Kriegsverbrecher-Prozess:"Verantwortung bis zum Lebensende"

Im Prozess gegen den mutmaßlichen Kriegsverbrecher Demjanjuk treten 30 Nebenkläger auf. Einer der Zeugen steht unter Verdacht.

Stephan Handel

Der Prozess gegen den mutmaßlichen Kriegsverbrecher John Demjanjuk könnte noch umfangreicher werden als bislang angenommen: Mindestens 30 Nebenkläger sind bislang zugelassen, bestätigte Oberstaatsanwältin Barbara Stockinger, Sprecherin der Staatsanwaltschaft München I. Die Nebenklage ist in diesem Fall zulässig, weil es um Beihilfe zum Mord geht - dann dürfen sich auch Eltern, Kinder, Geschwister und Ehegatten des Opfers an dem Verfahren beteiligen. Das gibt ihnen das Recht, im Prozess eigene Anträge zu stellen, am Ende durch ihre Anwälte zu plädieren und eine eigene Strafforderung zu erheben sowie nach dem Urteil Rechtsmittel einzulegen.

Kriegsverbrecher-Prozess: John Demjanjuk.

John Demjanjuk.

(Foto: Foto: ap)

John Demjanjuk ist angeklagt, im Nazi-Vernichtungslager Sobibor als Wachmann an der Ermordung von 27.000 Juden in den Gaskammern mitgewirkt zu haben. Er war nach längerem rechtlichen Ringen vor wenigen Monaten aus den USA nach Deutschland überstellt worden und befindet sich seitdem in Haft. Der Prozess gegen ihn soll am 30. November vor dem Landgericht München II beginnen. Bislang sind 35 Verhandlungstage angesetzt - auch mit Rücksicht auf den Gesundheitszustand des 89-Jährigen: Nur drei Stunden pro Tag darf verhandelt werden.

Rund 20 Nebenkläger wollen den Angaben nach zumindest am ersten Tag den Prozess beiwohnen. Sie sind zum Großteil Angehörige von Sobibor-Opfern, vier sind Überlebende. Sie kommen hauptsächlich aus den Niederlanden, aber auch aus Israel und den USA. Eine größere Gruppe wird von dem Kölner Strafrechtsprofessor Cornelius Nestler vertreten - das wird die zuständige Kammer mit Erleichterung vernommen haben, denn wenn jeder Nebenkläger durch einen eigenen Anwalt vertreten werden würde, hätten am Ende des Prozesses mehr als 35 Plädoyers gedroht.

Anwalt Nestler sagte der Nachrichtenagentur dpa, die Nebenkläger wollten keine harte Strafe für Demjanjuk, sondern Wahrheit und Gerechtigkeit: "Der Weg ist das Ziel: Jeder, der verantwortlich war für die Morde an ihren Familienangehörigen, muss sich bis zum Lebensende seiner Verantwortung stellen." Die Anklage der Staatsanwaltschaft nennt Nestler "revolutionär": Früher sei immer auf die einzelnen Täter und ihre Exzesse geschaut worden. "Hier geht es um die Vernichtungsmaschinerie, in der Demjanjuk eine Funktion gehabt hat."

Einen der zum Prozess geladenen Zeugen könnte das gleiche erwarten wie Demjanjuk: Laut "Spiegel" sei gegen den 88-jährigen Samuel K. ein Vorermittlungsverfahren der Zentralstelle zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen eingeleitet worden. Er sei "dringend verdächtig, Beihilfe zu der grausamen Ermordung von mindestens 434.000 Menschen geleistet zu haben". K. wurde mehrfach von deutschen Ermittlern vernommen, ein Strafverfahren gegen ihn wurde jedoch nie eingeleitet.

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