Kriegsverbrecherprozess:"Das Leben wird nun heiterer sein"

Lebenslange Haftstrafe für den Kriegsverbrecher Josef Scheungraber: Den Verwandten der Opfer bedeutet das Urteil viel.

Christina Warta

Als alles vorbei ist, fallen sich Angiola und Margerita Lescai in die Arme. Josef Scheungraber ist verurteilt, schuldig gesprochen des Mordes an zehn Bürgern des Ortes Falzano.

Kriegsverbrecherprozess: Angiola Lescai (links) mit Gabriele Heinicke, Vertreterin der Nebenklage.

Angiola Lescai (links) mit Gabriele Heinicke, Vertreterin der Nebenklage.

(Foto: Foto: Robert Haas)

Bei den Vergeltungsmaßnahmen der Wehrmacht im Juni 1944 waren auch der Vater und der Onkel der beiden Frauen, Angiolo Lescai, ermordet worden. "Es ist ein wichtiges und gerechtes Urteil für die Familien der Opfer", sagt Angiola Lescai, die beredtere der beiden, und Margerita nickt heftig mit dem Kopf.

Die Frauen waren am Dienstag eigens zur Urteilsverkündung nach München gereist - stellvertretend für die 14 betroffenen italienischen Familien, deren Angehörige einst ebenfalls Opfer der Deutschen wurden.

Längst wohnen die 60-jährige Psychologin und die 66 Jahre alte Rentnerin in Rom. Nach dem blutigen Massaker der Deutschen in Falzano verließen die meisten Bewohner den Ort. "Wir sind alle von dort weggezogen, das war zu belastend für die Familien", erzählt Angiola Lescai, "heute leben nur noch sechs Familien dort."

Die meisten Betroffenen konnten nicht an jenem Ort bleiben, an dem ihre Angehörigen auf schreckliche Weise getötet worden waren. "Das Massaker hat unsere Familie zerstört, und genauso sind andere Familien zerstört worden."

Obwohl Angiola Lescai erst 1949 und damit fünf Jahre danach geboren wurde, habe das Ereignis die Familie dominiert. Als Kind habe ihr die Mutter nie Märchen erzählt, berichtet Angiola Lescai. Stattdessen wurde den Kindern schon bald von jenen Kriegserlebnissen berichtet, die seit 1944 die Familiengeschichte bestimmt hätten.

Und auch Margerita Lescai, die beim Massaker ein Jahr alt war, sagt: "Ich habe noch heute einen Knoten im Hals, wenn ich jemanden deutsch sprechen höre." Immer habe das Thema die Familie beherrscht.

Dass Josef Scheungraber nun schuldig gesprochen wurde, empfinden die beiden als gerecht. "Es wäre ein großes Glück für meine Mutter gewesen", sagt Angiola Lescai, "sie hat ihr ganzes Leben auf so ein Urteil gewartet." Außerdem sei der Ausgang des Prozesses ein positives Signal für alle betroffenen Familien und die Beziehung zwischen den Völkern.

"Für mich persönlich wird das Leben jetzt heiterer sein", sagt Margerita Lescai, "ich werde nun nicht mehr diese Beklemmungen, diese Angstzustände haben." Ob sich der Aufwand gelohnt habe, als Nebenkläger im Prozess gegen Scheungraber aufzutreten, werden die beiden noch gefragt. Sofort und ohne zu zögern antwortet Margerita Lescai: "Ja, ja. Sehr."

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