kriminalität war immer wieder vom "Kommissar Zufall" die Rede, der der Polizei den einen oder anderen spektakulären Fahndungserfolg lieferte. Nicht selten lobten die Sicherheitsorgane sich dann selbst für das tolle "Ergebnis intensiver Ermittlungsarbeit". Das Lob ist geblieben, aber Kommissar Zufall ist mittlerweile im Ruhestand. Abgelöst wurde er von einem Phänomen, das man vielleicht als mangelnde Technik-Affinität von Kriminellen umschreiben könnte. Computer, Handy, Kameras - die komplizierte Elektronik in solchen Geräten gibt manchem Verbrecher schier unlösbare Aufgaben auf.

Als Laie stellt man sich das so vor, dass bei der Planung des großen Coups halt selten noch genügend Zeit bleibt, die Gebrauchsanweisungen der zum kriminellen Einsatz verwendeten Geräte so gründlich zu studieren, wie es eigentlich nötig wäre. Das rächt sich. Denn dann überführen manche Ganoven sich selbst. Wer mag, könnte hier von Kommissar Zufall 2.0 sprechen.

Ungenügender Reset

Auch den Polizeidienststellen in und um München ist das Phänomen bekannt. Manch schöner Fahndungserfolg ist darauf zurückzuführen. Jüngstes Beispiel ist der Sprengstoff- und Waffennarr aus Allach, der sich jüngst eine Kamera zulegte, um die ebenfalls von ihm betriebene Marihuana-Plantage im Keller damit zu überwachen. Was der Mann nicht ahnte (oder in seiner Konsequenz nicht durchdachte): Die Kamera war so ein ganz modernes Ding, das nicht nur auf Wärme und Bewegung reagiert, sondern die dabei gemachten Aufnahmen gleich an jede gewünschte Mail-Adresse weiterleitet.

Das war nun freilich nicht die des Allachers, sondern die eines Vorbesitzers der Kamera, der offenbar vor Rückgabe der Kamera den Reset nicht vollständig durchgeführt hatte. Die inkriminierenden Fotos landeten so zunächst in Wiesbaden, dann bei der Polizei. Und der verdutzte Allacher vor dem Haftrichter, der ihn nur gegen Auflagen vorerst wieder gehen ließ.

Virtuelle Hochzeitsgäste

Ähnlich technisch ahnungslos war ein Einbrecher, der im Jahr 2014 in ein Haus bei Freising eingestiegen war. Er und seine Komplizen entdeckten einen Tresor, flexten ihn auf und fanden darin Schmuck im Wert von gut 100 000 Euro - und: ein iPad. Prima, muss sich einer der Täter gedacht haben, damit kann man tolle Fotos knipsen. Und er nutzte das Tablet gleich, um seine eigene Hochzeit zu fotografieren. Was er nicht wusste: Der eigentliche Besitzer des iPads hatte die Funktion so eingestellt, dass alle Bilder sofort in seine Cloud übermittelt wurden. Und so staunte der Bestohlene nicht schlecht, als in seiner Cloud Fotos von der Hochzeit des Diebes erschienen. Er ging damit zur Polizei und die konnte dank eines Gesichtserkennungsprogramms beim Landeskriminalamt die Identität des Hochzeiters klären. Die Flitterwochen des Einbrechers dürften wenig romantisch ausgefallen sein.

Beweis auf der Sim-Karte

Reichlich ungeschickt verhielt sich vor knapp drei Jahren auch ein damals 30 Jahre alter Hooligan-Fan des FC Bayern. Der Fußball-Gewalttäter fand es offenbar pfiffig, eine Schlägerei mit verfeindeten Hooligans von Eintracht Frankfurt zu filmen. Der Türsteher stand am Rande der Kampfbahn und feuerte die Kontrahenten an, die sich prügelten und traten. Selbst mitmachen wollte er offenbar nicht, hätte ja wehtun können. Da war es doch viel ungefährlicher, das Gewalt-Video aufzunehmen. Mit dem Filmchen auf dem Handy besuchte der 30-Jährige kurz darauf ein Derby im Grünwalder Stadion. Beim gescheiterten Versuch, den Sechzger-Block zu stürmen, nahm die Polizei den Mann fest. In seiner Tasche fand sie dessen Handy. Und darauf das Schläger-Video als Beweismittel.

