Kriegsverbrecher-Prozesses:Videoschaltung in die Vergangenheit

Fortsetzung des Kriegsverbrecher-Prozesses: Die Richter haben einen Zeugen im italienischen Arezzo befragt.

Alexander Krug

Im Prozess gegen den mutmaßlichen Kriegsverbrecher Josef Scheungraber, 90, hat das Schwurgericht am Dienstag erstmals einen ausländischen Zeugen mit Hilfe einer Videokonferenz vernommen. Der 80-jährige Silvano R. schilderte Einzelheiten des Massakers, das deutsche Wehrmachtssoldaten im Juni 1944 in dem Weiler Falzano di Cortona in der Toskana an italienischen Zivilisten verübt hatten. Viel zur Aufklärung konnte der Zeuge allerdings nicht beitragen.

Der ehemalige Gebirgsjäger Scheungraber ist wegen 14-fachen Mordes angeklagt. Er soll im Juni 1944 als Leutnant des Gebirgs-Pionier-Bataillons 818 nach einem Partisanenangriff den Befehl zu einer Vergeltung gegeben haben. Dabei wurden 13 Männer und eine Frau getötet. Silvano R. war damals 16 Jahre und wohnte in Falzano. "Es war ein großes Unglück", sagte der Zeuge, der aus der Kleinstadt Cortona (Provinz Arezzo) per Video in das Münchner Schwurgericht zugeschaltet wurde.

Silvano R. erinnerte sich, dass deutsche Soldaten ein Pferd von einem Bauern beschlagnahmt hätten. Partisanen hätten daraufhin zwei Soldaten getötet. Am nächsten Morgen, so der Zeuge, habe er überall im Tal Maschinengewehrfeuer gehört. Dann habe er gesehen, wie "ein ganzer Trupp deutscher Soldaten" Dorfbewohner zusammengetrieben hätte. "Sie sagten, du hier und du hier, ihr kommt mit."

Die Gefangenen seien in ein Bauernhaus gesperrt worden, das dann in die Luft gesprengt wurde. "Ich war ganz in der Nähe, ich habe einen großen Knall gehört", meinte der Zeuge. Auch das Elternhaus des Zeugen ging nach seinen Worten in Flammen auf, "mein Vater versuchte zu retten, was zu retten war". Überall sei Rauch gewesen.

Der Zeuge aus Italien sprach von "gelben" und "weißen" Uniformen, eine Zuordnung war ihm nicht möglich. Einmal erwähnte er auch amerikanische Truppen, eine offensichtliche Verwechslung. "Es ist schwierig, sich nach so langer Zeit zu erinnern", meinte der Mann. Unklar blieb, wie viel der damals 16-Jährige tatsächlich selbst gesehen hatte und was er aus Erzählungen wusste.

Bereits vor der Videoschaltung gab es technische Probleme mit dem Kopfhörer des schwerhörigen Angeklagten. Scheungraber setzte sich schließlich - ohne Kopfhörer - direkt vor die Richterbank, um die Vernehmung des Zeugen verfolgen zu können. Auch während der Videokonferenz blieben Verständigungsprobleme nicht aus. Der ebenfalls schwerhörige Silvano R. verstand nicht alles auf Anhieb, so dass die eigentliche Vernehmung letztlich erst am Nachmittag mit mehr als einer Stunde Verzögerung beginnen konnte.

Das Gericht plant noch zwei weitere Videokonferenzen in dieser Woche. Zu Redaktionsschluss standen die Details aber noch nicht fest.

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