Technik lenkt ab

Ablenkung durch moderne Technik ist schon manchen Übeltätern zum Verhängnis geworden. Auf dem Höhepunkt der Pokémon-Go-Welle im Juli wurde ein Münchner Opfer seiner Begeisterung für das Handy-Spiel. Der Mann war so vertieft in die virtuelle Jagd nach den kleinen Monstern, dass er nicht bemerkte, dass er trotz der morgendlichen Stunde nicht allein war am Richard-Strauss-Brunnen. Zwei Streifenbeamten fiel auf, dass es rund um den Handy-Spieler deutlich nach Marihuana roch. Tatsächlich hielt der Mann einen Joint in der Hand. "Oh Shit", sagte der Ertappte zu den Polizisten, "darf ich das noch schnell fertig machen?" Laut Polizei hatten die Beamten Verständnis. Der 30-Jährige war nämlich gerade dabei, "die hiesige Arena" einzunehmen - sein Pokémon war auf der Siegerstraße. Der Mann durfte den virtuellen Kampf beenden.

Ein Katzenvideo hilft der Polizei

Analog ist out

Manchmal scheitern Verbrecher, weil sie mit Technik aus dem analogen Zeitalter moderner Technologie zu Leibe rücken wollen. Beim dilettantischen Versuch, mit einer Gasflasche einen Geldautomaten zu sprengen, ist ein Panzerknackertrio in Deisenhofen im Juli an den Tücken der Technik gescheitert - und dabei auch noch fotografiert worden. Die drei Männer hatten versucht, einen Geldautomaten im Selbstbedienungsbereich der Hypo-Vereinsbank in der Bahnhofstraße zu sprengen, indem sie Gas aus einer Flasche über einen Schlauch in den Automaten strömen ließen.

Dann verließen sie den Vorraum und versuchten, das Gas von draußen zu zünden. Als nichts passierte, machten sie sich davon. Sie waren dabei jedoch abgelichtet worden. Außerdem hatte beim Sicherheitsdienst der Bank der Automat Alarm geschlagen. Bei einem ähnlichen Versuch scheiterten Automatenknacker in Oberhaching wenig später erneut. Jetzt zündete das Gas, die Sparkassenfiliale lag in Trümmern. Nur die Geldkassette hatte dem brachialen Zugriff Stand gehalten.

Unprofessioneller Informatiker

Besonders spektakulär war der Fall des so genannten Westend-Entführers. Sechs Jahre und zehn Monate Haft brachten seine Fehler dem Thailand-Auswanderer ein. Von Südostasien aus plante der Mann 2015 seinen Coup, um wieder zu Geld zu kommen - die Entführung der Frau eines Bank-Managers. Bis zum Westend ging der Plan des damals 52-Jährigen so halbwegs auf, danach ging aber schief, was nur schief gehen konnte. Das Opfer konnte fliehen, der Entführer lief durch den videoüberwachten Bereich eines Autohauses. Im Erpresserbrief hatte der Mann zudem seine Handy-Nummer genannt. Von derselben Nummer aus hatte er den Vermieter des geplanten Verstecks im Westend kontaktiert.

Auch das Auswechseln der Sim-Karte half da nichts mehr, zumal der Täter die Verpackung im Müll entsorgte, wo die Polizei sie fand. Das Handy (und damit der fliehende Entführer) konnte geortet werden - am Münchner Flughafen, wo der Erpresser dann auch noch von der nächsten Kamera gefilmt wurde. In Thailand klickten schließlich die Handschellen. "Mangelnde Professionalität", bescheinigte die Richterin dem Entführer später. Der tapsige Umgang mit moderner Elektronik erstaunt in diesem Fall umso mehr, als der Täter gelernter Diplom-Informatiker ist.

Katzenvideo

Hin und wieder bekommt die Polizei sogar Hilfe aus dem Tierreich. Vor einem Jahr überführte eine Katze eine international agierende Einbrecherbande. Genau genommen war es nicht der Vierbeiner, sondern eine Kamera, die possierliche Bilder des Tiers fürs Internet machen sollte. Bei einem Einbruch im Würmtal schaute der 37-jährige Bandenchef geradewegs in die Kamera. Es war der entscheidende Hinweis für die Ermittler. Und der Schlag gegen die Bande nach vier Monaten intensiver Polizeiarbeit ein großer Erfolg.

Denn bei mindestens 32 Einbrüchen hatte die Bande Beute im sechsstelligen Bereich gemacht. Die Aufzeichnungen der Kraillinger Katzenkamera zeigte die Münchner Polizei ihren Kollegen aus anderen Bundesländern, aber auch aus dem Ausland. Ein österreichischer Gendarm erkannte dann den Mann, der auf dem Katzenvideo zu erkennen war. Nicht putzig, aber deutlich.

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